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Afrikanische Akademiker
Aus der Not eine Tugend machen

Zahlreiche afrikanische Akademiker verlassen wegen schlechter Bedingungen für Bildung und Forschung den Kontinent. Derek Ndinteh ist geblieben. Er will beweisen, dass in Afrika gute Wissenschaft möglich ist. Und er ist überzeugt, dass er eines Tages den Chemie-Nobelpreis bekommt.

Von Anja Bengelstorff | 24.02.2017
    Der Chemiker Derek Ndinteh, aufgenommen in seinem Büro an der Universität Johannesburg (Südafrika).
    Der Chemiker Derek Ndinteh (picture alliance / dpa / Anja Bengelstorff)
    Das leise Rotieren einer Vakuumpumpe dringt durch den Raum. Ein solches Gerät steht in jedem Labor für Organische Chemie. Auch in dem von Derek Ndinteh an der Universität von Johannesburg in Südafrika. Der 41-jährige Naturstoffchemiker aus Kamerun untersucht in Afrika heimische Pflanzen. Manche ihrer Wirkstoffe lassen sich in der Medizin einsetzen.
    "Die Natur ist das beste Labor. Ich habe eine Cousine verloren, als wir zusammen studierten. Ich hing sehr an ihr. Sie starb an Diabetes. Seit diesem Tag will ich Diabetes heilen und ich werde es schaffen. Ich werde den Nobelpreis gewinnen. Ich werde der erste schwarze Chemie-Nobelpreisträger sein."
    Wissenschaft hat in Afrika einen schweren Stand. Mehr als die Hälfte aller afrikanischen Länder investiert weniger als 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Forschung. In Deutschland sind es fast drei Prozent. Gut ausgestattete Bibliotheken, Labors sowie Gelder für Forschung und Lehre fehlen in Afrika. Wissenschaftler können oft nur Daten sammeln, die dann an westlichen Universitäten analysiert und publiziert werden.
    Überall auf dem Kontinent entstehen Exzellenzzentren
    Derek Ndinteh kam 2009 nach Südafrika, um Laborversuche für seine Doktorarbeit zu machen. Seiner Heimatuniversität in Kameruns Hauptstadt Yaoundé fehlte dafür die Ausstattung, wie vielen Hochschulen in Afrika.
    "Zu Hause hatten wir nichts, rein gar nichts. Du zahlst für die Universität. Wir hatten im Studium sogenannte 'Theoretische Praxisübungen'. Dort wurde uns gesagt: 'Stell dir ein Reagenzglas vor.' Also haben wir uns ein Reagenzglas vorgestellt. 'Stell dir vor, du gießt etwas hinein ...' So lief das ab. Wir haben im Grunde nichts angefasst."
    Viele Studenten und Wissenschaftler gehen deshalb nach Europa oder in die USA, um zu studieren und zu forschen. Ndinteh wechselte das Land, blieb aber auf dem Kontinent.
    "Alle meine Freunde sind nach dem Abitur oder nach dem Bachelor-Abschluss in die USA gegangen. Deswegen bin ich in Afrika geblieben. Ich will ihnen beweisen, dass in Afrika gute Wissenschaft möglich ist, die die Welt beeinflusst."
    Nicht wenige afrikanische Forscher entscheiden sich für eine Karriere auf dem Kontinent: Sie wollen einen Beitrag zum Fortschritt Afrikas leisten. Die Bedingungen sind schwierig, denn trotz solider Grundlage ist die Lehre häufig nicht auf dem neuesten Stand. Die Studierendenzahlen sind überwältigend. Diese Leistung, so sagen Experten, werde selten gewürdigt. Inzwischen nimmt die Forschung an Fahrt auf. Überall auf dem Kontinent entstehen Exzellenzzentren.
    Derek Ndinteh hat aus der Not eines leeren Labors eine Tugend gemacht
    Der Kameruner Derek Ndinteh wuchs als drittes von sieben Kindern in der Hauptstadt Yaoundé auf. Als kleiner Junge wollte er Pilot werden – ein Beruf, von dem auch in Afrika viele kleine Jungen träumen. Doch gute Schulnoten führten ihn an die Universität. Die meisten seiner Geschwister machen heute ebenfalls Karriere in der Wissenschaft. Sein Vater war Chemieprofessor und sein großes Vorbild und Förderer. Bevor er starb, drängte er seinen Sohn, das Nest zu verlassen und eine Universität zu finden, an der er forschen kann. So kam er nach Johannesburg.
    "Die Gefahr in einem gut ausgestatteten Labor besteht darin, dass man sein Hirn nicht benutzt. Man muss nicht improvisieren, nicht um die Ecke denken, keine Lösungen finden. Ich versuche, mich davon fernzuhalten. Man benutzt hoch entwickelte Geräte, die Analyse gelingt, man findet etwas Neues heraus, aber man hat sich keine Gedanken machen müssen."
    Derek Ndinteh hat aus der Not eines leeren Labors in Kamerun eine Tugend gemacht – die nun auch anerkannt wird. Soeben hat ihm die südafrikanische Regierung 50.000 Euro an Forschungsgeldern zugesagt, um zwei Wirkstoffe aus einer invasiven Pflanzenart für Medikamente zu extrahieren. Seine Studierenden ermutigt er, angesichts der Schwierigkeiten in der afrikanischen Forschungslandschaft nicht zu verzweifeln.
    "Ich möchte viele junge Afrikaner motivieren: Ihr könnt es schaffen. Ich habe es auch in Afrika geschafft. Wenn ich zu Hause in Kamerun Seminare gebe oder vor der Fakultät spreche, sage ich allen: Euer Nachteil ist euer Vorteil."