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Aids kam aus Zentralafrika

Medizin. - Aids ist seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als Menschenseuche bekannt. Doch über ihren Ursprung gingen die Meinungen bislang weit auseinander. Forscher der Universität von Alabama haben jetzt höchst wahrscheinlich den Ursprung der Krankheit ausgemacht: Sie fanden in einer Schimpansengruppe aus dem Kamerun Affenaids-Viren, die den menschlichen extrem glichen. Der Wissenschaftsjournalist Martin Winkelheide erklärt die Entdeckung im Gespräch mit Monika Seynsche.

    Seynsche: Herr Winkelheide, ist es jetzt ganz sicher, dass das Virus aus Kamerun kam?

    Winkelheide: Es ist sehr, sehr sicher, weil das Virus, das die Forscher nachgewiesen haben, dem menschlichen Virus so ähnlich ist, dass man sagen kann, dass zumindest das ähnlichste Virus noch heute bei Affen zirkuliert. Wobei man sagen muss, dass der erste bekannte Aids-Fall in Kinshasa, in der Hauptstadt Kongos, auftrat. Aber da das direkt in der Nähe des Sanaga-Flusses liegt, kann man sicher sein, dass da eine Verbindung zu Südkamerun besteht. Und man muss sagen, das SI-Virus, das Affenvirus hat zweimal die Artengrenze übersprungen, einmal vom Affen zum Menschenaffen, zum Schimpansen, und dann vom Schimpansen auf den Menschen.

    Seynsche: Wie haben die das Virus überhaupt gefunden?

    Winkelheide: Ein Problem bei Schimpansen ist ja, dass sie, oder was heißt Problem, sie sind eine geschützte Art: man soll Schimpansen nicht jagen, das wird in Afrika zwar gemacht, aber zu wissenschaftlichen Zwecken natürlich nicht. Beatrice Hahn hat sich überlegt, die Forscherin, wie man das macht, dass man den Affen nichts zuleide tut und trotzdem herausbekommen kann, ob sie mit Viren infiziert sind oder nicht. Und sie hat eine trickreiche Methode entwickelt, sie nimmt nämlich Kot von den Affen und präpariert den so, dass das noch heil ins Labor kommt, dass man das noch untersuchen kann, und aus dem Kot kann man ablesen, gehört der Kot zu einem Männchen oder Weibchen, zu welcher Art gehört er und zu welchem Individuum. Und dann kann man gucken, welches Virus hat der Affe denn. Und da hat sie in zehn Orten in Südkamerun geguckt, welche Viren zirkulieren denn da, und sie hat in einer Gruppe eben, in zwölf Fällen von Tieren in einer Gruppe Viren gefunden, die extrem ähnlich sind dem HI-Virus. Die reagieren sogar auf den menschlichen Aids-Test.

    Seynsche: Haben sie denn auch herausfinden können, wie verbreitet das Virus unter den Affen ist?

    Winkelheide: Das ist die große Überraschung gewesen. Denn man hatte vorher immer nur Stichproben, zum Beispiel von Märkten, wo man aus dem Fleisch Stichproben genommen hat, geguckt hat, sind da Viren drin, oder man hat bei Affen in Gefangenschaft geguckt, sind sie mit SIV infiziert, und jetzt hat sie gesehen aus den Kotproben, dass in einigen Gruppen 25 bis 35 Prozent der Affen infiziert sind. Das ist eine gewaltige Anzahl und das heißt eben auch, dass dieses Virus sehr häufig ist, und - das war ja auch nur eine kleine Stichprobe aus einem kleinen Bereich von Kamerun - dass man gar nicht die Verbreitung von SIV, dem Affenaids-Virus, in Zentralafrika kennt. Und das ist der nächste Schritt, dass man guckt, wo ist das Virus überall, und wie groß ist das Risiko, dass das Virus noch einmal auf den Menschen überspringt, ein anderes Virus.

    Seynsche: Wann ist es denn das erste Mal übergesprungen?

    Winkelheide: Aus der Untersuchung der Viren hat man Stammbäume abgeleitet und Beatrice Hahn sagt, ja, die Vermutung der anderen Forscher aus den anderen Jahren, die sind richtig gewesen. Die gehen nämlich davon aus, dass ungefähr in den 20er, 30er Jahren auf jeden Fall aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts an verschiedenen Stellen das Affenaids-Virus auf den Menschen übergesprungen ist und sich von da aus weiterverbreitet hat. Wobei man auch sagen muss, es gibt ja eine enorme Varianz unter den Aids-Viren. Das heißt, das Virus ist nicht einmal auf den Menschen übergesprungen, sondern mehrfach von jeweils anderen Tieren. Und passiert ist das wahrscheinlich bei der Jagd, dass jemand gebissen wurde, das ist der wahrscheinlichste Fall, oder dass er beim Schlachten eben Blut in die Augen bekommen hat, oder in eine Wunde, und von dort ist das Virus dann eben über Kinshasa und andere Orte hat es sich über die ganze Welt verbreitet.