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Alexandra Kassen ist tot
Kleine Kunst ganz groß gemacht

Sie hat eine der ersten deutschen Kabarett- und Kleinkunstbühnen gegründet: Alexandra Kassen hob Ende der 50er mit ihrem Mann Fred das Kölner "Senftöpfchen" aus der Taufe, das für viele Stars der Szene ein Sprungbrett war. Nun ist sie im Alter von 94 Jahren gestorben.

Von Esther Körfgen | 27.06.2017
    Alexandra Kassen auf dem Roten Teppich der Kölner Aids Gala 2013 in Köln (Bild: Lumma Foto / imago stock&people)
    Alexandra Kassen, langjährige Leiterin des Kölner "Senftöpfchen" (imago stock&people / Lumma Foto)
    Mit einem Lied von Brigitte Mira fing alles an. Sie betrat als erste die Bühne des Hauses. Und machte damit die lange Liste der Berühmtheiten auf, für die das "Senftöpfchen" von nun an ein Sprungbrett war: etwa für Jürgen von der Lippe, Robert Kreis, Georgette Dee, Sissi Perlinger oder Konrad Beikircher.
    "Schön, dass sie gekommen sind, also hier im senftöpfchentheater in köln / Da hatte keiner im Lokal die Langeweile. Sie liebte alle Mann pauschal / Wie war ihr Name, hübsch, nein Hösch, nein mit Ü, Herr Husch … (Gelächter)"
    "Das gibt ein sehr gutes Gefühl"
    Alexandra Kassen hat die kleine Kunst in Köln ganz groß gemacht. Die Fleißige, die keine Arbeit scheute und großes unternehmerisches Geschick bewies, sie behauptete einmal von sich, sie wäre auch eine perfekte Metzgersgattin geworden. Ihren Mut aber und ihr Gespür für echte Talente hatte sie dabei unterschlagen.
    "Es ist sehr viel Arbeit. Von früh bis spät setzt man sich ein, mit einer Freude, besonders wenn man einen unbekannten Künstler vorgestellt hat und er wird angenommen vom Publikum und irgendwann später berühmt - und bleibt dann dem Theater treu, das gibt einem ein sehr gutes Gefühl."
    Als die Tochter aus gutem Hause am 30. Januar 1923 in Bayern geboren wurde, konnte keiner ahnen, dass sie einmal als "Prinzipalin" in die Kölner Geschichte eingehen würde. Als "Alexandra die Große" oder, wie ein weiterer Titel sie prägte: als "Et Hötche". Denn ohne Hut ging die ehemalige Klosterschülerin nie aus. Was sie der Anstandsstunde im Internat zu verdanken hatte.
    Hören Sie hier ein Corsogespräch mit Alexandra Kassen aus dem Jahr 2003 zu ihrem 80-sten Geburtstag
    "Da wurde uns beigebracht, dass, wenn man ausgeht und irgendwo eingeladen ist, nie ohne Handschuhe und ohne Hut geht. Die Hüte ist als zweiter Grund weil ich sehr dünne Haare habe. Damit kann man sehr viel kaschieren."
    "Wenn Sie überlegen, dann ist es schon verloren"
    In München hatte sich die Großbürgerliche in den feschen Pianisten und Ex-Comedian-Harmonists-Sänger Fred Kassen verguckt. In ihren "schönsten Jahren", wie sie die 50er nannte, führten die beiden in München die Künstlerkneipe "Stachelschwein". Sie wurde Auftrittsort für die "Lach- und Schießgesellschaft" von Dieter Hildebrandt. Und Fred Kassen ihr Komponist.
    "Es ist zum Schießen! Zum Schießen, zum Schießen!"
    Doch Fred Kassen wollte bald zurück in die Heimat, ins Rheinland. Um dort eine eigene Bühne zu eröffnen. In Köln gab es zu der Zeit nur sieben Theater, keines für Kabarett und Kleinkunst. Und für Travestie schon gar nicht. Als ihr Mann Fred 1972 überraschend starb, krempelte die zierliche Frau die Ärmel hoch und stürzte sich in Arbeit.
    "Als mein Mann starb, hab ich überhaupt nicht überlegt. Wenn Sie überlegen, dann ist es schon verloren. Wenn man nämlich überlegt, dann sagt man: Das kann ich ja gar nicht."
    Alexandra Kassen ist mit ihrer Arbeit nicht reich geworden. Aber sie hat viele Preise bekommen. Das Bundesverdienstkreuz am Bande etwa und den Verdienstorden des Landes NRW. Für die Förderung junger Talente und ihr großzügiges soziales Engagement, unter anderem in der Aids-Hilfe. Seit 1990 wurde sie in ihrer Arbeit beim "Senftöpfchen" von ihrer Tochter Alexandra Franziska unterstützt.