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Alt werden und jung bleiben

Zellbiologie. - Das durchschnittliche Lebensalter der Menschen in Deutschland und anderen reichen Ländern der Welt ist in den vergangen Jahren ständig angestiegen. Bald jedoch ist die biologische Grenze erreicht. Dann ist Schluss. Es sei denn, man verändert die Biologie. Das ist nun Forschern aus Spanien gelungen. Sie haben die Lebensuhr ihrer Versuchstiere, die Telomere, verändert, und die Tiere alterten langsamer.

Von Michael Lange | 18.05.2012
    Das Geheimnis der Zellalterung liegt in den Telomeren. Als kleine Kappen schützen sie die Enden der Chromosomen, und die sind Träger der Erbinformation. Man kann sie sich vorstellen, wie die kleinen Plastikringe, die die Schnürsenkel am Ende zusammenhalten. Bei jeder Zellteilung werden die Telomere etwas kürzer. Und irgendwann sind sie weg. Dann können sich die Zellen nicht mehr teilen. Die Lebenszeit ist abgelaufen. Ein natürliches Enzym wirkt diesem Prozess entgegen: Die Telomerase. Für ihre Entdeckung erhielt Elisabeth Blackburn von der Universität von Kalifornien in San Francisco 2009 einen Nobelpreis.

    "Die Telomere werden mit den Jahren immer kürzer. Und gäbe es da nicht den Gegenspieler, die Telomerase, dann würden die Menschen viel früher an typischen Alterskrankheiten leiden."

    Älteren Lebewesen fehlt die Telomerase. Die Idee liegt also nahe, Zellen mit zusätzlicher Telomerase gegen das Altern zu schützen. Genau das haben Forscher vom spanischen Krebsforschungszentrum CNIO nun gemacht. Das Team um Maria Blasco setzte dabei auf eine Gentherapie.

    "Die Gentherapie bringt das Gen für die Telomerase in alte Zellen und macht die Zellen so wieder jung."

    Wenn die Mäuse die Gentherapie im Alter von einem Jahr erhielten, verlängerte sich ihr Leben um 24 Prozent. Wurden zweijährige Tiere behandelt, waren es immer noch 13 Prozent Lebensverlängerung. Auf den Menschen übertragen hieße das: Dreißigjährige erhalten durch die Gentherapie etwa 15 zusätzliche Lebensjahre, Sechzigjährige etwa acht. Frühere Tierversuche hatten zwar noch mehr Lebensverlängerung gebracht. Aber die Behandlung führte oft zu Krebs. Denn: Wenn Zellen jung bleiben und sich auch im Alter weiter teilen, bedeutet das immer auch ein Krebsrisiko. Diesmal jedoch entwickelte keines der Versuchstiere Krebs. Maria Blasco erklärt das damit, dass nicht Embryonen oder junge Mäuse mit Genen behandelt wurden sondern ausgewachsene Tiere. Wie genau der Krebsschutz bei älteren Tieren funktioniert, ist unbekannt. Außerdem vertraut Maria Blasco auf ungefährliche Genfähren, so genannte adenoassoziierte Viren.

    "Diese Vektoren schleusen die Gene in eine Zelle ein, ohne jedoch ihre Erbinformation in das Erbgut der Zelle einzubauen. Da sie das Erbgut der Zelle nicht verändern, erhöhen sie nicht das Krebsrisiko und sind deshalb besonders sicher."

    Der gesamte Alterungsprozess der Mäuse habe sich durch die Gentherapie verzögert, erklärt Maria Blasco. Typische altersbedingte Krankheiten, wie Diabetes oder Osteoporose, traten bei den behandelten Tieren seltener und erst später auf. Die Forscherin schlägt deshalb vor, die Gentherapie auch beim Menschen gegen typische altersbedingte Krankheiten zu erproben, wie zum Beispiel gegen die Lungenfibrose. Aber im Grunde könne man auch das Altern selbst mit einer Gentherapie bekämpfen, so Maria Blasco.

    "Das Altern unserer Zellen ist die Ursache vieler Krankheiten. Das reicht von Krebs über Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis zu degenerativen Nervenkrankheiten wie Parkinson und Alzheimer. Indem wir lernen, das Altern zu verzögern, können wir diesen Krankheiten besser vorbeugen."

    In den Augen der Forscherin ist Altern selbst keine Krankheit, aber auch kein unabwendbares Schicksal.