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Alte Rivalen in Südafrika

Einer der herausragenden Fußballfunktionäre der letzten Jahrzehnte war der Schwede Lennart Johansson. Er war zwischen 1990 und 2007 UEFA-Präsident, war lange Jahre FIFA-Vizepräsident und ist der Gründungsvater der Champions League.

Von Jens Weinreich |
    Für Lennart Johansson ist es bereits die 14. Weltmeisterschaft. Die erste seit 1958, bei der er keine Verantwortung trägt. Zuletzt war Johansson zweimal Chef der WM-Organisationskomitees der FIFA – für Japan und Südkorea und für Deutschland. Nachdem er 2007 aber als Präsident der Europäischen Fußball-Union UEFA abgewählt wurde, verlor er auch seinen Vorstandsposten in der FIFA. Johansson wird im November 81 Jahre alt. Das Alter fordert seinen Tribut. Johansson, dessen mächtige Statur stets Ehrfurcht einflößte, hatte ein erfülltes Leben. Johansson zählte zu jenen, die die WM nach Afrika gebracht haben. Das war nicht nur Joseph Blatter, der sich in Südafrika als Nationalheld feiern lässt.

    "Mit allem Respekt für den FIFA-Präsidenten. Aber er ist nicht allein. Es gibt auch ein Exekutivkomitee, das etwas zu sagen hat und das die WM nach Afrika gebracht hat. Als FIFA-Präsident soll er glücklich sein, wenn diese WM sportlich und wirtschaftlich ein Erfolg werden sollte."

    Ähnlich wie Blatter betrachtet Johansson die Weltmeisterschaften als Weg zur Erschließung neuer Märkte. Seine Favoriten für die Titelkämpfe, die im Dezember vergeben werden, stehen deshalb fest. Sie entsprechen der Stimmungslage in der FIFA. 2018 sollte die WM nicht nach England, sondern nach Russland gehen.

    "Ich glaube, sie haben eine gute Chance. Auch gegen England, ja."

    Und 2022 nach Down Under.

    "Australien, meine ich. Sie haben noch keine Weltmeisterschaft gehabt. Aber es ist Zeit jetzt für die Australier."

    In Südafrika müsse man Abstriche machen, sagt Johansson. Aus europäischer Sicht solle man die WM vorsichtig bewerten, "nicht überkritisch". Europa solle Afrika dankbar sein für die Generationen von Fußballern, die in den vergangenen 20 Jahren Europas Fußball bereichert und geprägt haben. Er selbst hat Anfang der neunziger Jahre Entwicklungshilfeprojekte in Afrika angeschoben.
    Johanssons Karriere war geprägt von ständigen Auseinandersetzungen mit Blatter. Dieser kandidierte als FIFA-Generalsekretär 1998 für die Präsidentschaft – und Johansson war sein Gegner. Blatter log öffentlich, Blatter spann Intrigen – doch Johansson ging nicht energisch genug dagegen vor. Das war sein Fehler. Der offene Kampf mit harten Bandagen entsprach nicht seinem Naturell.
    So gewann Blatter die Wahl, die auf ewig von Bestechungsvorwürfen überschattet sein wird. Unvergessen, wie Johansson damals in Paris nach dem ersten Wahlgang, in dem Blatter die nötige Zweidrittel-Mehrheit verfehlte, ans Rednerpult trat und brummte: "The Game is over!"
    Dann reichte er Blatter die Hand. Es war ein großer Moment. Johansson war der moralische Sieger. Manche sagen, Johansson sei nicht brutal genug gewesen für diesen Job. Andere sagen, er sei nicht smart genug gewesen. Er wurde nicht immer gut beraten. Und diejenigen, die ihn gut berieten, brachte er zur Verzweiflung, weil er sich nicht an Absprachen hielt und in seinem Streben nach Konsens dem raffinierten Machtpolitiker Blatter stets unterlegen war. Heute sagt er:

    "Man hat immer einen Kampf zwischen mir und Blatter beschrieben, Das stimmt aber nicht. Wir hatten verschiedene Meinungen. So ist das in einer Demokratie, da gibt es Diskussionen und man muss die Meinung der Mehrheit akzeptieren."

    Johansson kann nicht anders. Tatsächlich war es ein vor allem von Blatter stets brutal und oft unsauber geführter Kampf. Johansson war dem nicht gewachsen. Aber er hat seinen Frieden geschlossen mit Blatter und dessen Kompagnons.
    Johansson hat Südafrika inzwischen wieder verlassen. Im Moment interessiert ihn nur die Gesundheit seiner Frau Lola, die daheim in Stockholm im Krankenhaus liegt.
    Ob er zu den Playoff-Spielen zurückkommt? Er weiß es nicht. Die WM ist im Moment weit weg für den alten Schweden.