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Alumni der BTU Cottbus
Mehr als ein Nerd-Treffen

IT-Studierende sind männlich, maulfaul und gehen selten vor die Tür: Klischees über ITler gibt es viele. Welche davon stimmen und warum es sich dennoch lohnt, Informatik zu studieren, darüber konnten sich die Teilnehmer beim elften Alumni-Treffen an der BTU Cottbus Mitte Juni selbst ein Bild machen.

Von Sylvia Belka-Lorenz | 23.06.2017
    Eine Hand mit Computermaus wird durch eine Lücke in der Büroeinrichtung hindurch beobachtet.
    Wer Informatik studiert, der hat sehr gute Jobchancen. (picture-alliance / dpa / Hans Wiedl)
    Mehr noch als sein Eröffnungsvortrag in einigen Minuten macht dem Professor vorn auf dem Auditorium die automatische Verdunklungsanlage zu schaffen, die mutmaßlich jeder im Raum neu programmieren, nur eben nicht bedienen kann. Im Hörsaal gut sortiert die Teilnehmer-Grüppchen: die offiziellen Hochrangigen ganz unten. Mittig die Interessierten, ganz oben außen die, die noch gar nicht wirklich dazugehören, weil sie die Karriere noch weit vor sich haben.
    Christoph Schwalbe ist einer von ihnen. Irgendwann demnächst will er seinen Master machen, aber diese Alumnitreffen gehören für ihn jetzt schon zum Muss-Programm: "Um spannende Vorträge zu hören, von Vorangegangenen, und was sie berichten aus der Industriewelt. Was die erfahren haben und wie die Forschung ist und wie sich es so entwickelt hat und entwickeln wird."
    Auch sein Sitznachbar wäre ein potenzieller Gesprächspartner, aber der dreht sich hochrot und tief erschrocken weg. Der ist Informatiker, sagen die Kommilitonen, der spricht nicht mit Menschen.
    Immer noch eine Männer-Domäne
    Das Klischee des wortkargen Nerds wird hier tatsächlich ausgiebig bedient. Männer – und zwar ausschließlich Männer – zwischen Mitte 20 und Mitte 60, die nicht zwingend viel plaudern müssen, um miteinander eine gute Zeit zu verbringen. Thomas Zehler, eigentlich schwer beschäftigt am Fraunhoferinstitut, kam dafür extra aus Kaiserslautern nach Cottbus.
    "Alte Zeiten noch mal Revue passieren lassen. Noch mal übern Campus laufen, alte Kontakte wieder aufleben lassen. Alte Professoren noch mal sehen, bevor sie in Rente gehen."
    Die Alumni treffen sich schon zum elften Mal in Cottbus – aber wohl eher aus nostalgischen Gründen, denn als Karriere-Netzwerk. Sowas hat keiner der Absolventen wirklich nötig. Was Professor Heinrich Theodor Vierhaus gleichermaßen stolz macht, wie es ihn selber vor akademische Personalnöte stellt. Dringend müsste er den Lehrstuhl Cybersicherheit besetzen, von der gewünschten Zahl an Doktoranten ganz zu schweigen: "Die Marktchancen sind so, dass Sie fast schon vom Schulhof weggekauft werden. Sie können sich vorstellen, was das für Auswirkungen auf uns hat, wenn wir Leute haben wollen, die vielleicht noch promovieren wollen, die kriegen wir vielleicht aus dem Iran oder aus Pakistan. Die Leute werden einfach überall aufgesogen. Das heißt, egal, was sie gemacht haben, wenn die Ausbildung einigermaßen solide aussieht, kriegen die Leute alle eine Stelle."
    Die BTU Cottbus-Senftenberg belegt in den Informatik-Studiengängen bundesweite Spitzenplätze. Die Spezifik hier ist die Praxisanbindung jedweder Rechentechnik. Nicht allein das, was in der Festplatte selbst passiert, sondern dessen große komplexe Anwendung: darum geht es. Deswegen war Paul Plöger vor 20 Jahren aus dem Ruhrgebiet hergekommen. Mittlerweile ist Plöger selber Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
    "Man kann sagen, jeder, der Cyber schreiben kann, jeder, der Autonomes Irgendwas in der Widmung führt oder Data, Big Data oder Machine Learning Deep, deep ist auch ganz toll gerade, in dem Moment, wo Sie dieses Label tragen, sind Sie schon vom Markt weggekauft."
    Gefragte Gesprächspartner
    Erfahrungen aus dem richtigen Leben. Das macht Plöger und die anderen Alumni zu gefragten Gesprächspartnern, ob beim Kaffee zwischendurch oder beim abendlichen Grillen. Allerdings auch hier sind die Männer wieder unter sich. Gerade mal eine von zehn Studierenden ist eine Frau – und Professor Heinrich Theodor Vierhaus bedaure das sehr, sagt er. Denn die wenigen Abiturientinnen, die sich an den vermeintlichen Nerd-Studiengang herantrauten, die müssten die männliche Dominanz in der IT keineswegs fürchten:
    "Es ist genau andersrum. Wir stellen fest, dass die Frauen, die bei uns studieren, in manchen Bereichen wesentlich besser sind als die Männer. Sie schreiben die weitaus besseren Master- und Bachelorarbeiten. Sie können mehr Sprachen - und da die IT-Leute, die beispielsweise irgendwas fürs Auto machen, immer in internationalen Verbünden arbeiten, sind Leute, die im Verbund arbeiten können, da natürlich wesentlich besser."
    Von Brandenburg in die Welt
    Wer Studium und wenigstens den Masterabschluss schafft, dem steht von der kleinen Hochschule im Süden Brandenburgs aus die Welt offen. Und jeder einzelne, ist ein fleisch-gewordener Werbeträger für die Universität. Sagt die Frau, die sie gerne einlud. Katrin Salchert, BTU-Vizepräsidentin für Wissens- und Technologietransfer:
    "Genau dieses Networking lebt dann über diesen Tag hinaus, und für alle, die da teilnehmen, bringt das Verwehrte in der täglichen Arbeit. Auch in dieser Multiplikatoren-Funktion zu berichten: In Cottbus kann man das und das studieren, das ist für uns auch eine Werbung."