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Andere Länder, andere Standards

Medizin.- Erkrankt eine Frau an Brustkrebs, soll nach Empfehlungen internationaler Richtlinien möglichst nur der Tumor selbst entfernt werden. Die Brust bleibt auf diese Weise erhalten. Nun zeigt eine Studie an 10.000 Patientinnen, dass die Praxis anders aussieht.

Von Christine Westerhaus |
    Eigentlich ging es den Forschern um etwas ganz anderes: Sie wollten herausfinden, wie gut bestimmte Medikamente Brustkrebstumore bekämpfen. Fünf Jahre lang untersuchte das internationale Forscherteam Patientinnen aus neun verschiedenen Ländern, unter anderem aus Frankreich, Japan, Deutschland und den USA. Dann schaute sich ein niederländisches Wissenschaftlerteam die Daten der Patientinnen genauer an: Sie stellten fest, dass vor allem in den USA vielen Frauen nach einer Krebserkrankung die ganze Brust entfernt worden war. Obwohl dies aus medizinischer Sicht gar nicht nötig war.

    "In Ländern wie Frankreich haben Frauen eine sehr viel größere Chance, ihre Brust zu behalten. Nur bei jeder zehnten Brustkrebspatientin entfernen Ärzte hier die ganze Brust. In den USA dagegen bei der Hälfte der Betroffenen. Einen ähnlichen Trend zeigte eine Studie, die Ende der 90er-Jahre gemacht wurde. Es gibt also noch immer lokale Unterschiede zwischen den Behandlungsmethoden."

    Janine van Nes vom medizinischen Zentrum der niederländischen Leiden Universität. Internationale medizinische Richtlinien empfehlen, dass das Gewebe nach einer Brust erhaltenden Operation bestrahlt werden sollte. Eine solche Therapie dauert sechs bis acht Wochen. Janine van Nes nimmt an, dass manche Frauen diese Strapazen nicht auf sich nehmen wollen und sich deshalb entscheiden, die gesamte Brust entfernen zu lassen. Bei dieser sogenannten Mastektomie müssen Ärzte die Brust nur in besonderen Fällen zusätzlich bestrahlen.

    "In den USA wohnen viele Patientinnen weit von einer Bestrahlungseinrichtung entfernt. Sie könnten sich deshalb eher für eine Mastektomie entscheiden. Neben den internationalen Richtlinien gibt es auch nationale Empfehlungen, und die können Ärzte unterschiedlich interpretieren. Zum Beispiel hängt es auch von der Lage des Tumors und der Gesamtgröße der Brust ab, ob ein Arzt eher Brust erhaltend operieren sollte."

    Dass Frauen sich dazu entschließen, die ganze Brust abnehmen zu lassen, könnte aber auch kosmetische Gründe haben. In den USA haben plastische Chirurgen einen viel größeren Einfluss, als in anderen Ländern.

    "Der Prozentsatz der Fälle, die Brust erhaltend operiert werden, gilt als Hinweis auf die Qualität des Gesundheitssystems in einem Land. Es gibt aber auch Mentalitätsunterschiede zwischen den Ländern. Seit zehn Jahren entscheiden sich in den USA mehr und mehr Frauen dafür, die gesamte Brust entfernen zu lassen, um dann eine Prothese zu tragen. Vielleicht ist es in manchen Ländern einfach üblicher, den Frauen die Möglichkeit einer Brustprothese nahe zu legen."

    Janine van Nes und ihre Kollegen fanden noch weitere Unterschiede zwischen den Ländern. Nur in Belgien und Frankreich hatten die Ärzte alle Frauen nach einer Brust erhaltenden Operation bestrahlt. Auch diese Behandlung ist internationaler Standard. So sollen Tumorreste abgetötet werden, die möglicherweise bei der Operation übersehen wurden.

    "Diese Unterschiede zeigen, dass jede Klinik ein spezielles Brustkrebs-Team haben sollte. Dazu gehören Chirurgen, Radiologen, plastische Chirurgen und andere Mediziner, die dann jeden einzelnen Fall einer Brustkrebserkrankung diskutieren. Studien haben gezeigt, dass Patienten eher nach medizinischen Richtlinien behandelt werden, wenn ihr Fall vorher in so einem Team diskutiert wurde. Deshalb sind sie in der Brustkrebstherapie sehr wichtig."