Anfangsschwierigkeiten
Urteile und Vorurteile

Gerade angekommen in dieser Millionenmetropole und dann wartet das erste spannende Thema ausgerechnet in der recht beunruhigenden Peripherie.

Von Jonas Reese |
    Besetztes Feld in der Nähe des WM-Stadions Itaquerao
    Besetztes Feld in der Nähe des WM-Stadions Itaquerao (JR)
    1.500 Menschen sollen weit im Osten der Stadt ein Grundstück besetzt haben. Ganz in der Nähe des Stadions, in dem das Eröffnungsspiel stattfinden soll. Sie haben sich das Land einfach genommen, bauen dort Zelte aus Plastikplanen und übernachten in ihnen. Der Grund: Wegen der Fußball-Weltmeisterschaft sollen ihre Mieten so stark gestiegen sein, dass sie sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten können.
    Klingt interessant. Müsste man eigentlich mal hin und mit den Leuten sprechen. Aber so kurz nach meiner Ankunft? Aber wie dahinkommen? Und wie gefährlich wird es dort sein? Gerade gestern gab es in den Fernsehnachrichten die Meldung, dass jemand erschossen wurde, weil er dem Dieb sein uraltes Handy nicht geben wollte.
    Das Handy bleibt also zuhause. Kreditkarte auch. Nur wenig Bargeld in die Hosentasche. Ein Reserveschein unter die Fußsohle in den Strumpf. Kamera? Naja, die ist alt. Die kann mit. Fotos müssen ja schon sein.
    Eine Stunde Metro. Direkt zum Stadion „Itaquerao". Schauplatz des Eröffnungsspiels. Dann weiter mit dem Taxi. Es geht vorbei an kleinen Baracken, Müll überall. Auf der Straße hängen düster aussehende Typen herum. Taxi war die richtige Entscheidung.
    Auf einmal Stau. Die Straße kurvig. Die Luft staubig. Nach weiteren 30 Minuten sind wir da. Zur Linken reihen sich zahlreiche Zelte dicht an dicht. Ein Meer von schwarzen Plastikplanen den ganzen Hügel hinauf. Menschen tragen Bretter auf ihren Schultern umher. Ein wirres Treiben. Überall hämmert und sägt es. Hier entsteht ein kleines Dorf mit 5.000 Bewohnern. So entstehen also die Favelas?
    Vorsichtiger Schritt aus dem Taxi. Erst mal wirken lassen. Die ersten gucken schon misstrauisch, oder? Wer kommt hier schon mit dem Taxi hin? Und nun? Einfach rein in dieses Labyrinth und Mikrofon zücken?
    „Hallo, ich komme vom deutschen Radio. Darf ich mich kurz mit ihnen unterhalten? Und das aufnehmen?"
    „Ja, klar. Natürlich können Sie sich mit mir unterhalten. Setzen Sie sich! Was wollen Sie wissen? Haben Sie überhaupt schon zu Mittag gegessen? Es ist nichts Besonderes, Reis und Bohnen. Aber immerhin mit Fleisch."