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Anforderungen an Ausbilder
Zwischen Chef und persönlichem Lebensberater

Nicht selten ist ein Ausbilder für seine Schützlinge mehr als bloß Vorgesetzter. Mal muss er Bezugsperson sein - auch für persönliche Wehwehchen -, mal soll er sich vor seine Leute stellen, wenn es beispielsweise um ein erhöhtes Arbeitspensum geht. Und überhaupt: Warum, fragen sich wohl so manche, gibt es eigentlich nicht mehr Ausbilderinnen?

Von Thomas Wagner |
    Ein Auszubildender in einer Metallwerkstatt
    Nicht wenige Auszubildende beklagen, dass sie vor allem im ersten Lehrjahr zu vieles nicht machen dürften. (picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt)
    Jetzt bloß keine falsche Bewegung: Konzentriert schaut Ricarda Meyer auf den Holzblock direkt vor ihr – in der Lehrwerkstatt des Berufsbildungswerkes Friedrichshafen der Handwerkskammer Ulm. Obwohl die Endzwanzigerin bereits einen BWL-Studium abgeschlossen hat, absolviert sie im zweiten Ausbildungsjahr eine Schreinerlehre.
    "Also ich hab einfach gemerkt, dass ich nicht immer im Büro sitzen will. Und ich bewundere das sehr, dass man im Handwerk einfach etwas schafft – und man sieht, was man geschafft hat."
    Sie weiß, wie ein Studium läuft – und sie weiß, wie eine duale Berufsausbildung funktioniert. Ihr Hauptkriterium, das ein guter Ausbilder erfüllen sollte: Ein fairer Umgang mit den Lehrlingen.
    "Was heißt fair? Also ich muss ja schon sagen: Wir bekommen ja nicht viel Gehalt mit unserem Azubi-Gehalt. Das ist nicht viel. Wenn man merkt, dass man ausgenutzt wird vom Ausbilder, dann ist das überhaupt nicht fair. Also wenn man Überstunden machen muss 'en masse', dann finde ich es nicht gut."
    "Ich kenne keine Frau als Ausbilderin"
    Das aber, weiß Ricarda Meyer aus Gesprächen mit angehenden Schreinern aus der Berufsschule, komme in etlichen Betrieben vor. Und es sei auch Aufgabe der Ausbilder, dem Einhalt zu gebieten. Dass Frauen wie Ricarda Meyer eine Schreinerlehre absolvieren, ist im Übrigen längst nichts Ungewöhnliches mehr. Allerdings:
    "Ich kenne keine Frau als Ausbilderin. In unserer Klasse hat auch niemand eine Meisterin. Ich glaub', ich fänd das ganz cool. Ich glaub', dass Frauen anders kreativ sind als Männer. Und wenn Frau und Frau zusammenarbeiten, kämen ganz coole Sachen heraus. Also: Die Frauen sollten mal ran und Ausbilder werden, ja."
    Simon Riedle aus Leutkirch im Allgäu absolviert ebenfalls eine Ausbildung zum Schreiner. Den Holzblock vor ihm bearbeitet er wie ein Profi: Er hat's von der Pike auf gelernt. Das sei aber, sagt Simon Riedle, nicht selbstverständlich. In den Augen einiger Ausbilder sei der berufliche Nachwuchs nicht mehr als eine Hilfsarbeitertruppe.
    "Klar, Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Das stimmt schon. Nur wiederum dieses Klischee, dass der Lehrling mehr putzt und mehr sauber macht und kehrt und so – das ist auch wichtig, auf jeden Fall. Aber: Wenn man mehr in die Arbeit einbezogen würde von Anfang an, könnte man eventuell schneller die Dinge lernen beziehungsweise selber die Arbeit ausführen."
    Und diesen Wunsch an die Ausbilder hegen nicht nur die angehenden Schreiner:
    "Mit diesem Gerät messen wir erst einmal die Isolation"
    Ein paar Räume weiter: Die Lehrwerkstatt für angehende Elektriker. Daniel Haller aus dem oberschwäbischen Wilhelmsdorf hört aufmerksam zu. Sein größter Wunsch an seinen Ausbilder:
    "Dass er in der Praxis was machen lässt, dass man mal eine Schaltung selbst ausprobieren kann im Betrieb. Das ist bei vielen das Problem, dass sie erst einmal gar nichts machen dürfen im ersten Jahr. Aber ich hab' das Glück, dass ich einen guten Ausbildungsbetrieb habe und gleich von Anfang sehr viel machen durfte. Das ist sehr wichtig, dass man großes Interesse dran hat und auch Spaß. Dass man gleich in der Praxis mitarbeiten darf."
    Das aber, so Erwin Adamcheck als Leiter des beruflichen Bildungswerkes in Friedrichshafen, sei längst noch nicht in allen Betrieben üblich.
    "Da finden immer mal wieder Auszubildende den Weg in die Prüfung, die während ihrer Ausbildung in ihrem Betrieb doch nur sehr einfache Tätigkeiten gemacht haben, die nur Schlitze geklopft haben. Und wenn die dann in ihrer Abschlussprüfung mit sehr schwierigen Aufgaben konfrontiert werden, dann sind die überfordert. Und das ist halt wirklich schlecht."
    " ... auch als Team etwas zusammen unternehmen"
    Hier seien die Ausbilder gefragt, die Lehrlinge möglichst früh an praxisnahe Aufgaben heranzuführen. Für den angehenden Elektriker Niklas Reinfeld aus Weingarten ist eines ganz wichtig: Der ständige Kontakt mit seinem Ausbilder, bei dem auch mal ein persönliches Wort möglich ist. Reinfeld findet es wichtig, "dass der Ausbilder in der Mittagspause oder nach der Mittagspause eher mal so vorbeischaut und fragt, ob alles läuft, und wenn man Fragen hat, dass man das dann auch durchsprechen kann."
    "Schönen Tag, haben Sie für heute noch ein Zimmer frei?"
    "Ja, wir hätten noch ein Doppelzimmer frei."
    Friedrichshafen, Innenstadt – das Hotel "City Krone" liegt nur ein paar hundert Meter vom Bodenseeufer entfernt. An der Rezeption: Ines Vieben; sie absolviert eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. Denn in diesem Beruf, sagt Iris Vieben, habe sie mit vielen Menschen zu tun, auch aus anderen Ländern und Kulturen. Der Umgang damit müsse einem der Ausbilder allerdings erst einmal beibringen – durch die Vermittlung des notwendigen Quäntchens "Alltags-Psycholgie."
    "Wenn jetzt so eine Situation käme, dass sich jemand über ein Zimmer beschwert, find ich das gut, wenn der Ausbilder das zuerst vormacht, wie man damit umzugehen hat. Oder wenn er merkt, der Auszubildende ist überfordert, dass er dann auch einspringt und hilft und sagt, was man machen kann."
    Und schließlich, wünscht sich Ines Vieben, könne ein Ausbilder auch ein wenig zur Einbindung der Lehrlinge an ihrem Arbeitsort beitragen.
    "Als ich frisch angekommen bin, kannte ich mich hier überhaupt nicht aus, bin dann viel zu Hause gesessen, wusste einfach nicht, wo ich hingehen soll. Natürlich kann man dann auch mal hingehen, mir mal was empfehlen, einfach mal auch als Team etwas zusammen unternehmen."