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Antarktis
Der Antrieb der globalen Meereszirkulationen schwächelt

Mithilfe von See-Elefanten, die mit Sensoren ausgerüstet wurden, haben Forscher Daten aus einer der unzugänglichsten Meeresregion der Erde gesammelt: Die Prydz-Bucht in der Ostantarktis ist im Winter selbst für Eisbrecher unzugänglich. Die Daten zeigen, dass dort ein Transmissionsriemen der globalen Meereszirkulation zu schwächeln beginnt.

Von Dagmar Röhrlich | 31.08.2016
    Ein See-Elefant liegt mit weit geöffnetem Maul am Strand
    See-Elefanten helfen der Wissenschaft in unzugänglichen Gebieten in der Antarktik (imago/Westend61)
    Die Prydz-Bucht liegt in der Ostantarktis. Sie ist eine von nur vier Regionen rund um den Kontinent am Südpol, in der antarktisches Bodenwasser entsteht: Wenn im Winter Meerwasser zu Eis gefriert, bleibt das Salz zurück. Je salziger das Wasser wird, desto dichter ist es - und schließlich sinkt das kalte, dichte Wasser zum Ozeanboden ab. Es zieht dabei einerseits Oberflächenwasser nach, verdrängt das bereits vorhandene Bodenwasser Richtung Äquator und setzt so eine Strömung in Gang.
    "Diese - wenn Sie so wollen - Dichtepumpe ist eine der Triebfedern für das Globale Förderband, eine Tiefseeströmung, die vier der fünf Weltozeane miteinander verbindet. Dass antarktisches Bodenwasser auch in der Prydz-Bucht entsteht, wissen wir seit wenigen Jahren. Wir verdanken die Erkenntnis Biologen, die das Jagdverhalten von See-Elefanten untersuchen. Dazu kleben sie den Tieren kleine Sensoren auf den Kopf, die auf den Tauchgängen den Salzgehalt des Wassers messen, die Tiefe und Temperatur."
    Für Ozeanographen wie ihn seien das grundlegende Informationen, erklärt Guy Williams von der University of Tasmania in Hobart. Zu seiner Freude zieht es die See-Elefanten auf ihren Tauchgängen genau dahin, wo sich dieses tiefe Bodenwasser bildet. Und so halfen die Tiere dabei, die Informationen aus den Satellitenbildern mit Messdaten zu füllen.
    Daten aus 300.000 Tauchgängen
    "Es sind die jungen Männchen, die während der Wintermonate in der Nähe der Antarktis bleiben. Es ist dunkel, sehr kalt und sehr windig mit einer Menge Meereis. Kurz gesagt einer der ungastlichsten Plätze auf der Welt. Warum auch immer - sie bleiben dort."
    Und so haben sie Guy Williams und sein Team mit Daten aus inzwischen 300.000 Tauchgängen versorgt.
    "Wir haben nun drei Jahre Daten aus der Prydz-Bucht, und die zeichnen ein überraschend komplexes Bild von der Entstehung des Antarktischen Bodenwassers. Wir sehen sozusagen einen Kampf. Es gibt in dieser Bucht einige regelrechte 'Eisfabriken' - Polynjas genannt -, in denen viel neues Meereis entsteht, so dass dort der Salzgehalt im Meerwasser ansteigt. Gleichzeitig gibt es Schelfeisgebiete, die abschmelzen und Süßwasser in die Prydz-Bucht einspeisen, so dass der Salzgehalt lokal auch abnimmt."
    Derzeit haben im Widerstreit zwischen Polynjas und "Süßwasserproduzenten" die "Eisfabriken" immer noch die Oberhand. Das Bodenwasser, das die Prydz-Bucht verlässt, trägt etwa 15 Prozent zum antarktischen Bodenwasser bei. Das muss nicht so bleiben:
    Klimawandel beeinflusst Produktion des Bodenwassers
    "Wenn wir den Klimawandel berücksichtigen, wird sich die Eisschmelze künftig wohl beschleunigen und damit auch den Süßwassereintrag vergrößern und das Kräfteverhältnis verschieben. Wir erwarten, dass die Produktion des antarktischen Bodenwassers bereits durch den steigenden Einfluss des Schmelzwassers unter Druck geraten ist - und künftig weiter zurückgehen wird."
    Guy Williams fürchtet, dass die von den See-Elefanten ans Licht gebrachte Entwicklung ganz ähnlich auch in den anderen "Quellen" für antarktisches Bodenwasser abläuft - vor allem in der Ross-See und im Weddell-Meer. Gleichzeitig scheint sich auch im Nordatlantik die Produktion von Tiefenwasser abzuschwächen. Der Mechanismus in der Arktis ist etwas anders, doch Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung vermuten, dass Schmelzwasser aus Grönland von Norden her die Tiefenwasserproduktion bremst. Wird weniger Boden- und Tiefenwasser produziert, schwächt das die globalen Meereszirkulationen - mit weitreichenden Folgen für Klima, Fischerei und marine Ökosysteme.