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Arabische Clans in Berlin-Neukölln
Von falschen und enttäuschten Hoffnungen

Im April haben Sondereinsatzkommandos der Polizei bei Razzien in Berliner Wohnungen acht Männer festgenommen. Sie gehörten zu kurdisch-arabischen Clans, die speziell im Berliner Stadtteil Neukölln für schwere und organisierte Kriminalität bekannt sind. Wer sich auf die Suche nach Gründen dafür macht, stößt auf Geschichten von Entwurzelung und enttäuschten Hoffnungen. Für den deutschen Staat wird es Zeit, aus Fehlern zu lernen.

Von Anja Nehls | 28.06.2016
    Polizisten führen bei einem Einsatz eine Person in Handschellen aus einem Haus in Berlin im Bezirk Neukölln.
    Großrazzia in Berlin-Neukölln: Polizisten gingen im April 2016 gezielt gegen kriminelle Mitglieder aus arabischen Großfamilien vor. (dpa/ picture-alliance/ Gregor Fischer)
    In den Restaurants und Imbissstuben der Neuköllner Sonnenallee sprechen fast alle Menschen arabisch. Über die Theke gehen nicht Boulette und Currywurst, stattdessen Schawarma, Halloumi und Falafel. Die Dichte an Shisha-Bars und Handy-Läden ist in dieser Straße Berlins in etwa gleich hoch, die meisten Geschäften haben arabische Beschriftungen, es gibt Supermärkte mit Spezialitäten aus dem Libanon, aus Syrien oder Palästina. Bassam und Abed lieben die Sonnenallee, in ihren Tüten sind Hummus, Couscous, Kichererbsen und arabische Bohnen. Die beiden sind Flüchtlinge und seit einem halben Jahr in Berlin:
    "Ich komme aus Beirut im Libanon, nachdem die Situation dort so schlimm geworden ist, durch die ISIS im Nordlibanon, das war nicht mehr sicher dort. Deshalb bin ich nach Deutschland gekommen auf der Suche nach Frieden und einer Zukunft, und um ein neues Leben zu beginnen."
    45.000 Flüchtlinge sind zurzeit in Berlin, die meisten davon aus arabischen Ländern wie zum Beispiel Syrien, dem Irak, Libanon. Für viele dieser Flüchtlinge ist die Sonnenallee ein Anlaufpunkt, ein Treffpunkt.
    So war es auch für Yeyha. Aber der ist heute nicht hier. Yeyha sitzt im Gefängnis, schon das zweite Mal. Auch Yeyha kam als Flüchtling aus dem Libanon, schon 1990. Er ist Palästinenser, er wurde in einem libanesischen Flüchtlingslager geboren. Als vier Wochen altes Baby kam er mit seinen Eltern nach Berlin. Jetzt ist er 25. Mit 13 hatte er bereits mehr als 50 Straftaten begangen.
    "In den Gangs von Neukölln ist das so, desto skrupelloser man ist, desto verrückter man ist, desto hemmungsloser man ist, desto weiter steigt man auf. Ich meine Erfolg heißt für viele Menschen Erfolg in der Karriere oder in der Familie oder so. Aber in Neukölln heißt Erfolg, dass so viele Menschen wie möglich deinen Namen kennen."
    Jeder in Neukölln kennt Yeyha. Er ist der Boss von der Sonnenallee. Kopf einer Bande, die einen Juwelier überfallen hat, Jugendliche erpresst und verprügelt hat, Tresore geknackt und Einbrüche verübt hat.
    Auch Yeyhas Eltern flohen damals vor Krieg und Gewalt nach Deutschland, wollten sich hier ein neues Leben aufbauen, für sich und die Kinder. In der Heimat waren sie wohlhabend und erfolgreich. Hier ist der Plan nicht aufgegangen. Die Familie lebt von Hartz IV, drei der fünf Kinder haben bereits Knasterfahrung.
    Knast als Auszeichnung
    Warum es so kam, hat der Berliner Filmemacher und Journalist Christian Stahl versucht, herauszufinden. Er hat Yeyha über zehn Jahre mit der Kamera begleitet, sie wohnten im selben Haus in der Sonnenallee. Stahl ist Yeyha sehr nahe gekommen:
    "Das ist eine Geschichte von einem, der immer der beste sein wollte, der immer ganz die Nummer 1 sein wollte, und der hat es dann eben und der hat es dann eben in dieser Parallelwelt von Neukölln auch geschafft, mit 14 der jüngste Intensivstraftäter Neuköllns zu sein -, "isch gehör zu den Top Ten von Neukölln, hab 'nen eigenen Staatsanwalt" - und drei Jahre Knast sind in der Sonnenalle sowas wie ein summa cum laude, das ist eine Ehre, eine Auszeichnung."
    In der Sonnenallee sind alte Männer unterwegs, die auf Arabisch diskutieren, verschleierte Frauen, Kinder und Jugendliche, meistens in Gruppen. Die Straße wirkt etwas heruntergekommen, aber ab und an halten in zweiter Spur Autos, die für Neukölln eigentlich zu groß und zu teuer sind. Hinter dem Steuer arabisch sprechende Männer, die für solche Autos eigentlich noch zu jung sind. Die meisten Menschen hier leben von Sozialhilfe und Hartz IV - ein paar von krummen Geschäften.
    "Wenn einige Deutsche etwas Schlechtes tun, würde ich niemals sagen, alle Deutschen sind schlecht. Das sind Teile der arabischen Gesellschaft. Aber nicht alle Araber sind gleich, natürlich nicht. Ich bin arabisch und ich bin nicht kriminell."
    Mohamed Awad aus Palästina ist seit zwei Jahren hier, zurecht wehrt er sich gegen Verallgemeinerungen. Aber die arabischstämmigen Familien, die schon lange hier leben, sind überdurchschnittlich häufig auffällig, besonders wenn um schwere und organisierte Kriminalität geht. 18 bis 20 arabische Großfamilien gibt es in Berlin, mit jeweils 50 bis 500 Mitgliedern. Namen wie der Abou Chaker Clan oder die Familie von Mahmud Al-Zein sind bundesweit bekannt. Im Jahr 2014 gab es in Berlin 44 Ermittlungskomplexe im Bereich der organisierten Kriminalität, ein Viertel davon gegen arabischstämmige Gruppierungen, sagt Dirk Jakob vom Landeskriminalamt.
    "Arabischstämmige Straftäter fallen bei uns im Rahmen der schweren und organisierten Kriminalität vornehmlich auf durch Eigentumsdelikte, hier auch besonders herausragende Fälle, allerdings auch Delikte im Bereich von Bankeinbrüchen, das heißt also das Aufbrechen von Schließfächern und das Sprengen und Öffnen von Geldausgabeautomaten. Da gehören auch die Blitzeinbrüche dazu, insbesondere mit hoher Beute im Bereich teurer Unterhaltungselektronik."
    Außerdem geht es um Schutzgelderpressungen, Drogenhandel und Prostitution. Erst im April hat das Spezialeinsatzkommandos im Rahmen einer Großrazzia Schmuck, Bargeld, eine Schusswaffe und einen Porsche sichergestellt und acht Haftbefehle vollstreckt - allesamt gegen Mitglieder einer arabischen Familie aus Berlin. Die neuen Flüchtlinge in Berlin haben damit nichts zu tun, sagt Jacob. Er sieht jedoch eine Gefahr:
    "Allerdings könnte das natürlich mit entsprechender zeitlicher Verzögerung noch eintreten. Wir müssen eben sehen, dass mit den Flüchtlingsströmen gerade eben alleinstehende Männer im Bereich zwischen 18, 25 bis 30 Jahren kommen, und die müssen wir eben so schnell wie möglich integrationspolitisch natürlich hier einbinden, um hier eben nicht - aus Langeweile, aus Gewinnsucht, aus Neid oder Ähnliches - die Neigung zu Straftaten zu fördern."
    Ablesbare Fehler der Vergangenheit
    Denn am Beispiel der ansässigen Familien ließen sich die Fehler ablesen, die vor 20 bis 30 Jahren gemacht wurden, sagt Arnold Mengelkoch, der Neuköllner Integrationsbeauftragte. Mengelkoch ist ein erfahrener und engagierter Mann, der bisher weder die Hoffnung, noch die Distanz verloren hat. Seit Jahren bemüht er sich darum, die arabischen Familien bestmöglich mit Ämtern, Schule, Polizei und Jugendhilfe zu vernetzen. Eine schwierige Aufgabe, denn das Misstrauen gegenüber Behörden ist groß - und das hat eine Geschichte.
    In den 1980er und 90er-Jahren flohen 800.000 Menschen vor dem libanesischen Bürgerkrieg. Nach Berlin kamen besonders viele kurdisch-libanesische Großfamilien, die ursprünglich aus der aus Südosttürkei stammten, sich aber nicht türkisch fühlten und über den Libanon einreisten. Sie waren nie irgendwo heimisch, sagt Arnold Mengelkoch:
    "Und hier ging das jetzt genauso weiter, also auch mit einer großen Portion Misstrauen, was der Staat denn so macht, bis ich dann verstanden habe, dass das eine Historie hat in diesen Familien. Weil es eben schon in den 20er-Jahren und auch noch früher in der Türkei nicht geklappt hat mit der Anpassung, auch da war man auch nicht Teil des Ganzen, war im Libanon schon wieder nicht Teil des Ganzen, und ist in Deutschland am Anfang auch erst einmal nicht Teil des Ganzen. Will aber viel Geld verdienen, will also auch ein Auto haben und Wohnung haben und und und. Und dann haben sie eben nicht in der Integration, sondern geguckt, wo kriegen sie ihr Geld her, und das ging eben im kriminellen schneller als im legalen Bereich."
    Fehlende Arbeitserlaubnis als Kriminalitätsfaktor
    Aus Langeweile und weil sie von arabischen Großfamilien angeworben werden, rutschen viele muslimische Jugendliche in die Kriminalität.
    SEK-Einsatz in Berlin-Neukölln gegen arabische Familienclans. (picture alliance / dpa / Gregor Fischer)
    Weil es eben häufig im legalen Bereich auch gar nicht geht. Neben denen, die nicht legal arbeiten wollen, gibt es die, die nicht dürfen.
    Yeyha und seine Familie sind ein Beispiel. Sein Vater bekam viele Jahre in Deutschland keine Arbeitserlaubnis, ein Blumengeschäft musste er wieder schließen. Yeyha hat bis heute hier nur eine Duldung. Das heißt, seine Abschiebung ist lediglich aufgeschoben. Weil solche Menschen in Deutschland sowieso keine Zukunft haben und Yeyha zudem früh kriminell wurde, durfte er hier als Einser-Schüler kein Abitur machen, keinen Führerschein, als Berliner Meister im Boxen die Stadt nicht mal zu Wettkämpfen verlassen. Was dabei herauskommt, sind Frust und Enttäuschung.
    "Das war der Antrieb, diese Wut, dieser Hass, dieses 'ich schaff das nicht, ich werde nicht akzeptiert in der Gesellschaft, ich kann tun was ich will, ich werde immer in einer Schublade liegen'. Ich werfe Deutschland eins vor, auf der einen Seite verbietet man mir, Berlin zu verlassen, auf der anderen Seite sagt man, du bist hier nicht willkommen, was ist denn das für ein widersprüchlicher Satz."
    Bis heute ist der einzige Ort, wo Yeyha legal arbeiten darf, der Knast. Immer noch haben mehrere tausend Menschen aus Familien, die in den 1990er-Jahren nach Berlin kamen, nur eine Duldung. Auch bei vielen der Neuankömmlinge wird es lange dauern, bis der Aufenthaltsstatus geklärt ist, bis sie arbeiten dürfen. Arnold Mengelkoch hat schon erste Anzeichen, dass einige von ihnen in die Kriminalität abrutschen. Denn die etablierten arabischen Clans nutzen die Situation für ihre Revierkämpfe und den Drogenhandel aus:
    "Die Neuen, die jetzt kommen, mit denen wird experimentierend ausprobiert, die sind dann schon mal zum Haschischhandel unterwegs, sie handeln auch nicht mit den teuren Sachen, mit Kokain oder mit Heroin, sondern erst einmal mit den preiswerten Sachen, und man guckt, wie vertrauensvoll sind sie denn. Weil die eigenen Jungs aus der eigenen Familie sich auch nicht mehr damit die Finger schmutzig machen wollen und hinterher im Knast landen."
    Flüchtlinge aus arabischen Ländern werden dabei zum Teil gezielt angesprochen, hat auch Thomas Spaniel von der Gewerkschaft der Polizei beobachtet:
    "Es gibt Hinweise darüber, dass arabische Großfamilien mit ihren Luxuskarossen vor dem Flüchtlingsheim stehen und Abwerbeversuche machen von groß und kräftig gebauten jungen Männern, für die Drecksarbeit, Drogenverkauf und, und, und, also das ist ja auch die Drecksarbeit.
    In der Notunterkunft am Flughafen Tempelhof spielen ein paar junge Männer Fußball, andere hängen herum. Ab und zu sind sie unterwegs zu Ämtern, mehr ist nicht zu tun. Neben über 1.000 Erwachsenen leben hier auch rund 80 16- bis 18jährige. Davon haben nicht mal zehn einen Schulplatz. Für Angebote, die die Langeweile vertreiben und zudem noch Geld bringen, sind solche Flüchtlinge empfänglich, sagt Maria Kipp von "Tamaja", dem Betreiber der Unterkunft:
    "Natürlich, wenn ich ein Jahr in Deutschland bin, ein Jahr in einer Notunterkunft wohne, ein Jahr Druck verspüre, ein Jahr keine Strukturen habe, die mich da irgendwie integrieren oder auffangen, dann bin ich wahrscheinlich gefährdeter als ein Jugendlicher, der zur Schule geht und Deutsch lernt und Perspektive sieht.
    Wir haben Jugendliche, die 18 sind und hier alleine sind, also die haben nicht mal irgendeinen Halt aus der Verwandtschaft, und bei dieser Gruppe ist die Situation natürlich noch mal schwieriger."
    Dabei wollen die jungen Flüchtlinge eigentlich schnell hier ankommen, dazugehören, anerkannt werden und Erfolg haben.
    "We love learning." - "Ich möchte in die Schule gehen. Keine Schule. Langweilig, ja. Hier ist nicht gut, nicht gut." - "Every time they told me, no place, no place."
    Druck aus der Heimat
    Auf den jungen Männern lastet oft besonderer Druck von den Angehörigen in der Heimat: Sie sind dann die Hoffnungsträger, die dafür sorgen sollen, dass möglichst schnell die ganze Familie nachziehen kann, sagt Maria Kipp:
    "Das ist eine Gruppe, die in den Familien eine hohe Verantwortung trägt, also früh bekomme die zum Beispiel auch große Verantwortung für Geschwisterkinder, ist aber auch eine Gruppe, die hier mit einer großen Hoffnung hergekommen ist. Also es gibt ganz viele, die sich sehr motiviert zeigen, arbeiten zu wollen, was lernen zu wollen, studieren zu wollen, und da irgendwie sehr schnell auch in eine hohe Frustration geraten, und dann aber auch wieder unter dem Druck stehen teilweise, dann doch den Eltern Geld zu schicken, also arbeiten zu gehen. Man läuft also Risiko, dass die sich dann andere Wege suchen, was wir natürlich nicht möchten."
    Illegale Makler
    Es gibt also viele behördliche Instanzen, die mit Sorge auf den Weg und das Schicksal der jüngeren Neuankömmlinge blicken – und auf die Verbindungen, die sich zu den Geschäftspraktiken der alteingesessenen arabischen Clans zeigen.
    So betätigen sich einige dieser Alteingesessenen als illegale Makler, die wohlhabenden Flüchtlingen bis zu 4.000 Euro für die Vermittlung einer Wohnung abknöpfen. Andere treten selber als Vermieter auf. Halbe Mietshäuser befinden sich inzwischen im Besitz behördlich bekannter arabischer Familien, die offenbar seit kurzem sogar Flüchtlingsunterkünfte betreiben. Dass das Geld für die Immobilien aus kriminellen Geschäften stammt, ist selten nachzuweisen. 50 Euro zahlt das Land Berlin pro Tag und Flüchtling an die Nachkommen der Flüchtlinge von damals. Neuköllns Integrationsbeauftragter Arnold Mengelkoch:
    "Mittlerweile gehen schon die ersten Erfolgreichen unter diesen Familien hin, ersteigern Häuser oder kaufen Häuser, kaufen Eigentumswohnungen, also sie sind ja schon auf dem besten Weg in die Legalität."
    Schwierige Ermittlungssituation für die Polizei
    Erst kürzlich ist eine arabische Bande beim Klauen von Möbeln erwischt worden, die für ein selbstbetriebenes Flüchtlingsheim bestimmt waren. Weil normalerweise aus diesen Kreisen niemand eine Aussage macht, sind die Ermittlungen für die Polizei besonders schwer. Arabische Familien bilden nicht selten ein gegenüber der deutschen Gesellschaft abgeschottetes System.
    Abed Chabaan hat damit Erfahrung. Er kam selbst vor über 30 Jahren aus dem Libanon. Im deutsch- arabischen Zentrum in Berlin Neukölln berät er jetzt arabische Familien, wenn es Probleme gibt. Den ganz besonderen Familienzusammenhalt müsse man dabei immer beachten:
    "Wir leben anders. Also dieser Unterschied zwischen Menschen, das ist Fakt, also die stehen miteinander und für einander, also ob das mit Kultur oder Tradition oder Religion, also wenn einer Probleme hat, dann sind die ganze Familie da."
    Natürlich kennt Abed Chabaan auch Yeyha und seine Familie. Den Vater, der immer noch dankbar ist, dass Deutschland die Familie aufgenommen hat und der selber nie auch nur eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, der unglücklich ist über die kriminelle Karriere seiner Söhne, aber immer zu ihnen hält, die Mutter und die Geschwister, die alle einen anderen Aufenthaltsstatus haben. Yeyha ist kein Deutscher:
    "Ich bin Deutscher, natürlich bin ich Deutscher, ich fühle mich so und ich bin so und bin hier großgeworden. Das ist ne Frage als ob man mich fragt, bist du ein Mensch. Für mich ist das schon provokant, die Frage."
    Yeyha gilt als staatenlos, und aufgrund seines Strafregisters will Deutschland auch nicht, dass er einen deutschen Pass bekommt.
    Wunsch nach Anerkennung
    Über die Hälfte der jungen Intensivstraftäter in Neukölln sind arabischstämmig, ihr Anteil an der Bevölkerung beträgt aber nur knapp zehn Prozent. Fast allen gemeinsam ist der Wunsch nach Anerkennung, der Stolz, die Vorstellung, auch in der Schule immer ein bisschen schlechter behandelt zu werden als deutschstämmige, die Idee, dass jemand wertlos ist, dem nicht genügend Respekt entgegengebracht wird, und das Gefühl, hier nicht so richtig dazuzugehören - so beschreibt es Chabaan:
    "Die sind keine dummen Jugendlichen, die sind alle hochintelligent, aber dieser falsche Stolz - oder schauen Sie mal an, was die Muslime machen, wenn die deutschen Fußball spielen, die werden sauer, wenn Deutschland verliert, die haben also irgendwas im Blut, ich bin ein Teil dieses Landes, ich will was für dieses Land machen, ich mag dieses Volk, die sind menschlich, aber die lassen für mich nicht diese Tür offen."
    Mitleid ist fehl am Platz
    Yeyha, der in Neukölln aufgewachsene Intensivtäter, kann einen Rückfall in die Kriminalität nach seiner Haftstrafe nicht garantieren.
    Ein Wärter schließt eine Gefängniszelle auf. (dpa / Arne Dedert)
    Alles also einfach nur Opfer? Nein, Mitleid sei fehl am Platze sagt Christian Stahl, der über Yeyha einen Dokumentarfilm gedreht und ein Buch geschrieben hat. Kriminelle wie Yeyha könne man nicht entschuldigen. Aber Deutschland müsse endlich vernünftige Rahmenbedingungen schaffen, damit sich Karrieren wie die von Yeyha nicht mit den vielen tausend neuen Flüchtlingen und ihren Kindern wiederholen:
    "Du musst nicht kriminell werden, nur weil du Flüchtling bist, so, Punkt. Nicht der Staat ist schuld an Yeyhas Taten, sondern Yeyha. Man muss das nicht tun. Niemand muss verhungern, niemand muss wirklich leiden in Deutschland, es geht allen gut. Auch Flüchtlingen aus den 90er-Jahren. Aber es gibt einen Grund, warum sie Täter geworden sind. Wenn wir verhindern wollen, dass die jüngeren Brüder und die Kinder dieser Intensivstraftäter, dieser Gangster von Neukölln die nächste Generation von Gangstern werden, die noch mal viel schlimmer sein werden, dann haben wir richtig Probleme in Deutschland, da müssen wir verdammt viel ändern. Ganz klar auch sagen stopp, hier sind die Grenzen, du bist in Deutschland, benimm dich, aber auch: Du bist ein Deutscher."
    Mohamed Awad, der Flüchtling aus Palästina, hatte bereits ein Jobangebot, das er ablehnen musste, weil er keine Arbeitserlaubnis hat. Als Journalist für ein arabisches Medium hätte er keinem Deutschen den Job weggenommen. Egal. Dass von den vielen tausend neuen Flüchtlingen jetzt immerhin zum Beispiel die Syrer relativ schnell anerkannt werden und dann in Deutschland arbeiten dürfen, findet er gut:
    "Für mich ist das der erste Schritt in die Integration, die Menschen arbeiten zu lassen, das ist der erste Schritt, weil wenn ich arbeiten darf und nicht deutsch spreche, werde ich zusehen, das möglichst schnell zu lernen, weil ich das zum Arbeiten brauche."
    Bisher keine wirksamen Konsequenzen
    Die Große Koalition hat jüngst das "Integrationspaket" beschlossen. Bisher scheint es jedoch in Berlin keine wirksamen Konzepte für eine schnelle Integration zu geben. Die Verfahren bis zur Anerkennung oder Abschiebung dauern lange, es gibt zu wenig Plätze in Sprach- oder Integrationskursen, zu wenig Wohnungen, zu wenig Schulen, zu wenig Arbeit, zu wenig Qualifizierungen – für die Betroffenen zu viel Frust und zu wenig Hoffnung.
    Yeyha, der in Neukölln aufgewachsene Intensivtäter, kommt voraussichtlich 2018 frei.
    Im Knast hat er eine Lehre als Koch gemacht, auch dabei wollte er der Beste sein, wie immer. Er hat bereits ein Jobangebot von einem Restaurant. Er wird es nicht annehmen dürfen.
    Man wird ihn nicht abschieben können. Der Libanon nimmt ihn nicht zurück. Er war bereits kriminell, er wird deshalb kein Deutscher werden können und weiterhin nicht arbeiten dürfen. Und dann?
    "Und ich weiß, dass ich nicht garantieren kann, dass ich nie wieder kriminell werde, wenn ich in die gleiche Scheiße geschmissen werde, wie vorher. Man steckt dich in die Scheiße und sagt, wage nicht zu stinken."