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Asiatische Medizin
Mit Akupunktur gegen Parkinson

Mit Akupunktur lassen sich viele Schmerzen lindern oder Krankheiten heilen. Nun gibt es auch Hoffnung für Parkinson-Patienten. Eine deutsche Ärztin nutzt die sogenannte Yamamoto-Akupunktur am Kopf, um bestimmte Symptome der tückischen Krankheit zu behandeln.

Von Andrea Ring | 15.08.2017
    Ein Stich mit der Nadel an der richtigen Körperstelle lässt die Energie fließen und lindert so Schmerzen oder heilt Krankheiten.
    Ein Stich mit der Nadel an der richtigen Körperstelle lässt die Energie fließen und lindert so Schmerzen oder heilt Krankheiten. (dpa/ picture alliance/ Jens Kalaene)
    Die Lehre ist so simpel wie genial: Ein Stich mit der Nadel an der richtigen Körperstelle lässt die Energie fließen und lindert so Schmerzen oder heilt Krankheiten. Die japanische Schädelakupunktur nach Yamamoto funktioniert etwas anders als die Akupunktur in der traditionellen chinesischen Medizin, erklärt Dorothea Zeise-Süss. Sie arbeitet nicht am ganzen Körper. Bestimmte Punkte am Kopf werden angepiekt:
    "Gewebeverquellungen, die man mit dem Finger tasten kann, und nur in diese Verquellungen, wenn die bei diesem Patienten zu diesem Zeitpunkt tastbar sind, wird die Nadel ganz wenig nur einen Millimeter eingestochen. Es sind kleine Knubbel, die man tasten kann."
    Hilfe beim Abstillen
    Vor zehn Jahren hat die deutsche Ärztin dabei eine neue Stelle entdeckt, die seither ihren Namen trägt. Beim Zeise-Süss oder kurz ZS-Punkt ging es zunächst gar nicht um Parkinson, sondern darum, Hormonstörungen bei Frauen nach der Schwangerschaft zu behandeln. Die Frage war, ob Akupunktur an diesem Punkt beim Abstillen helfen könnte:
    "Dann haben wir den gestochen und dann hat die Milch sofort aufgehört zu fließen."
    In einer Studie konnte Zeise-Süss nachweisen, dass die Methode hilft, das weibliche Hormon Prolactin zu senken. Hier kam Parkinson ins Spiel: Denn das bedeutete, dass die Akupunktur des ZS-Punkts die gleiche Wirkung hat, wie das Medikament Bromocriptin. Ein Mittel, das die Schulmedizin ebenso gegen Hormonstörungen wie bei der Parkinsonschen Krankheit einsetzt.
    "Und so kam ich dann zu der Idee, man könne diesen Punkt benutzen, um Parkinson-Patienten zu akupunktieren."
    Mit Erfolg. Ein Symptom bei Parkinson ist das Einfrieren der Bewegung, das sogenannte Freezing.
    "Man steht da und man kann sich plötzlich immer weniger bewegen und wenn wir diese Nadel stechen, dann kann der wieder laufen, der Patient, in den meisten Fällen."
    Dorothea Zeise-Süss berichtet von einer schon lang erkrankten Patientin Mitte 70:
    "Die diese Fluktuationen hat, das sind unwillkürliche Bewegungen, die kann überhaupt nicht still sitzen, und diese eine Nadel an dem einen Punkt bringt die dazu, dass sie wieder still sitzen kann."
    In einer neue Studie, jetzt gezielt zum Morbus Parkinson, hat Zeise-Süss zwei Gruppen von je 30 Patienten 12 Wochen lang einmal konventionell behandelt und einmal in der asiatischen Tradition:
    "Entweder Bromocriptin und zwar eine halbe Tablette am Abend oder Akupunktur."
    Im Ergebnis ging es den Patienten nach der Akupunktur deutlich besser und der Prolactinspiegel sank sogar etwas weiter als bei medikamentöser Behandlung, berichtet die Ärztin. Ein Hinweis darauf, dass diese Therapie den Gegenspieler des Hormons Prolactin anregt: Die Nadel im ZS-Punkt erhöht offenbar das körpereigene Hormon Dopamin, an dem es bei Parkinson mangelt.
    Maximilian Mehdorn, langjähriger Direktor an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, behandelt Parkinson invasiv, etwa durch die sogenannte Tiefe Hirnstimulation. Die Studie von Dorothea Zeise-Süss fand er jedoch sehr gut. Er meint:
    "Dass man durchaus mit speziellen Akupunktur-Verfahren Parkinsonpatienten behandeln kann - und das ist sehr wichtig, - dass man diese Verfahren auch weiter evaluiert, also weiter untersucht. Aber im Prinzip müsste man schon einiges an Medikamenten einsparen können, auf jeden Fall weiter so."
    Kaum Nebenwirkungen
    Was auch insofern sinnvoll ist, als die Schädelakupunktur nach Yamamoto keine unangenehmen Begleiterscheinungen hat, so Zeise-Süss:
    "Und das Bromocriptin hat halt Nebenwirkungen wie Kreislaufprobleme, Übelkeit und Schwindel und die Akupunktur hat diese Nebenwirkungen nicht."
    In der traditionellen chinesischen Medizin, erzählt Gastgeberin Angelika Messner von Chinazentrum der Uni Kiel ist das Mittel der Wahl:
    "Bei Parkinson auf jeden Fall Kräutermischungen, Akupunktur ist mehr japanisch."
    "Wir sehen, dass im Verlaufe dieses demografischen Wandels, der in China ja viel radikaler ist, bestimmte Krankheiten zunehmen, das sind Parkinson und Demenz."
    Umso wichtiger findet sie den Dialog zwischen westlichen und asiatischen Medizinen, wie er auf der Konferenz stattfand.