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Astrophysik
Geo600 – Technologieschmiede für Gravitationswellenjäger

Von Frank Grotelüschen | 14.02.2016
    Blick auf das Labor von GEO 600.
    Blick auf das Labor von GEO 600. (Deutschlandradio.de - Frank Grotelüschen)
    Ruthe, ein Dörfchen gut 20 Kilometer südlich von Hannover. Etwas abseits stehen schmucklose Container inmitten von Äckern und Obstbaum-Plantagen. Nichts lässt vermuten, dass hier ein millionenteures Experiment steht – Geo600, ein Versuchsdetektor für Gravitationswellen. Christoph-Affeldt vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik:
    "Sozusagen der kleine Bruder von LIGO. Aber auch gleichzeitig der Entwickler vieler Technologien, die LIGO so empfindlich und erfolgreich gemacht haben."
    Christoph Affeldt steht in einem der Container. Er zeigt auf ein Metallgestell groß wie ein Kühlschrank. Darin hängt ein Spiegel an einer Art Mobile, einer Konstruktion aus mehreren Pendeln.
    "Man möchte kleinste Längenänderungen messen, mikroskopisch kleine. Und ein Pendel gibt eine Isolation gegenüber seismischen Störungen, gegenüber äußeren Einflüssen. Straßenverkehr. Ein Zug, der vorbeifährt."
    Züge und Autos lassen den Boden vibrieren und stören die Experimente. Die Spiegelaufhängung kann die Vibrationen weitgehend dämpfen.
    "Diese Spiegel sind die Endpunkte unserer Messstrecke."
    Sagt Affeldts Kollege Hartmut Grote. Läuft eine Gravitationswelle durch Raum und Zeit, so verändert sie dort die Abstände. Das ist das Prinzip der Laserlineale. In zwei Vakuumröhren flitzt Laserlicht hin und her. Sie sind senkrecht zueinander angelegt und je 600 Meter lang – deshalb Geo600. Hartmut Grote:
    "Wenn eine Gravitationswelle durch die Messstrecke läuft, wird im Takt der Welle diese Strecke ein ganz kleines bisschen kürzer und wieder länger. Diese Längenänderung messen wir mit Laserlicht, dass zwischen diesen Spiegeln hin und her geschickt wird."
    Pendeltechnik nun auch bei LIGO in den USA eingesetzt
    Die Erschütterungen aus der Umgebung sollen abgefangen werden, damit die Verzerrung der Raumzeit deutlich zutage tritt. Grote zeigt auf das Modell im Stahlgestell. Jetzt erkennt man die Details.
    "Der eigentliche Spiegel hängt an einem Pendel, was wiederum an einem Pendel hängt, was wiederum an einem Pendel hängt. Wir haben hier drei Pendelstufen hintereinander. Man kann sagen: Wenn hier ein Elefant vorbeiläuft, würde der Spiegel das nicht merken."
    Vorher gab's dort nur eine Pendelstufe, jetzt sind es vier. Der Erfolg: durchschlagend. Hartmut Grote:
    "So eine Pendelaufhängung mit vier Stufen kann einen Faktor von 10 Millionen filtern an Bodenbewegungen. Das hat den großen Fortschritt gebracht bei den Advanced-LIGO- Detektoren, die jetzt viel empfindlicher geworden sind."Jetzt gehen Grote und Affeldt zu einem anderen Container, dem größten von allen."Wir gehen jetzt in das Herzstück der Anlage Geo600", so Grote. "Wir müssen uns jetzt hier Überschuhe anziehen. Wir halten alles besonders sauber, damit unsere schönen Spiegel nicht schmutzig werden."
    Spiegelaufhängung im Labor von GEO 600.
    Spiegelaufhängung im Labor von GEO 600. (Deutschlandradio.de - Frank Grotelüschen)
    Dann rüsten sich die beiden mit Brillen aus. Spezialmodelle, klobig und schwer.
    "Die Brillen sehen noch ganz hervorragend aus", betont Hartmut Grote. Christoph-Affeldt erklärt: "Das ist eine Sicherheitsmaßnahme gegen die Laserstrahlung. Diese Brillen schützen uns sehr effizient."
    Noch eine Tür, und wir stehen im Labor. Mannshohe Stahltonnen und jede Menge Spezialoptik. Grote zeigt auf eine schwarze Box, groß wie ein Kleiderschrank. Drin steckt eine weitere Schlüsselkomponente – der Laser. Er funktioniert so gut, dass die Physiker weitere Exemplare gebaut haben. Einsatzort: LIGO in den USA.
    "Der hat eine Ausgangsleistung von 200 Watt. Das ist Weltspitze. Wenn wir eine größere Laserleistung haben, können wir genauer messen", so Grote.
    Technologisch zur Entdeckung der ersten Gravitationswelle beigetragen
    Bessere Laser, bessere Spiegel: Die Fachleute aus Hannover haben zentrale Komponenten zu LIGO beigesteuert – und damit einigen Anteil an der Entdeckung der ersten Gravitationswelle. Das sagt auch Christoph Affeldt: "Das kann man tatsächlich so sagen. Es war klar, dass die großen Instrumente mit diesen Technologien noch empfindlicher werden können, sodass eine Detektion überhaupt erst möglich wird."
    Und? Haben die Tüftler noch etwas im Köcher, für die Zukunft?
    "Wir haben noch das sogenannte gequetschte Vakuum", erklärt Grote.
    Laut Quantenphysik herrscht selbst im Vakuum ein stetiges Rauschen. Das mindert die Empfindlichkeit der Detektoren. Spezielles Laserlicht kann es minimieren, das haben die Geo600-Forscher schon demonstriert. Bald soll der Trick auch in die USA exportiert werden. "Diese Technik gibt es jetzt bei Advanced LIGO noch nicht, ist aber für 2017 dort zum Einbau geplant", so Grote.
    Die Hoffnung: eine Verdopplung der Messempfindlichkeit – und damit noch viel mehr Gravitationswellen-Signale aus dem All.