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Asylbewerber
Schüler geben Deutschunterricht

Im unterfränkischen Hammbelburg werden Realschüler zu Lehrern. Denn hier geben sie in ihrer Freizeit Deutschunterricht für Asylbewerber. Ganz praktisch und lebensnah, damit die Neuankömmlinge in Deutschland sich im Alltag zurechtfinden.

Von Wolfram Hanke | 03.06.2014
    Asylbewerber und ihre Lehrer - Realschüler aus Hammelburg
    Asylbewerber und ihre Lehrer - Realschüler aus Hammelburg (Wolfram Hanke)
    Den ersten Impuls für das Projekt hat die Englisch- und Religionslehrerin Maria Albrecht-Martin gegeben. Sie hat zwei Äthiopier in den Unterricht eingeladen, die in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber wohnen, mit den Schülern englische Konversation zu üben. Und als einer der Äthiopier die Schüler eingeladen hat, in den Ferien Deutschlehrer für Asylbewerber zu werden, war die Idee geboren.
    "Und eine Schülerin, die letztes Jahr in der neunten Klasse war, hat das sehr ernst genommen und hat daraus wirklich eine Initiative gegründet. Sie hat zehn Mitschülerinnen um sich geschart, die dann in den Ferien zunächst zweimal in der Woche ins Asylbewerberheim hochgegangen sind und dann nachmittags jeweils eineinhalb Stunden Deutschunterricht gegeben haben."
    Inzwischen sind die Schülerinnen in der 10. Klasse und machen dieses Jahr ihren Abschluss. Trotzdem geht der Unterricht für die Asylbewerber auch außerhalb der Ferienzeiten ein- bis zweimal die Woche weiter. Die 17-jährige Cassidy Campbell ist regelmäßig dabei.
    "Wir sind meistens zu fünft als Lehrer, die Anzahl der Schüler ist immer unterschiedlich. Manchmal hat jeder einen Schüler zugewiesen und erklärt ihm, was er nicht versteht. Und manchmal hat man auch drei auf einmal und muss denen dann bei den Aufgaben helfen, die sie gerade machen. Das ist eher Kleingruppenarbeit.
    Es gibt zum Beispiel gezielte Nachhilfe für Asylbewerber, die bereits in anderen Deutschkursen sind.
    Ali mit seiner Deutschlehrerin, die selbst noch Schülerin in Hammelburg ist.
    Ali mit seiner Deutschlehrerin, die selbst noch Schülerin in Hammelburg ist. (Wolfram Hanke)
    Doreen: "Hast Du das verstanden?"
    Ali: "Nicht genau. Was heißt denn Chaos?"
    Doreen: "Du hast Dein Zimmer."
    Die Realschüler geben auch konkrete Unterstützung in Alltagssituationen. Beim Einkaufen, in der Bücherei, beim Arzt oder wenn eine Behörde einen unverständlichen Brief geschrieben hat. Die Unterrichtsinhalte bestimmen die Asylbewerber, sagt die 17-jährige Doreen Petersen.
    "Viele haben da ihre eigenen Hefte und wenn sie was nicht verstehen erklären wir das einfach und machen das dann im Unterricht. Und auch wenn sie Fragen haben, wiederholen wir das einfach. Aber wir geben keine Hausaufgaben auf oder sagen: Bis zum nächsten Mal musst Du das können! Also wenn denen irgendwas keinen Spaß mehr macht, dann können es auch einfach abbrechen und wir fangen etwas Neues an. Also die kriegen nichts auf oder müssen von uns aus etwas lernen, das ist alles freiwillig."
    Und die Fortschritte sind erstaunlich, sagen die Nachwuchslehrerinnen. Seit August haben die Asylbewerber einen Riesenschritt gemacht, sprechen und verstehen viel besser. Und sie können durch den ehrenamtlichen Unterricht Kontakte knüpfen, bestätigen der 17-jährige Ali aus Afghanistan und der 23-jährige Viktor aus der Ukraine.
    Ali:"Das hilft mir sehr viel, weil ich ein Schüler bin. Ich gehe in die Mittelschule Hammelburg, neunte Klasse M-Zug. Und manchmal, wenn ich etwas nicht verstehe, dann komme ich mit meiner Hausaufgabe hierher. Und dann können sie mit die Begriffe erklären."
    Viktor: "Hier kann ich neue Kontakte finden, mich mit Leuten unterhalten und neue Freunde finden."
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Viktor mit seiner Deutschlehrerin, die selbst noch Schülerin in Hammelburg ist. (Wolfram Hanke)
    Inzwischen geben auch Schüler aus der siebten, achten und neunten Jahrgangsstufe Deutschunterricht, damit das Projekt weitergeht, wenn die Zehntklässer ihren Abschluss gemacht haben. Und ganz nebenbei lernen auch die Realschüler in diesem Projekt eine ganze Menge, sagt die professionelle Pädagogin Maria Albrecht-Martin.
    "Ich glaube, dass sie ganz hautnah erfahren, dass sie ein Stück echte soziale Verantwortung in unserer Gesellschaft übernehmen können. Dass sie einen Beitrag leisten können, dass andere Menschen in unsere Gesellschaft integriert werden. Sie sind sehr wichtig geworden für die Asylbewerber. Wir sagen immer: Ihr seid für die Asyl