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Atomwaffenschmuggel
Schnüffler für Plutonium

Um zu verhindern, dass Atomwaffen durch Schmuggel in die Hände von Terroristen geraten könnten, werden Container im Hafen mit Spezialdetektoren inspiziert. Das Problem dabei: Derzeit herrscht ein eklatanter Mangel an solchen Detektoren, weshalb ein Forscherteam aus Texas nun eine alternative Nachweismethode entwickelt hat.

Von Frank Grotelüschen | 30.09.2016
    Container im Hafen von Long Beach in Kalifornien warten auf ihre Abfertigung
    Container im Hafen von Long Beach in Kalifornien warten auf ihre Abfertigung (AFP/dpa picture alliance/Hector Mata)
    "Nach den Anschlägen vom 11. September beschlossen die USA, in ihren Häfen Detektoren aufzustellen, die in den ankommenden Containern nach Atomwaffen fahnden. Mittlerweile sind recht viele dieser Detektoren installiert. Und deshalb haben wir nun einen Mangel an Helium-3."
    Helium-3, sagt Hongxing Jiang von der Texas Tech University, ist eine spezielle Sorte von Helium: Der Atomkern besteht nicht aus vier Kernteilchen wie bei gewöhnlichem Helium, sondern nur aus drei. Helium-3 reagiert ziemlich effektiv mit jenen Neutronen, die von waffenfähigem Uran oder Plutonium abgestrahlt werden. Dadurch kann ein Helium-3-Zählrohr das gefährliche Nuklearmaterial sicher aufspüren - und zwar selbst durch die Wände eines Schiffscontainers. Doch das exotische Gas hat einen Nachteil, sagt Jiangs Kollegin Jingyu Lin:
    "Helium-3 kommt in der Natur praktisch nicht vor. Es fällt vor allem als Abfallprodukt bei der Herstellung von Atomwaffen an. Doch da immer weniger Atomwaffen produziert werden, gibt es auch immer weniger Helium-3."
    Die Folge: ein eklatanter Mangel an Helium-3 - wodurch die USA längst nicht so viele Zählrohre in ihren Häfen aufstellen können wie geplant. Doch das Forscherteam aus Texas hat nun ein Material entwickelt, das die verräterischen Neutronen ähnlich gut aufspüren soll wie Helium. Es basiert auf Bornitrid, einer Verbindung aus Bor und Stickstoff:
    "Bor zeigt eine besondere Eigenschaft, zumindest das Isotop Bor-10: Es reagiert ausgesprochen gut mit Neutronen."
    Kristallschichten mit der Dicke von 43 Mikrometern züchtbar
    Mit Hilfe raffinierter Verfahren haben es die Forscher nun geschafft, Bornitrid in eine spezielle Kristallform zu zwingen. Dadurch wird es zu einem Halbleiter. Und der kann die Kernreaktionen zwischen Bor und Neutronen direkt in elektrische Signale übersetzen. Im Labor bringt es das neue Material bereits auf respektable Werte, meint Jingyu Lin:
    "Die Effizienz hängt von der Dicke der Bornitrid-Kristalle ab. Bislang können wir Kristallschichten mit der Dicke von 43 Mikrometern züchten. Damit schaffen wir eine Nachweisrate von über 50 Prozent, fangen also jedes zweite Neutron ein. Das ließe sich sogar noch steigern, wenn es uns gelänge, noch dickere Schichten herzustellen."
    Kleine, portable Neutronenzähler könnte man schon bald mit der neuen Technik ausstatten, glauben die Wissenschaftler. Doch um komplette Schiffscontainer abzuscannen, bräuchte es größere Exemplare - wofür die Forscher wohl noch drei Jahren Arbeit investieren müssen. Und dann dürften die Bornitrid-Kristalle nicht nur als Atomwaffen-Schnüffler taugen, sondern auch für andere Anwendungen gut sein, meint Hongxing Jiang.
    "Das Material wäre auch für Detektoren in der Nuklearmedizin und in der Teilchenphysik geeignet. Und im Prinzip könnte man daraus auch eine neue Generation von UV-Lampen bauen oder Elektronikbauteile, die außergewöhnlich hitzebeständig sind."