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Auf Wiedersehen, Kanzler!

Die Ludwig-Maximilians-Universität in München wird künftig keinen Kanzler mehr haben. Statt eines Beamten als Verwaltungschef soll ein neuer Vizepräsident diesen Job übernehmen. Für den vakanten Posten will die Hochschule Experten aus der Wirtschaft gewinnen, um ihre Finanzgeschäfte besser führen zu können.

Von Birgit Fenzel | 20.05.2009
    Tausche Kanzler gegen Vizepräsident - anstelle eines verbeamteten und damit unkündbaren Verwaltungschefs wird künftig an der Ludwig-Maximilians-Universität in München ein neuer Vizepräsident die klassischen Kanzleramtsgeschäfte führen. Das klingt nach einem öden Verwaltungsakt, hat aber weitreichende Folgen.

    "Das ist ein Wahlamt und man muss sich der Wiederwahl stellen durch den Hochschulrat und insoweit auch dokumentieren, was man in der Vergangenheit geleistet hat und umgekehrt, was man für Pläne für die Zukunft hat und insoweit ist es keine Lebenszeitposition."

    Mit dieser Rochade will LMU-Präsident Bernd Huber das Management der größten bayerischen Hochschule straffen. Professionalisierung und Modernisierung sind für ihn dabei die zentralen Stichworte.
    "Was damit erreicht werden soll, und das ist der wichtige Punkt, ist, dass die Universitäten, die ja heute ganz anders aussehen als noch vor 20 Jahren oder vor 15 Jahren, nämlich in vieler Hinsicht Autonomie gewonnen haben - wir sind heute zum Beispiel komplett zuständig für die gesamten Berufungen und müssen jährlich 70 Berufungsverfahren abwickeln - - dass wir diesen Aufgaben noch besser und professioneller nachkommen können, als das in der Vergangenheit der Fall war."

    Nun geht es nicht nur um die strategisch wichtigen Berufungen, sondern auch um neue Aufgaben wie die Positionierung im internationalen Wettbewerb oder die Exzellenzinitiative. Nachdem der letzte LMU-Kanzler aus dem Amt geschieden war, machte Huber unverzüglich Nägel mit Köpfen und beantragte nicht nur die Abschaffung des Kanzleramtes an seiner Universität, sondern reformierte gleich die ganze Leitungsebene: Künftig wird es fünf Vizepräsidenten an der LMU geben, von denen jeder einen klar umrissenen Aufgabenbereich zu verantworten hat: Studium, Forschung, Berufungen, Planung - und eben Verwaltung und Finanzen.

    Und das hätte einen wichtigen Nebeneffekt: Durch den Abschied vom staatlichen Haushaltsbeamten verschiebt sich auch das Machtgefüge an der Hochschule.

    Schließlich waren die Kanzler seit jeher nicht nur für Personal- und allgemeine Verwaltungsfragen zuständig, sondern auch für die Finanzen. Das sorgte in der Vergangenheit gern mal für Gesprächsstoff zwischen jenen, die sparen wollten und den anderen, die dringend etwas für ihren Fachbereich brauchten.

    "Es gab immer natürlich eine Diskussion darüber, ist der Kanzler eher Vertreter des Staates oder der universitären Interessen. Ich glaube in dem neuen Modell geht es darum, deutlich zu machen, dass der neue Vizepräsident der Hochschule gegenüber verantwortlich ist, aber natürlich auch die Verpflichtung, die uns der Staat auferlegt natürlich ebenfalls erfüllen muss."

    Diese Machtverschiebung bereitet den obersten Dienstherren in den zuständigen Ministerien keine Sorgen. Im Gegenteil. Sie findet volle Unterstützung. Als der LMU-Präsident seine Pläne auf den Tisch legte, brauchten Finanz- und Wissenschaftsministerium gerade einmal zwei Wochen, um der Reform zuzustimmen. Die Abschaffung des Kanzlers sei ein konsequenter Schritt in die richtige Richtung, sagt der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch:

    "Die Bedeutung liegt vor allem darin, dass die Hochschulen in Zukunft mehr selbst in der Hand haben wie sie ihre finanzielle Ausstattung gestalten, indem sie ihr Wissen über Finanzierungen hier mit einbringen können."

    Das setzt natürlich voraus, dass der fünfte Vizepräsident eben dieses Wissen mitbringt. Der Wissenschaftsminister hat schon eine Zielgruppe im Auge, die sich für den vakanten Posten an der LMU interessieren könnte.

    Heubisch: "Die werden aus dem Gefühl her werden sie aus der Finanzierungsumgebung der Firmen kommen, also Leute, die mit Finanzen zu tun haben, mit Finanzierungsmodellen umgehen können."

    Und solche Finanzexperten aus der Wirtschaft seien weder mit einem Beamtenposten auf Lebenszeit zu ködern, noch mit Fristverträgen abzuschrecken, meint Heubisch:

    "Also das Modell gibt es in der Wirtschaft. Fünf-Jahresverträge sind dort üblich und genau dieses Modell wollen wir an der Universität umsetzen. Man weiß also, worauf man sich einlässt; es gibt klare Vertragsbedingungen. Ich würde das nicht als Schleudersitz betrachten, ich würde das als Chance betrachten und das ist ja für einen Manager mit hohen Ansprüchen doch eine große Herausforderung, die viele wollen."

    Jetzt muss die Stelle nur noch ausgeschrieben werden. Wenn alles glatt läuft, kann die LMU ihren fünften Vize zum Jahresende einstellen. Und dann wird sich zeigen, ob sich das Münchner Modell auch als Blaupause für die anderen bayerischen Unis eignet. Denn dem Vernehmen nach gibt es viele darunter, die auch zu gern den Kanzler absägen würden. Heubisch:

    "Wir haben ja regelmäßigen Kontakt mit allen Hochschulen und natürlich wird da interessiert nachgefragt, ob da eine Möglichkeit besteht, dass man da unter Umständen auch in die Richtung denken kann - ich unterstütze sie dabei, sage aber: Jetzt lassen sie uns bitte zuerst einmal dieses Modellprojekt fahren und sie wissen, dass ich dann, wenn das positiv ist - dem sehr aufgeschlossen gegenüberstehe."

    Damit haben die jetzt noch fünf Jahre Zeit, die Sägeblätter zu wetzen. Denn das Münchner Modellprojekt läuft so lange wie die erste Amtszeit des fünften Vizepräsidenten.