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"Ausschreibungsverfahren sind eine mehrmonatige Prozedur"

Der Präsident des Städtetages, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, hat angesichts der Konjunkturkrise zusätzliche Investitionen in Städte und Gemeinden verlangt. Fast alle Gemeinden hätten fertige Projektpläne in der Schublade, zur Umsetzung fehle ihnen bislang nur das Geld. Außerdem forderte Ude, die strikten Vergaberegeln für Aufträge zu vereinfachen, um die Investitionen zu beschleunigen.

Christian Ude im Gespräch mit Silvia Engels | 08.12.2008
    Silvia Engels: Am Freitag brachte der Bundesrat das so genannte Konjunkturpaket der Bundesregierung auf den Weg. Die darin vorgesehenen Investitionen und Steuererleichterungen umfassen eigentlich nur wenige Milliarden Euro; sie sollen aber als Anschub wirken, um Konjunkturimpulse von mehr als 30 Milliarden Euro in Kraft zu setzen. Anfang November hatte Bundeskanzlerin Merkel das Programm unter anderem dem DGB-Vorsitzenden Michael Sommer vorgestellt und er erinnerte sich im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks so:

    Michael Sommer: Wir haben damals schon darauf hingewiesen, dass uns das Volumen zu gering ist. Ich habe damals auch der Bundeskanzlerin gesagt, wirklich investiv wirksam werden 5 Milliarden im Jahre 2009, wir hätten damals mindestens das Dreifache angesetzt, also 15 Milliarden verlangt. Andererseits habe ich auch gesagt, ich sehe durchaus einen Paradigmenwechsel in der offiziellen Politik, denn bislang waren ja Konjunkturprogramme des Teufels. Und niemand weiß wirklich seriös: sind wir am Anfang, in der Mitte, oder am Ende der Krise. Ich befürchte, dass wir gerade am Anfang sind, auch nach dem, was ich aus der Wirtschaft höre.

    Engels: Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer im Deutschlandfunk. - Heute treffen sich die SPD-Minister Steinbrück, Steinmeier und Tiefensee mit Spitzenvertretern der Kommunalverbände, um Wege auszuloten, staatliche Investitionen, die ja nun angeschoben sind, auch schnell umzusetzen und so die Konjunktur zu stützen, denn 70 Prozent der gesamten öffentlichen Investitionen setzen letztlich die Kommunen ein. Mit dabei sein in der Runde wird Christian Ude, Oberbürgermeister von München und Präsident des Deutschen Städtetages. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Ude.

    Christian Ude: Guten Morgen.

    Engels: Hat denn nun Herr Sommer Recht? Reicht das alles vom Volumen her nicht?

    Ude: Ich glaube, dass diese Diskussion ein wenig oberflächlich ist. Man kann natürlich immer noch mehr fordern und sollte auf der anderen Seite doch bedenken, dass jede Ausweitung des Volumens dann auch wieder von den Bürgerinnen und Bürgern bezahlt werden muss. Es gibt ja hier keinen wohltätigen Weihnachtsmann, der das Geld vom Himmel bringen kann. Deswegen bin ich etwas zurückhaltender mit der Forderung nach immer mehr und mehr Geld. Uns geht es vor allem um die Konditionen, dass wirklich bei den Kommunen eine Investitionstätigkeit ausgelöst wird, und da muss ich eben darauf hinweisen, dass viele Kommunen in einer so großen Finanzkrise sind, dass sie keine Komplementärmittel aufbringen können. Denen reichen also keine Zuschüsse, wenn sie selber einen bestimmten Prozentsatz zusammenkratzen sollen, dazu aber nicht in der Lage sind, weil sie sowieso schon unter Kuratel der Rechtsaufsicht stehen, unter Haushaltskonsolidierung. Das ist für uns das zentrale Problem heute Nachmittag.

    Engels: Herr Ude, dann dröseln wir das einmal auf. Komplementär heißt, die Gelder, die jetzt den Kommunen zur Verfügung gestellt werden könnten, die müssten die Kommunen selber durch eigene Mittel ergänzen und dazu fehlt vielen das Geld. Aber schauen wir erst einmal auf das Konjunkturpaket. Ziehen denn daraus die Städte überhaupt irgendetwas an Geldern, wie viel ist das, und wie schnell könnte es wirken?

    Ude: Bei den Städten könnte es in der Tat relativ schnell wirken, denn wir haben alle Pläne in der Schublade für Investitionen, die nur noch nicht finanziert werden können. Ich kenne kaum eine Stadt - das gilt jetzt sogar für die bessergestellten Städte -, die nicht bereits Investitionen beschlossen hat, die aber aus finanziellen Gründen noch nicht aufgegriffen werden können. Da ist, glaube ich, eine sehr schnelle Wirkung möglich. Wenn zum Beispiel für eine Reihe von Jahren auf Zins und Tilgung verzichtet wird, dann könnten auch Städte in Finanznot Mittel in Anspruch nehmen. Das ist der Weg, der wohl ausgelotet werden soll.

    Engels: Sie sagen, die Milliarden könnten schnell wirken. Auf der anderen Seite ist doch immer wieder zu hören von langen und komplizierten Ausschreibungsregeln. Könnten sie die vermeiden?

    Ude: Da ist die Frage, ob für bestimmte Volumen befreit wird, denn das ist richtig: Ausschreibungsverfahren sind eine mehrmonatige Prozedur, vor allem, wenn man europaweit ausschreiben muss. Das verzögert natürlich den realen Geldfluss schon. Wenn man uns Freibeträge großzügiger bemessen würde, dann könnte man etwa bei der energetischen Sanierung, wo sich ja das Volumen aufteilen lässt auf viele Einzelprojekte, schneller zu Potte kommen. Das ist auch ein Punkt, der aus kommunaler Sicht sehr bedeutsam ist.

    Engels: In welche Bereiche fließen jetzt die Investitionen, die schon auf den Weg gebracht worden sind?

    Ude: Natürlich ist der Ausbau der Kinderbetreuung ein ganz großer Anteil am Investitionsvorhaben der Städte, dann Schulsanierung und Schulbau oder Ausweitung der Schulgebäude für Nachmittagsbetreuung und Ganztagsunterricht. Dann ist ein ganz wichtiger Komplex selbstverständlich Straßenbau und Straßensanierung. Und die energetische Sanierung spielt im Zeichen sowohl der steigenden Energiepreise als auch im Zeichen des drohenden Klimawandels eine wachsende Bedeutung und ich halte energetische Sanierung überhaupt für das beste Investitionsprogramm, wenn man es aus konjunkturellen Gründen auch tätigt, denn hier sind sehr arbeitsmarktintensive Maßnahmen einzuleiten. Da muss Mittelstand und Handwerk beschäftigt werden und da sind sehr arbeitsintensive Leistungen zu erbringen. Das heißt, der Beschäftigungseffekt ist groß.

    Engels: Herr Ude, konkret: Wenn das Geld Anfang des Jahres freigegeben wird, wann landet das als Investition beim Mittelständler?

    Ude: Das kommt eben darauf an. Wenn wir von der Vergabeprozedur befreit werden, dann geht es innerhalb weniger Wochen. Mit Vergaberegeln, wie wir sie haben, dauert es Monate, kann aber noch in diesem Jahr in Angriff genommen werden, also 2009. Wahrscheinlich ist eine differenzierte Antwort richtig: kleine Volumen sehr schnell, größere Auftragsvolumen mit einiger Verzögerung.

    Engels: Bildungsministerin Schavan hat am Wochenende auch zur Konjunkturbelebung ein Investitionsprogramm für Schulen und Universitäten im Umfang von 4,6 Milliarden Euro gefordert. Das kann der Bund ja gar nicht bestimmen, das ist Ländersache, und Herr Poß von der SPD fürchtet, die Länder werden sich ihrer Finanzierungsverantwortung entziehen. Sehen Sie auch die Gefahr?

    Ude: Ich denke, dass Bund und Länder über die Frage der Zuständigkeit sich natürlich verständigen müssen. Die Länder betonen sonst immer äußerst streng, dass sie für die Kultur und Bildung alleine zuständig sind. Dann können sie sich natürlich nicht bei der Verantwortung für die Finanzen davonstehlen. Aber wichtig ist doch, dass wir das Richtige tun, und das Thema Investitionen in den Schulbau ist auf jeden Fall richtig, denn bei den Schulen muss viel investiert werden, um marode Bausubstanz zu verbessern, um die energetische Sanierung zu ermöglichen, wo noch sehr viel Geld in überflüssige Heizkosten verpulvert wird und das auch noch in den nächsten Jahren, wenn nichts geschieht. Außerdem erfordern schulische Reformen, die Ganztagsangebote, bauliche Maßnahmen. Also das Tätigkeitsgebiet Schulbau ist garantiert richtig, genauso wie die Sanierung der Hochschulen. Nur müssen sich Bund und Länder über die Finanzverantwortung klar werden.

    Engels: Vielen Dank, Christian Ude, Oberbürgermeister von München hier im Deutschlandfunk.