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Ausstellung "Small"
Die Größe im Kleinen

Dem Trend zum Gigantismus verweigern sie sich: Neun Künstler haben sich dem Zeichnen im Kleinformat gewidmet. In New York zeigt das Drawing Center in der Ausstellung "Small" ihre Bilder. Doch um die Größe der kleinen Formate zu entdecken, muss man genau hinsehen.

Von Sacha Verna |
    Buntstifte
    Die Künstler in der Ausstellung "Small" haben nicht nur das Zeichnen, sondern das Zeichnen im Kleinformat zum Kern ihrer Arbeit gemacht. (picture-alliance / dpa / Horazny Josef)
    Wachsen ist das Funktionsprinzip des Kapitalismus. In der Gegenwartskunst, wo es bei immer mehr Messen Aufmerksamkeit zu erregen und immer größere Galerien und Museen zu bestücken gilt, heißt das: Man setzt auf klotzige Skulpturen, flächendeckende Bilder und raumfüllende Installationen. Das Medium der Zeichnung eignet sich weniger für kolossale Gesten.
    Claire Gilman hat für die Ausstellung "Small" im New Yorker Drawing Center neun Künstlerinnen und Künstler versammelt, die sich dem Trend zum Gigantismus verweigern. Sie haben nicht nur das Zeichnen, sondern ganz spezifisch das Zeichnen im Kleinformat zum Kern ihrer Arbeit gemacht.
    Claire Harvey zum Beispiel kritzelt Figürchen auf schmale Streifen von durchsichtigem Klebeband, die eine Wand von Weitem aussehen lassen, als sei sie voller Fliegendreck. James Sheehan hat ein Foto von Kasimir Malevichs Totenzimmer auf Briefmarkengröße geschrumpft und seine farbige Version davon direkt in den Mantel einer Säule eingelassen. Jetzt guckt man wie durch ein Schlüsselloch auf das Bett und einige Bilder des russischen Suprematisten. Kleinheit erfordere Konzentration, sagt Claire Gilman:
    Kleinheit fordert Konzentration
    "Der Künstler muss aufmerksamer sein, weil er diese kleinen Dinge zeichnen muss. Dazu ist viel Geschick nötig. Der Betrachter muss aufmerksamer sein, weil er suchen muss, was er sehen will. Kleinheit schafft Intimität. Es geht um Aufmerksamkeit, um die Notwendigkeit von kontinuierlicher Aufmerksamkeit."
    Abstraktes scheint mehr Platz zu beanspruchen. Jedenfalls handelt es sich bei den Exponaten in dieser Ausstellung ausschließlich um gegenständliche Darstellungen winziger Universen. Der Grieche Emmanouil Bitsakis füllt Notizbüchlein mit Skizzen von Phantasieblumen und steckt sie in Behältnisse, die sonst Miniaturausgaben des Korans oder der Bibel enthalten. Der Belgier Tinus Vermeersch verwendet Federkiel und Tinte, um handgeschöpftes Papier mit grotesken Geschöpfen zu verzieren, die mittelalterlichen Bestiarien entstammen könnten.
    "Die Künstler erlauben uns einen Blick in diese Welten. Aber wirklich betreten und bewohnen können wir sie nicht – wie Puppenhäuser. Es sind verlockende Erfahrungen, an denen wir nie ganz teilhaben können.."
    Ob größer immer besser ist, sollen andere entscheiden. Die Kleinigkeiten in dieser Ausstellung sind harmlos, aber hübsch, und das ist in unseren maximalistischen Zeiten schon entschieden mehr als das erforderliche Minimum.