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Ausstellung über Charlotte Brontë
Die Schriftstellerin hinter dem Mythos

Charlotte Brontës berühmtestes Werk "Jane Eyre" erschien 1847 - und die Kritiker konnten nicht glauben, dass es von einer Frau stammte. Die Morgan Library in New York bietet jetzt die Gelegenheit, die Schriftstellerin hinter dem Mythos zu entdecken - und die Konflikte, die sie auszutragen hatte.

Von Sacha Verna |
    Porträt der britischen Schriftstellerin Charlotte Brontë (1816-1855)
    Porträt der britischen Schriftstellerin Charlotte Brontë (1816-1855) (imago stock&people)
    "Jane! Jaaaane!..."
    Es gibt über drei Dutzend Film- und Fernsehadaptionen von Charlotte Brontës berühmtestem Roman, aber nur ein Manuskript aus der Hand der Autorin. Dieses Original liegt jetzt unter Glas in der Ausstellung der New Yorker Morgan Library. Aufgeschlagen ist es an der Stelle in Kapitel 23, wo Jane Eyre ihrem geliebten Mr. Rochester aus Gründen der Selbstbestimmung einen Korb erteilt mit den Worten:
    "Ich bin ein freies menschliches Wesen mit einem unabhängigen Willen, und jetzt mache ich denselben geltend, indem ich Sie verlasse."
    "Ihre Fantasie loderte geradezu"
    Als "Jane Eyre" 1847 in England erschien, war Charlotte Brontë 31 Jahre alt. Bei dem Roman handelte es sich um ihre erste Veröffentlichung bei einem Verlag, aber keineswegs um ihr erstes literarisches Werk. Schon als Teenager habe sie sich als Künstlerin verstanden, sagt die Kuratorin Christine Nelson. Wie ihre jüngeren und später ebenfalls zu Autorinnenruhm gelangten Schwestern Emily und Anne widmete sich Charlotte von frühester Kindheit an dem Zeichnen, Lesen und Schreiben:
    "Sie schuf diese winzigen Bücher über eine erfundene Welt voller Figuren, die alle ihre eigenen Geschichten hatten. Sie schrieb Gedichte, Theaterstücke, Prosa. Ihre Fantasie loderte geradezu."
    Die Ausstellung zeichnet mit Briefen, Notizen und Zeugnissen von Zeitgenossen Charlotte Brontës Entwicklung als Literatin nach. Sie führt vom ambitionierten Mädchen über die frustrierte Lehrerin und Gouvernante bis zur unabhängigen Schriftstellerin, von den illustrierten Miniaturepen bis zum publizierten Werk.
    Androgynes Pseudonym Currer Bell
    Charlotte Brontë verfasste "Jane Eyre" unter dem androgynen Pseudonym Currer Bell. Das Buch wurde sofort zum Bestseller. Die Rezensenten waren des Lobes voll, allerdings unter eben dem Vorbehalt, den die Autorin vorausgeahnt hatte. Christine Nelson:
    "Einige Kritiker sagten ganz deutlich: Wenn dies das Buch eines Mannes ist, dann ist es ein Meisterwerk. Aber wenn eine Frau es verfasst hat, dann muss diese geschlechtslos sein. Denn keine anständige Dame würde so offen über die emotionalen und sexuellen Bedürfnisse von Frauen schreiben."
    Charlotte Brontës Identität wurde bald bekannt. Und ziemlich rasch verwandelte sich der Schock der Gesellschaft darüber in einen ausgewachsenen Personenkult. Dabei scheint Madame Brontë eine denkbar unglamouröse Erscheinung gewesen zu sein. Darauf deutet das bescheidene blau geblümte Kleid in der New Yorker Ausstellung hin. Mehr noch lassen dies jedoch Berichte vermuten, wonach sie an Partys, die ihr zu Ehren gegeben wurden, Friedhofsstimmung verbreitete, selbst bei so jovialen Gastgebern wie ihrem Kollegen William Thackeray, der sie aufrichtig bewunderte. Die begeisterte Leserschaft konnte dennoch nicht genug von ihr kriegen.
    Tod mit 38 Jahren
    Sie starb 1855 mit 38 Jahren. Nach ihrem Tod wurde ihr Vater von Bittstellern bestürmt, die nach einem Stücklein von ihr verlangten. Also fing Patrick Brontë an, Briefe seiner Tochter zu zerschneiden und Schnipsel mit ihren Schriftzügen wie Reliquien in die ganze Welt zu versenden. Beispiele davon beschließen diese reichhaltige Ausstellung.
    Von der romantischen Jane Eyre und von der romantisierten Charlotte Brontë haben viele eine Vorstellung. Die Morgan Library bietet nun die Gelegenheit, die Heldin hinter der fiktiven Heldin und die Schriftstellerin hinter dem Mythos zu entdecken.