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Australisches Fernsehen
ABC unter Druck

Die öffentlich-rechtliche ABC ist Australiens größte und wichtigste Fernsehanstalt. Für Hunderttausende im Outback ist sie oft die einzige Verbindung zur Außenwelt. Doch nun plant die Regierung von Premierminister Tony Abbott drastische Kürzungen. Die Australier sind empört.

Von Andreas Stummer | 29.11.2014
    Fernseher stehen in einem indischen Elektronik-Shop aufgereiht.
    "Das nennt man Produktivität. Gleicher Inhalt für weniger Geld", meinte Kommunikationsminister Malcolm Turnbull, als er ankündigte, dass allein der ABC über die nächsten fünf Jahre gut 200 Millionen Euro gestrichen würden. (picture alliance / dpa / Divyakant Solanki)
    Oktober 2013. Es war der Abend vor der australischen Parlamentswahl, die Spitzenkandidaten gaben ihre letzten Fernseh-Interviews. Oppositionsführer Tony Abbott, der Chef der Konservativen, machte das, was er den ganzen Wahlkampf über gemacht hatte. Er versprach das Blaue vom Himmel herunter.
    "No cuts to education, no cuts to health, no change to pensions - and: No cuts to the ABC or SBS".
    Keine Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitsbereich, versicherte Abbott, keine Rentenkürzungen - und: keine Budget-Kürzungen bei ABC und SBS, den beiden öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern Australiens. Tags darauf wurde Tony Abbott Premierminister. Heute, etwas über ein Jahr später, hat er jedes seiner Wahlversprechen von damals gebrochen. Auch sein Wort, die Finger von der mehr als eine Milliarde Euro im Jahr zu lassen, mit denen die Regierung ABC und SBS jedes Jahr finanzieren. Ganz Australien sei am Sparen, da müssten auch die öffentlich-rechtlichen Medien den Gürtel enger schnallen.
    "Das nennt man Produktivität. Gleicher Inhalt für weniger Geld", meinte Kommunikationsminister Malcolm Turnbull, als er ankündigte, dass allein der ABC über die nächsten fünf Jahre gut 200 Millionen Euro gestrichen würden. Das sei die Gelegenheit für Australiens Öffentlich-rechtliche, zu modernisieren, ohne dass Qualität und Anzahl der Programme darunter leiden müssten."
    "Jeder Journalist und jeder denkende Australier ist empört"
    Nur Tage später aber wurde deutlich, wie hart die Einsparungen die ABC treffen. 400 Mitarbeitern, zehn Prozent der Belegschaft, wurde gekündigt: Journalisten, Redakteuren, technischem und Verwaltungspersonal. Vor allem lokale Nachrichtenprogramme und Magazine werden eingestellt, sechs ländliche Hörfunk- und Fernsehstudios geschlossen. Der ABC-Fernsehjournalist Quentin Dempster ist wütend. Für Hunderttausende im Outback sei die ABC oft die einzige Verbindung zur Außenwelt. "Wir sind ein Kontinent", erinnert Dempster. Auch die Australier außerhalb der Großstädte hätten mehr verdient als nur die Schlagzeilen:
    "Es ist gefährlich, wenn Fernsehnachrichten nicht mehr jeden Staat einschließen, die ABC muss weiterhin die Regierungschefs und Minister der Länder zur Rede stellen können. Jeder Journalist und jeder denkende Australier ist empört und frustriert darüber, was bei den Öffentlich-rechtlichen derzeit passiert."
    Zehntausende haben gegen die Budget- und Programmkürzungen protestiert. Labour und die Grünen wollen die Einsparungen bei einem Machtwechsel wieder rückgängig machen. "Den Konservativen geht es gar nicht ums Geld", glaubt Scott Ludlum, der Mediensprecher der Grünen. Die Regierung wolle der ABC einen Maulkorb verpassen, weil sie regierungs-feindlich, angeblich linkslastig und parteiisch sei. Vorwürfe, die eine unabhängige Untersuchungskommission als "haltlos" verworfen hat.
    "Die ABC wird attackiert, seit sie für die Regierung unbequeme Themen aufgedeckt und kritisch behandelt hat. Australiens unmenschliche Asylpolitik oder weil sie NSA-Whistleblower Edward Snowden ein Forum gegeben hat. Tony Abbott ist auf einem ideologischen Kreuzzug gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Aber die Unabhängigkeit der ABC darf nicht weiter beschnitten werden."
    Ob als Notfall-Service bei Buschfeuern und Überschwemmungen, als unabhängige und unparteiische Nachrichtenquelle, als TV-Serien-Produzent oder Sportsender: Die ABC ist eine Institution in Australien. Kritisch, überparteilich, respektiert und populär. Online und digital ist Australiens öffentlich-rechtliche Anstalt einsamer Medien-Marktführer. Und - Kürzungen hin oder her: Die Senderleitung hat bereits angekündigt, dass sich die ABC nicht auf ihren drei Buchstaben ausruhen werde.