Freitag, 19. April 2024

Archiv


Badeseen statt Mondlandschaften

Riesige Löcher ohne Vegetation: Das sind in vielen deutschen Braunkohleregionen die Überbleibsel des Tagebaus. Auflagen zwingen nun Bergbauunternehmen, für eine Renaturierung der ausgebeuteten Gebiete zu sorgen und Bergbaufolgelandschaften wie Seen zu schaffen.

Von Axel Flemming | 09.08.2013
    Der Gräbendorfer See, ein Bootsverleih, eine Tauchschule, am Badesteg ein schwimmendes Haus – luxuriös für Touristen eingerichtet. Die Landschaft besteht aus Wiesen mit Gräsern, Schafgarbe und ein paar Findlingen, die Bäume beschränken sich derzeit auf Kiefern und ein paar Birken, denn das ist keine Naturlandschaft, sondern eine extreme Form der Kulturlandschaft: eine Bergbaufolgelandschaft:

    "Da war hier ein bis zu 60 Meter tiefes Loch. Man muss sich das alles ziemlich karg und trostlos vorstellen, das war auch sehr sandig und voll mit Kohlestaub, also die Anwohner haben schon auch sehr über die Belastung durch diese Luftverunreinigung zu leiden gehabt."

    , erklärt Elke Wayß von der Stiftung NaturSchutzFonds Brandenburg.

    Die Stiftung renaturiert und pflegt derzeit 5000 Hektar Flächen, um die heimische Tier- und Pflanzenwelt in der ursprünglichen Vielfalt zu bewahren. Hier am Gräbendorfer See ist seit 2003 zu beobachten, wie sich die Natur den Raum wieder erobert, der durch den Braunkohleabbau gründlich zerstört wurde.

    "Also das hier hat sich die Natur von selber zurückgeholt. Das ist jetzt wirklich im Laufe der letzten Jahre über die Sukzession entstanden: über den Samenanflug, und das wird hier auch so weiter gehen."

    bis irgendwann ein dichter Wald entsteht. Nicht weit entfernt, beim Lichtenauer See und dem Schlabendorfer See zeigt sich eines der großen Probleme der Bergbaufolgelandschaften: Die Seen sind sauer. Das liegt am Schwefel und Eisen, die in großer Konzentration in der Lausitz vorkommen, sagt Volker Krause von der LMBV, der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft:

    "Und wenn dann später das Grundwasser wieder ansteigt und durch diese Kippen sich langsam hindurchbewegt, nehmen diese Wassertropfen auch Bestandteile mit aus diesen mineralisch gelösten Dingen und bilden Eisenhydroxid. Und wenn es dann wiederum in Wasser, in Fließgewässer, in unsere Restlöcher gelangt, setzen weitere chemische Prozesse ein, es kommt Sauerstoff hinzu durch diese Prozesse, sodass wir dann saure Gewässer zu vergegenwärtigen haben."

    Um dem entgegen zu wirken, werden die Seen bekalkt. Das passiert durch ein Sanierungsschiff vom Wasser aus, dem Katamaran 'Barbara'. Wolfgang Finzsch von der Firma Brain Brandenburg Innovations GmbH erklärt seiner Geschäftsführerin Marita Dittrich:

    "Bisher war es ja so, dass über dem Wasser, das eingespritzt wurde, in großen Fontänen verteilt wurde, während dieses Schiff ja den Kalk unter Wasser einbringt, und man muss sich ja vorstellen, dass das noch einige Jahrzehnte geht, bis dann irgendwann mal das natürliche Gleichgewicht so stabil ist, dass das nicht mehr notwendig ist.

    Dann sind die Seen ja, nicht nur dieser auch andere, in der Zwischennutzung - da kann man ja schlecht zwischen den Badenden rumfahren und den Kalk verspritzen."
    "Naja, sieht ein bisschen unglücklich aus."
    "Dann brauch ich natürlich solche Vorrichtungen, die den relativ dezent einbringt."
    "Richtig"."

    Schon vor einem Jahr haben sie hier gekalkt, von April bis August. Mit Kalksteinmehl und Kalkhydrat und Erfolg: Zu Beginn lag der pH-Wert bei 3, ziemlich sauer; erst ab 4,5 ist biologisches Leben möglich, wenn man mal von Bakterien absieht; bei 7 wäre das Wasser neutral.

    Noch einmal zurück zum Gräbendorfer See und Elke Wayss. Die Stiftung NaturSchutzFonds Brandenburg hat die Insel im See als Vogelschutzgebiet ausgewiesen, will aber den Menschen nicht komplett ausschließen:

    ""Wir sind allerdings trotzdem stark daran interessiert, dass hier keine solche Fronten aufgebaut werden, sondern dass wir hier auch die Möglichkeit nutzen, den Menschen die Tiere nahe zu bringen oder die Natur nahe zu bringen, und auch zu erklären, weshalb das hier so ist, dass in diesem speziellem Gebiet der Insel ein Betreten nicht möglich ist."

    Derzeit hält Brandenburg am Braunkohletagebau fest, weitere Flöze sollen erschlossen werden. Das bedeutet auch in ferner Zukunft weitere Bergbaufolgelandschaften.