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BAG-Urteil
Arbeitnehmerüberwachung nur bei handfestem Verdacht

Arbeitgeber, die Zweifel daran haben, ob ihre krankgeschriebenen Angestellten wirklich arbeitsunfähig sind, dürfen einen Detektiv auf den entsprechenden Mitarbeiter ansetzen. Das hat der Bundesarbeitsgericht heute entschieden. Bei ihrer Entscheidung haben dich Richter aber auch an die Arbeitnehmerrechte gedacht.

Von Henry Bernhard | 19.02.2015
    Überwachte Mitarbeiterin - das Gericht setzt Grenzen
    Ist sie wirklich krank? Arbeitgeber müssen handfeste Indizien vorweisen können, wenn sie krankgeschriebene Mitarbeiter überwachen lassen. (dpa / picture-alliance / Sebastian Kahnert)
    "Wenn beide Parteien mit dem Urteil nicht einverstanden sind, dann ist es richtig", scherzte der Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht nach der Urteilsbekanntgabe. Beide Parteien hatten Revision gegen das Urteil vom Landesarbeitsgericht Hamm eingereicht. Die Klägerin, weil sie als Angestellte einer kleinen Firma während ihrer Krankschreibung von einem Privatdetektiv beschattet und gefilmt wurde und weil sie dafür ein höheres Schmerzensgeld als 1.000 Euro haben wollte; die beklagte Firma, weil sie kein Schmerzensgeld zahlen wollte.
    Das Bundesarbeitsgericht urteilte heute, dass ein Arbeitgeber einen krankgeschriebenen Arbeitnehmer nicht von einem Detektiv überwachen lassen darf, wenn er keine konkreten Zweifel an den Umständen hat, die zu der Krankschreibung geführt haben. Ohne konkreten Verdacht sei die Überwachung eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Darüber zeigte sich der Anwalt der Klägerin, einer Chefsekretärin, erfreut. Christian Bock:
    "Positiv an der Entscheidung ist, dass der Vorsitzende gerade ausgeführt hat, dass die Videoüberwachung und die ganze Observationsmaßnahme rechtswidrig war; das hat er ganz deutlich gesagt."
    Enttäuscht war er jedoch, dass das Gericht die 1.000 Euro Schmerzensgeld, die das Landgericht der Sekretärin zugesprochen hat, zwar für niedrig hält, aber keinen Rechtsfehler in der Festsetzung entdecken konnte. Die Klägerin wollte gar nicht unbedingt mehr Geld für sich, sondern eine Art Bestrafung für ihren Arbeitgeber, der sie überwachen lassen hat. Der Vorsitzende Richter der Kammer merkte jedoch an, dass es am Bundesarbeitsgericht um Arbeitsrecht ginge und sich sein Sendungsbewusstsein, in andere Rechtsgebiete einzugreifen, arg in Grenzen halte.
    Krankschreibung des Arztes bekommt mehr Bedeutung
    Die Anwältin der beklagten Firma, Bettina von Buchholz, war erst mal froh, dass das Schmerzensgeld nicht höher gesetzt wurde.
    "Andererseits hat das Bundesarbeitsgericht hier festgestellt, dass die Beauftragung des Detektivs in diesem Fall rechtswidrig gewesen ist. Das bedeutet natürlich, dass die Arbeitgeber sich in Zukunft in den Fällen, wo sie Zweifel an der Berechtigung einer Arbeitsunfähigkeit haben, sehr wohl überlegen müssen, ob sie einen Detektiv beauftragen oder nicht."
    Dadurch sind die Rechte der Arbeitnehmer gestärkt, ebenso die arbeitsrechtliche Relevanz der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes. Ihr ist erst einmal grundsätzlich Glauben zu schenken, solange keine Tatsachen dagegen sprechen. Für Arbeitgeber, die einen Angestellten verdächtigen, "krank zu feiern", wird es riskanter, ihn beschatten zu lassen.
    "Erst wenn der Verdacht wirklich massiv ist und dringende Gründe vorliegen, erst dann kann ich davon ausgehen, dass ich einen Detektiv beauftragen kann als Arbeitgeber. Wenn dies im Nachhinein als nicht ausreichend berücksichtigt wird, muss ich damit rechnen als Arbeitgeber, dass ich ein Schmerzensgeld an den Arbeitnehmer zahlen muss."
    Das Bundesarbeitsgericht wies jedoch darauf hin, dass es nicht darüber zu entscheiden hat, wie heimliche Videoaufnahmen zu beurteilen sind, wenn ein berechtigter Anlass zur Überwachung gegeben sei.