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Ballett
Erfolgreicher Auftakt der Reihe "Dutch Doubles"

Für Hans van Manens Reihe "Dutch Doubles" bringt das Holländische Nationalballett vier Choreografen mit vier Vertretern anderer Künste zusammen: zum Beispiel die Fotografin Rineke Dijkstra oder den Designern Viktor und Rolf. Kritikerin Wiebke Hüster zeigt sich von dem Tanzabend in Amsterdam, an dem der Teil "Dances With Harp" gezeigt wurde, begeistert.

Von Wiebke Hüster | 17.04.2014
    Zwei schwächere Werke - "Roulette" von Juanjo Arques und "Shape" von Jorma Elo - rahmen zwei auf ihre Art vollkommene Choreografien - "Romance" von Ton Simons und "Dances with Harp" von Hans van Manen - wenn es nicht zynisch klänge, müsste man Ted Brandsen, dem Direktor des niederländischen Nationalballetts, zur Zusammenstellung des neuen Abends seiner Compagnie beglückwünschen. Man Muss.
    Gelungenes Ballettdirigat
    Aber in Amsterdams Opernhaus Het Muziektheater sorgte noch ein anderes Element der Aufführungen dafür, dass dieser Abend ein unvergesslicher wurde. Am Pult stand vor der Holland Symfonia die brasilianische Dirigentin Clotilde Otranto und ließ vergessen, was das Publikum bislang für gelungenes Ballettdirigat gehalten haben mochte.
    Temperamentvoll und umsichtig führte Otranto Orchester und Solisten durch einen Abend, dessen musikalische Spannweite größer kaum hätte sein können - von Bach, Mozart und Beethoven bis hin zu zeitgenössischen Kompositionen etwa für Schlagwerk oder einem Streichquartett von Jakob ter Veldhuis. Immer hatte man das Gefühl, Otranto sei Musikern so nahe wie Tänzern und erlaube diesen mit ihrem Einfühlungsvermögen und ihrer luziden und mitreißenden musikalischen Führung, sich ganz dem Tanz hinzugeben.
    Otrantos Biografie erklärt nicht ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten, aber dass sie selbst eine klassische Ballerina war, bevor sie Jura und Orchesterdirigat studierte, am Klavier Preise gewann, und nach dem Chefdirigat am Miami City Ballet schließlich 2008 als Dirigentin beim New York City Ballet unterschrieb, gibt vielleicht einen Eindruck von den Energien dieser Künstlerin.
    Der Harfenspieler Remy van Kesteren
    Der Star unter den Instrumenten dieses Abends allerdings richtete sich nicht nach Otrantos Taktstock. Remy van Kesteren, 23-jähriger berühmter Harfenspieler, begleitete mit einer wilden musikalischen Mischung aus Gegenwart und Goldbergvariationen Hans van Manens Stück, in dem drei Paare jeweils einen Pas de deux tanzten und die Männer als Divertissements zwischen den Duetten unisono agierten. Tanz und Tänzer so glücklich identisch erscheinen zu lassen, gelingt nur mit Paaren wie diesen - Igone de Jongh und Artur Shesterikov, Anna Tsygankova und Jozef Varga, Jurgita Dronina und Isaac Hernandez. Sanft, verhalten, tiefgründig und auf die notwendigsten Bewegungen konzentriert, so trat der Tanz neben die verzaubernde musikalische Macht der Harfe, die man so wohl noch nie hatte zu hören bekommen.
    Auf ähnlich intensive Weise arbeitete Ton Simons das Essentielle einer tänzerischen Kommunikation eines ganz jungen Paares heraus. Benannt nach Mozarts Romanze, dem Mittelteil des Klavierkonzerts Nr. 20, nähern sich Erica Harwood und Peter Leung aus maximaler Entfernung: Im Profil und in der Vorbereitungsposition stehend, fixieren sie einander zunächst. Signaturhaltung dieses Pas de deux.
    Starfotografin Rineke Dijkstra
    Dem zurückhaltenden, anrührenden Gestus des Tanzes der beiden korrespondierte die Videoarbeit der 54-jährigen Starfotografin Rineke Dijkstra. Vor dem Stück zeigt das Video die beiden Tänzer im Kostüm vor dem Auftritt, leicht angespannt, gedanklich noch einmal die schwierigsten Passagen durchgehend. Nach ihrem Auftritt auf der Bühne sieht man die beiden noch einmal im Video, durchgeschwitzt, erschöpft, verletzlich. So ergänzen Video und Tanz einander wechselseitig um neue Informationen - dank der Videobilder des Anfangs sieht man mehr im Tanz, durch den Tanz sieht man die Personen des Videos anders und am Ende hat man das Gefühl, eine vielschichtige und berührende, eine komplette Erfahrung gemacht zu haben.
    Danach hätten die so unglaublich gehypten Modedesigner Viktor unf Rolf in ihre rechteckigen Tutus für das letzte Stück Shape auch persönlich reinbeißen können - für alles Effekthascherische war der Abend ein für alle Mal verloren. Ein echter Erfolg eben