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Bangen um den Euro

Die Griechen plündern ihre Bankkonten, Tresorverkäufer haben Sonderkonjunktur. Sollten am Sonntag die Reformgegner die Wahlen gewinnen, dürfte das Land ins wirtschaftliche Chaos stürzen, erwarten griechische Unternehmer.

Von Gerwald Herter |
    Ausgerechnet Schnecken! Die griechische Unternehmerin Maria Vlachou spricht acht Sprachen und hat in einigen europäischen Ländern gelebt. Vor ein paar Jahren ist sie in ihre Heimat zurückgekehrt und hier handelt sie nun mit Schnecken - Schnecken für den Verzehr und auch für die Herstellung von Kosmetika oder Arzneimitteln. Nicht jedermanns Sache, aber bisher war das ein ziemlich krisenfestes Geschäftsmodell – bisher. Mit der Wiedereinführung der Drachme könnte sich auch das ändern, weil Maria Vlachou in die Eurozone, nach Spanien und Frankreich exportiert. Dass Griechenland die Eurozone verlassen könnte, daran mag die Unternehmerin gar nicht erst denken. Das entscheidende Argument findet sich aus ihrer Sicht aber nicht in Griechenland:

    "Es wäre ein Desaster, nicht nur für uns, sondern auch für andere. Ein Dominoeffekt."

    Mit Risiken, die niemand vorhersehen kann.

    Die Europäische Union muss deshalb um jeden Preis zu Griechenland stehen. Einige der politischen Parteien in Griechenland sind davon überzeugt. Das hat sie dazu gebracht, in den letzten Wahlkampfwochen selbstbewusst Nachverhandlungen mit der EU zu versprechen. Man hat ja einen Trumpf in der Hand! Vielen Griechen leuchtet das ein, aber längst nicht allen. Deshalb haben viele ihre Bankkonten abgeräumt. Schon zuvor waren Fallstudien erstellt worden: So hatte die größte griechische Geschäftsbank mitten im Wahlkampf eine Untersuchung veröffentlicht, in der die Folgen eines Euroaustritts beschrieben werden. Die Experten der Nationalbank zeichnen ein Bild, das kaum düsterer sein könnte: starker Anstieg der Arbeitslosigkeit, der Inflation und der Kreditzinsen, kräftige Abwertung der neuen Drachme und zwar im ersten Jahr nach ihrer Einführung, außerdem ein zweiter Schuldenschnitt und so weiter.

    Michael Mailis ist im Verpackungsgeschäft tätig, sein Unternehmen produziert an mehreren Standorten im Ausland, aber auch in Griechenland. Die Drachme will er auf keinen Fall wiederhaben, denn Ungewissheit und Unsicherheit würden nur noch zunehmen:

    "Wir wissen nicht genau, wie das ablaufen wird. Wir wissen über die Konsequenzen, dass alle Griechen ärmer werden. Wir befürchten für eine gewisse Zeit, dass die Banken vielleicht zu sein werden und Probleme mit Importen, Öl, Energie, Transporte. Wir möchten wirklich gar nicht daran denken."

    Dass seit zwei Jahren ständig über den möglichen Euroaustritt geschrieben, geredet, spekuliert werde, habe ihn fast unmöglich gemacht, sagt der Fonds-Manager Phaedon Tamvakakis. Er spricht vom langsamsten Autounfall der Geschichte. Wer nur könne, habe das Fahrzeug schon vor der Kollision verlassen und sich gerettet. So gut es eben geht, denn auch aus seiner Sicht droht ein Totalschaden, wenn erst die Drachme kommt:

    "Die Produktivität würde um die Hälfte einbrechen, die ganze Wirtschaft würde leiden, denn die Kaufkraft wäre nur noch minimal. So können wir nicht zur Drachme zurückkehren, das würde einen Bürgerkrieg auslösen. Wer genug Geld hat, konnte es längst in Sicherheit bringen. Abwertungen müssen immer überraschend erfolgen. Jetzt wären soziale Unruhen die Folge. Ich denke in Afghanistan könnte man dann einen ruhigen Urlaub verbringen – jedenfalls im Vergleich zu Griechenland."

    Tamvakakis bemüht drastische Bilder, weil er so überdeutlich machen will, dass die Wiedereinführung der Drachme verheerend wäre. Und das tut er, weil er eben nicht davon überzeugt ist, dass die Europäische Union um jeden Preis für Griechenland eintreten wird. Für die europäische Solidarität, auf die seine Landsleute hoffen, hat er nur Spott übrig:

    "”Es gibt Leute, die glauben, dass die Griechen zu einer seltsamen Art gehören, dass sie auf Bäume klettern, andere lustige Sachen machen, ihre Schulden nicht bezahlen und ansonsten Sirtaki tanzen, dass sie jedenfalls nicht zu Europa gehören. Wenn etwas passiert, ist es ihr Problem und sie müssen künftig eben vorsichtiger sein. Ich fürchte so sehen sie das.""