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Bannerwerbung bei der Fußball-EM
Neue Bühne für Autokraten

Socar - Energy of Azerbaijan: Diese Bandenwerbung scheint den TV-Zuschauern bei Spielen der Fußball-EM seit drei Wochen entgegen. Dahinter steckt der staatliche Energieriese aus Aserbaidschan. Das autokratische Regime nutzt die Fußball-Bühne, um sich bekannt zu machen - und über Menschenrechtsverletzungen hinwegzutäuschen.

Von Victoria Reith |
    Innenansicht des EM-Stadions Paris Saint Denis
    Guter Platz um für sich zu werben: EM-Stadien wie das in Paris Saint Denis. (imago / Jan Huebner)
    Socar, das klingt ein wenig wie das amerikanische Wort für Fußball, steht aber für "State Oil Company of Azerbaijan Republic", der staatliche Ölkonzern der Republik Aserbaidschan.
    Das Land, das sich sportlich nicht qualifiziert hat, ist einer der Hauptsponsoren der Fußball-EM in Frankreich – die Bandenwerbung "Energy of Azerbaijan" in allen Stadien präsent.
    Aber was ist der Beweggrund eines bisher weitgehend unbekannten – und noch dazu staatlichen Unternehmens, sich bei der UEFA als Sponsor der EM zu engagieren?
    André Bühler vom Deutschen Institut für Sportmarketing erklärt: "Dass die in den europäischen Markt eindringen wollen, beziehungsweise den Markteintritt suchen in den europäischen Markt. Könnte aber auch sein, dass man einfach mit europäischen Entscheidungsträgern Kontakt aufnehmen möchte, die man irgendwann mal brauchen sollte, wenn es Richtung Europa geht."
    Teure Imagekampagne
    90 Millionen Euro lässt sich der aserbaidschanische Staatskonzern das Händeschütteln mit Entscheidungsträgern und die große Bühne Fußball-EM kosten, so André Bühler. Damit ist SOCAR der größte Investor bei diesem Fußball-Großereignis.
    "Diese Unternehmen, die staatlich gefördert sind, haben eine ganz andere Ausstattung als andere Sponsoren."
    Vergleichbare Konzerne, die sich mit Sportsponsoring groß machen wollen, gibt es auch in anderen Ländern: Die Flughafengesellschaft Katar wirbt unter anderem in der Münchner Allianzarena, Qatar Airways besitzt Paris Saint Germain. In Russland ist das bekannteste Beispiel der quasistaatliche Energiekonzern Gazprom, der unter anderem Schalke 04 sponsert.
    Und wie Katar und Russland nimmt auch Aserbaidschan es mit den Menschenrechten nicht so genau. "Aserbaidschan ist ein autoritär geführtes Land, beherrscht von einem Clan und ein absolut korruptes, menschenrechtsverachtendes Land. Jede Opposition wird unterdrückt, Meinungsfreiheit gibt es nicht, Pressefreiheit gibt es nicht. Auch nicht das Recht auf Versammlung und friedlichen Protest", sagt Wenzel Michalski von Human Rights Watch.
    Vorwürfe von Menschenrechtsorganisationen
    Um Sportveranstaltungen wie die European Games und die Formel 1 in Aserbaidschan würden Jubelarien vollzogen, so Michalski, die die tatsächliche Politik des Landes und die Lage der Menschen dort übertünchen. Human Rights Watch wirft dem Sport - im Falle der Europameisterschaft also auch der UEFA - vor, sich mit dem Regime gemein zu machen, indem er sich sponsern lässt und seine Veranstaltungen dort austrägt.
    "Sportverbände gehen nach dem Motto ‚Geld stinkt nicht’. Die nehmen das Geld von jedem. Ob das eine Diktatur ist, ein ausbeuterisches System, oder wie auch immer. Wir verlangen von den Sportverbänden, sich an die eigenen Prinzipien zu halten. Zum Beispiel Fairness und auch Pressefreiheit. Das ist in diesen Ländern nicht gegeben."
    Zu lasche Dopingkontrollen?
    Nicht nur mit der Einhaltung der Menschenrechte hat Aserbaidschan - milde gesagt - ein Problem. Sondern auch mit Doping. Den Gewichthebern wurden vom internationalen Dachverband Startplätze für die Olympischen Spiele in Rio aberkannt und nach einer Recherche des kritischen Sportportals "insidethegames" hat der aserbaidschanische Ruder- und Kanuverband im vergangenen Jahr nur zwei Dopingkontrollen durchgeführt. Der offizielle Grund: substantielle Kosten, die durch die erstmals ausgetragenen quasi-olympischen European Games in Baku entstanden seien.
    90 Millionen Euro Kosten für das Sponsoring der Europameisterschaft scheinen hingegen kein Problem für Aserbaidschan darzustellen. Auch der Sponsor SOCAR, der ja zu 100 Prozent dem Staat Aserbaidschan gehört, wurde für eine Stellungnahme zu den Hintergründen seines Engagements angefragt. Eine Antwort erhielt der Deutschlandfunk allerdings bisher nicht.