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Bauen in Britain

Wer sich als Architekt frisch von der Uni bewirbt, der schreibt schon mal gerne 50 Bewerbungen - ein Job ist dennoch Glückssache. Anders sehen die Chancen in Großbritannien aus. Die anstehende Olympiade 2012 hat einen regelrechten Bauboom ausgelöst. Und die international agierenden Unternehmen setzen gerne auf eine internationale Belegschaft.

Von Ruth Rach |
    Chris Fellner, 31, arbeitet als Architekt bei Howarth Tompkins, einem jungen, mittelgroßen Büro in London, das sich auf Theater-, Wohnungs- und Industriebauten konzentriert. Chris Fellner studierte in Weimar und ging direkt von der Universität nach London. Dort zog mit seiner Bewerbungsmappe von Tür zu Tür.

    "Vor drei Jahren sah’s in Deutschland nicht gut aus, grade für junge Architekten, wenn man frisch aus der Uni kam und keine Berufserfahrung hatte. Und dann war das in London ganz einfach. Ich bin hergekommen und hatte nach einer Woche drei Jobangebote."

    Heiko Mathias, 30, erging es ähnlich. Er ist seit einem Jahr bei BDP, einer der größten Baufirmen in Großbritannien. Auch Heiko Mathias kam frisch von der Uni. In Deutschland hatte er 50 Bewerbungen losgeschickt. Vergebens.

    "Also ich war hier zum Vorstellungsgespräch, die haben gesagt du kannst anfangen, ich hab zehn Tage später angefangen. Das ist glaube ich sinnbildlich für den Markt hier. Total schnelllebig, kannst wechseln so schnell du willst, das hat alle auch geschockt zu Hause du gehst innerhalb von zehn Tagen weg nach London und so."

    Man wird schnell geheuert, ist aber auch wenig abgesichert - ein typisch angelsächsisches Beschäftigungsprinzip, sagt Achim Jedelsky, 34, seit mehreren Jahren bei BDP. Achim Jedelsky hatte bereits in Deutschland als Architekt gearbeitet. In London angelte er sich eine Stelle als Projektmanager. Und wurde sofort gefordert.

    ""Es war nie ein Thema ob ich die Sprache perfekt beherrsche oder nicht -das wurde einfach vorausgesetzt. Das ging soweit, dass ich relativ bald mit Verträgen zu tun hatte, die ich lesen, verstehen und bewerten musste, bis zu Honorarverhandlungen. Bereiche, in die man in deutschen Büros einen Berufsanfänger nicht sofort ranlassen würde". "

    Auch Chris Fellner wurde schnell ins kalte Wasser geworfen: er bekam gleich ein Projekt für 77 Einfamilienhäuser.
    Und Heiko Mathias’ erste Aufgabe war ein Büro-und Verkaufsgebäude in Hamburg,

    ""Was natürlich fehlt ist der englischsprachige technische Background, aber den kriegt man dann durch "learning by doing", bei der Arbeit, mit. Ich würde sagen, dass wir in Deutschland gut ausgebildet sind und dass unser Chef schnell mal sagt, er nimmt gerne Deutsche weil sie so gut ausgebildet sind. "

    Natürlich gebe es auch in ihren britischen Büros Teamkontrollen, erzählen die drei aus Deutschland. Aber der Prozess sei wesentlich subtiler. Und wenn sie sich mit Kollegen in Deutschland austauschen, kommen alle drei zum gleichen Schluss. Chris Fellner.

    "Die Stimmung ist wesentlich entspannter, die Hierarchien sind flacher, man duzt den Chef vom ersten Tag an. Hier werden die Leute verzweifelt gesucht. Wenn einem die Art und Weise wie man behandelt wird nicht gefällt, kann man gehen, weil man weiss, ich hab in einer Woche einen neuen Job. "

    Jung, dynamisch und international, so empfinden sie ihre Arbeitsplätze. Doch bei aller Begeisterung - das Leben in London ist teuer. Trotzdem kommen sie zureckt. Ihr Einstiegsgehalt betrug umgerechnet 18 00 Euro netto. Jedes Jahr gibt es eine ‚Review’, einen persönlichen Termin beim Chef, um das Honorar neu auszuhandeln. Da bekommen sie dann auch mal einen Bonus, oder eine extra Woche Urlaub.

    Die Auftragsbücher seien weiterhin voll - trotz aller Ängste vor einer Rezession, betont Sherdian Besford von BDP.

    "Die bevorstehende Olympiade hat einen enormen Bauboom ausgelöst. BDP ist eine interdisziplinäre Firma, wir suchen ständig Leute, nicht nur Architekten, sondern auch Ingenieure, Designer, und natürlich auch Leute für die Verwaltung. "

    Am einfachsten seien Bewerbungen über die Website, sagt Sheridan Beresford. Dort seien zahlreiche Posten ausgeschrieben. Die Firma betreut Projekte in ganz Europa. Deshalb setzt man auf eine internationale Belegschaft.

    "Nicht-britische Kandidaten werden besonders geschätzt, weil sie verschiedene Ausbildungswege hinter sich haben, so dass sie zusammen mit ihren britischen Kollegen dem Klienten schlichweg mehr bieten. "