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Baumschädlinge mit Allergiepotenzial

Der Eichenprozessionsspinner ist ein Nachtfalter, der vor allem zu Beginn seines Lebens für Chaos sorgt: Die Larven dieses Schmetterlings fressen nicht nur Eichenwälder kahl, sondern können auch zur ernsten Gesundheitsgefahr werden. Im Frühjahr vermehren sie sich massenhaft und halten die Mitarbeiter von Forstämtern auf Trab.

Von Annette Eversberg |
    In diesen Tagen des Aprils sind Förster wie Martin Kleining vom Forstrevier Coesfeld im Wald unterwegs. Sie suchen an Eichen nach Spuren und neuen Nestern des Eichenprozessionsspinners. So wird der Nachtfalter genannt, weil die Raupen in einer Prozession die Nester verlassen, um die frischen jungen Eichenblätter fressen zu können.

    "Der Eichenprozessionsspinner ist, wie es der Name schon sagt, an die Eiche gebunden. Wir stehen hier an einem sandigen Eichengebiet, sehr lichtdurchflutet und an einem offenen Westrand. Und genau da findet man ihn dann auch, weil er eine sehr wärmeliebende Art ist, und meistens in Bereichen, wo die Böden auch etwas trockener sind, weil er da auch beste Bedingungen findet, um sich vermehren zu können."

    Der Eichenprozessionsspinner wird immer mehr zu einem Problem, weil er sich seit einigen Jahren nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Bayern massenhaft vermehrt. In Gesellschaft mit anderen Eichenschädlingen können die etwa fünf Zentimeter großen Raupen ganze Eichenbestände in den Wäldern kahlfressen. Aber auch an Eichen an sonnigen Standorten in Städten und an Alleen finden Forstexperten immer mehr Nester des Eichenprozessionsspinners, die bis zu einem Meter lang werden können. Dort sind sie eine Gefahr für Menschen. Dr. Marianne Klug vom Amtlichen Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen kennt die Gefahren der Raupen, die besonders durch ihre Behaarung auffallen.

    "Ab dem 3. Larvenstadium bilden sie diese Härchen auf den einzelnen Hinterleibssegmenten aus. Und diese Härchen sind keine Haare im wirklichen Sinne. Das sind ganz winzige, sogenannte Brennhaare. Denn eigentlich sind es Drüsensekrete. Und wenn die Raupen sich beunruhigt fühlen, wölben sie diese Segmente auf, und dann brechen die sogenannten Haare ab und werden mit dem Wind verweht."

    Bis zur Puppe, etwa Anfang Juli, aus der dann der neue Falter schlüpft, macht die Raupe des Eichenprozessionsspinners noch weitere Stadien durch. Dabei werden die Brennhaare immer mehr. Sie dienen der Abwehr von Feinden. Beim Menschen kann der Kontakt mit den Brennhaaren zum Gesundheitsproblem werden, weiß Dr. Hans-Guido Mücke, Hygieniker beim Umweltbundesamt in Berlin.

    "Das heißt nicht nur unmittelbarer Kontakt, dass man das Tier berührt. Sondern das Tier ist in der Lage, diese Brennhaare, die ein Eiweißgift enthalten, freizusetzen. Diese können vom Menschen im Kontakt mit Schleimhäuten, Nase, Mund, Rachen aufgenommen werden, zu Atemproblemen, zu Hautreaktionen und auch zu Augenempfindlichkeitsüberreaktionen führen, was wiederum zu starken allergischen Reaktionen der Menschen führen kann."

    Die Bekämpfung gleicht einer Quadratur des Kreises. Denn ein spezielles Biozid, also ein Schädlingsbekämpfungsmittel, gegen den Eichenprozessionsspinner gibt es nicht. Die entsprechende Anwendung muss im Einzelfall entschieden werden. Wichtig ist - so Marianne Klug- aber auch der richtige Zeitpunkt.

    "Die Behandlungen sollten möglichst stattfinden im ersten oder zweiten Larvenstadium, also während der Zeit, in der die Larven noch keine Brennhaare gebildet haben."

    Die Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners kostet unter Umständen jedes Jahr viele tausend Euro. Denn in den Wäldern braucht man Hubschrauber zur Bekämpfung. An Alleen und Parks werden die Nester einzeln bekämpft oder sogar abgesaugt. Trotzdem ist die Bekämpfung nicht immer erfolgreich, wie aus Bayern berichtet wird. In den Eichenwäldern Brandenburgs will man in diesem Jahr den Eichenprozessionsspinner wieder großflächig aus der Luft bekämpfen. Im Berliner Bezirk Lichtenberg fürchtet man ökologische Schäden und setzt nur darauf, die Nester zu entfernen. Die Fachleute aller Bundesbehörden sind sich, so Hans-Guido Mücke, jedoch einig, dass es aufgrund der Massenvermehrung unverantwortlich wäre, wenn man die Hände in den Schoß legen würde.

    "Das wäre zum jetzigen Zeitpunkt über die Entwicklung der letzten 20 Jahre sicherlich nicht mehr vertretbar. Dann dort, wo der Eichenprozessionsspinner insbesondere eben mit Menschen in Kontakt kommt, ist jetzt auch ganz deutlich eine Bekämpfung im Siedlungsbereich angezeigt."