Samstag, 04. Mai 2024

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Bayer-Hauptversammlung
Proteste von Aktionären wegen Monsanto-Übernahme

Die EU hat der Fusion der Agrarkonzerne Bayer und Monsanto unter Auflagen zugestimmt. Die Einwilligung der USA steht noch aus. Bäuerliche Kleinbetriebe kritisieren die Übernahme, berichtet Umwelt-Redakteurin Jule Reimer im Dlf. Die Landwirte sähen sich durch den Preis des konzerneigenen Saatguts in ihrer Existenz bedroht.

Stefan Römermann im Gespräch mit Jule Reimer | 25.05.2018
    Demostranten mit gelben Fahnen stehen um und auf einem gelben Wellenbrecher
    Teilnehmer einer Protestaktion vor der Hauptversammlung der Bayer AG am 25.05.2018 demonstrieren gegen die Fusion von Bayer und Monsanto mit einem Wellenbrecher und Fahnen. (dpa)
    Stefan Römermann: Frau Reimer, es sind ja viele Proteste und Demos rund um die Bayer-Hauptversammlung angekündigt gewesen. Was ist es denn die Hauptkritik?
    Jule Reimer: Die Fraktion der bäuerlichen Familienbetriebe sieht sich durch die Fusion der Agrarriesen in ihrer Existenz bedroht, weil die Patentgesetzgebung mittlerweile weltweit sehr Agrarindustrie-freundlich ausgestaltet ist. Patente heißt: Für die Verwendung dieses Saatguts muss gezahlt werden. Das heißt, die Landwirte müssen das Saatgut kaufen und Teile der Ernte dürfen nicht ohne zusätzliche Lizenzabgaben bei der erneuten Aussaat verwendet werden. Aus Sicht von Bayer oder Monsanto ist das die notwendige und angemessene Vergütung für deren Forschungsaufwand. Aus Sicht der kleineren Landwirte gefährlich, weil damit der Zugang zu wichtigen Lebensmitteln in der Hand von wenigen Agrarkonzernen liegen könnte.
    Stefan Römermann: Was sagen die Umweltschützer?
    Jule Reimer: Den Umweltschützern geht es ebenfalls um Saatgut-Patente, aber auch um den Erhalt der Biodiversität allgemein. Bayer will mit dem Kauf von Monsanto zum Weltmarktführer für Agrarchemie und Saatgut aufsteigen. Beide Unternehmen stellen umstrittene synthetische Pestizide her. Am Mittwoch hat zum Beispiel die Kommission der deutschen Akademie der Wissenschaften Leopoldina verheerende Schäden in der Natur durch den Einsatz chemischer Pestizide konstatiert.
    Stefan Römermann: Wie erfolgreich ist Bayern denn bisher mit seiner Produktpalette?
    Jule Reimer: Der Konzern - und auch Monsanto – hat bisher mit Pflanzenschutz, wie Bayer das Marktsegment der Pestizide nennt, gutes Geld verdient. Aber der Wind dreht sich. In Europa wurden gerade drei Insektizide aus der Gruppe der Neonicotinoide weitgehend verboten, da es als erwiesen gilt, dass sie für Honigbienen und Wildinsekten gefährlich sind. Andere Neonicotinoide bleiben weiter erlaubt.
    Die Zulassung für Glyphosat wurde zwar prinzipiell auf EU-Ebene für weitere fünf Jahre verlängert. Aber insgesamt ist ein Ende absehbar. Meines Erachtens sehen Bayer und Monsanto das auch so. Denn es mehren sich in den USA und Lateinamerika Meldungen über Resistenzen gegen Glyphosat, da diese Produkte dort großflächig und in großen Mengen eingesetzt wurden und werden.
    Europageschäft von Agrokonzernen wie Bayer bedroht
    Zukünftig könnten sich auch die Rahmenbedingungen für den Einsatz synthetischer Pestizide verschlechtern. Die EU-Gesetzgebung verpflichtet die Agrarbranche auf die Entwicklung biologischer Schädlingsbekämpfung. In Brüssel tobt gerade der Kampf um die künftige Ausrichtung der EU-Agrarpolitik ab 2021. Rund 50 Milliarden werden da bisher verteilt. Und die Frage ist, ob dies weiter mehrheitlich nach dem Gießkannenprinzip geschieht oder nur, wenn Landwirte und Agrarunternehmen umweltschonende Verfahren anwenden.
    Ein weiteres Thema ist Gentechnik. Der Europäische Gerichtshof (EuGh) wird in den nächsten Wochen entscheiden, ob neuartige gentechnische Verfahren wie Crispr/Cas Gentechnik im Sinne des EU-Rechts sind. Wenn sie so bewertet werden, dann wäre der Anbau solcher Pflanzen streng reguliert und die Produkte darauf müssten gekennzeichnet werden.
    All das könnte das Europageschäft von Agrokonzernen wie Bayer erheblich beeinträchtigen. Andererseits: Trump dereguliert gerade in den USA Umweltauflagen, auch in der Landwirtschaft. In Lateinamerika hat Monsanto sich mit seinem Gentec-Saatgut durchgesetzt. China setzt auf die Agro-Industrie. Will heißen, das internationale Umfeld ist für so einen Global Player möglicherweise viel wichtiger als Europa.
    Stefan Römermann: Die EU hat der Fusion ja inzwischen unter Auflagen zugestimmt. Die Zustimmung aus den USA steht noch aus. Kann die Übernahme noch platzen?
    Jule Reimer: Eine beeindruckende Reihe von Kartellbehörden muss hier zustimmen. Die EU, Indien, Brasilien, China und Russland haben die Übernahme von Monsanto durch Bayer unter Auflagen genehmigt. Der Konzern muss dafür weite Teile seines bisherigen Saatgut- und Herbizid-Geschäfts abstoßen – was übrigens auch nicht alle Aktionäre gut finden. Die Entscheidung der US-Behörden steht noch aus. Das Wall Street Journal hatte berichtet, das Justizministerium habe die Prüfung weitgehend positiv abgeschlossen. Aber US-Präsident Trump mit seinem "America-First"-Credo gilt als unberechenbar. Und wer weiß, ob er nicht in der Übernahme eines US-Agrarunternehmens durch einen deutschen Konzern plötzlich eine Gefährdung der US-Landwirtschaft und der nationalen Sicherheit entdeckt.