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"Beitrag zur Verzahnung von Wissenschaft und Praxis"

Für den Präsidenten des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen, profitieren Fakultäten von Honorarprofessuren, da sie berufspraktischen und wissenschaftlichen Sachverstand einbringen. "Nicht sympathisch" sei dagegen die Vergabe von Professorentiteln an wissenschaftlich inaktive Prominente.

Bernhard Kempen im Gespräch mit Manfred Götzke | 20.07.2012
    Manfred Götzke: Der Jurist Hans Georg Maaßen wollte eigentlich bald zwei neue Ämter bekleiden: Neuer Präsident des Bundesverfassungsschutzes und Honorarprofessor für Recht an der FU Berlin. Aus dem Zweitjob an der Uni wird allerdings nichts. Die Leitung der Freien Universität hat gestern erklärt, Maaßens Verhalten in der Affäre um den Bremer Guanatanamo-Häftling Kurnaz sei mit den Werten der Universität unvereinbar. Maaßen hat 2002 ein Rechtsgutachten zum Fall Kurnaz erstellt. Mit dem hat die damalige Regierung ihre Entscheidung begründet, den Guantanamo-Häftling im Fall einer Freilassung nicht nach Deutschland einreisen zu lassen. Über den Fall Maaßen und die Honorarprofessor im Allgemeinen möchte ich mit Bernhard Kempen sprechen. Er ist nicht Honorar-, sondern ordentlicher Professor und Präsident des Deutschen Hochschulverbandes. Herr Kempen, Sie sind selbst Jurist. Hätten Sie ähnlich entschieden wie die FU Berlin?

    Bernhard Kempen: Das kann ich jetzt, ohne den Fall in allen Einzelheiten zu kennen, schwer sagen. Ich muss sagen, hier ist eine Entscheidung, was etwas ungewöhnlich ist, des Senats ergangen, nachdem die juristische Fakultät sich offensichtlich vorher für die Honorarprofessur ausgesprochen hat. Das ist nach dem, was ich sehe, formal korrekt. Inhaltlich kann man das von außen sehr schwer bewerten.

    Götzke: Nun schließt sich daran naturgemäß die Frage an, ob Maaßens Verhalten mit den Werten seines neuen Amtes vereinbar ist, wenn es nicht mit den Werten der Universität, der FU Berlin vereinbar ist.

    Kempen: Möglicherweise gibt es da eine Diskrepanz, aber auch das kann man schwer sagen. Bei der Entscheidung über eine Honorarprofessur geht es um Wissenschaft, nicht um Politik. Es geht darum, ob die Person, die von außen, kraft ihres besonderen wissenschaftlichen Sachverstands und ihrer praktischen Erfahrung berufen werden soll in diese Honorarprofessur, ob diese Person wissenschaftlich geeignet ist. Politische Maßstäbe sind dabei grundsätzlich nicht anzulegen.

    Götzke: Nun haben Sie die Kriterien schon angesprochen, die dazu führen, dass jemand Honorarprofessor wird oder nicht. Wie läuft das in der Regel ab? Wer schlägt vor, wer hat das Recht, zu entscheiden?

    Kempen: Die Vorschläge kommen aus der Mitte einer Fakultät. Da wird gesagt, es ist bekannt, dass es da einen Lehrbeauftragten gibt, der sich in ganz besonderer Weise und über einen längeren Zeitraum nebenberuflich in der Wissenschaft engagiert. Das sind die Voraussetzungen. Das heißt, er muss letztlich, was die Wissenschaft angeht, das Niveau eines hauptamtlich berufenen Professors erreichen. Er muss also über ein exzeptionellen wissenschaftlichen Sachverstand verfügen. Dann wird ein solcher Vorschlag in der Fakultät erörtert und dann wird in der Fakultät abgestimmt, ob ein solches Verfahren angestrebt wird. Und dann wird nach einem längeren Zeitablauf, meistens sind es, wie gesagt, fünf Jahre, wird dann geschaut, ob ununterbrochen wissenschaftliche Lehre ausgeübt wurde, und dann gibt es ein Votum der Fakultät, die Person zum Honorarprofessor zu ernennen. Und dann folgen die weiteren Gremien, in Berlin offenbar der Akademische Senat, der dann zu entscheiden hat. Das ist ein wissenschaftlicher Entscheidungsprozess, bei dem, ich wiederhole das noch mal, es alleine darum gehen muss, ob die Person, die berufen wird, ob die nach ihrem wissenschaftlichen Sachverstand und ihrer berufspraktischen Erfahrung in die Fakultät passt, eine Bereicherung für die Fakultät darstellt. Das ist die Entscheidung, und nicht, ob eine politische Linie angenehm oder unangenehm, erwünscht oder unerwünscht ist. Das hat da eigentlich nichts zu suchen.

    Götzke: Nun ist Maaßen nicht der einzige Fall, umstrittene Fall professoraler Ehrung. Der Verleger Alfred Neven DuMont, der ist an der Uni Halle Honorarprofessor, ohne je Lehrveranstaltungen zu geben. Ist das korrekt, ist das in Ordnung so?

    Kempen: Ja, das sind unterschiedliche Kategorien. Also, es gibt den Professor h.c., das ist ein reiner Ehrentitel. Das gibt Universitäten und auch Fakultäten, die das verleihen. Das hat dann nichts damit zu tun, dass die Person ein echter, sozusagen, Honorarprofessor ist. Das ist nichts anderes als eine Ehrenbezeichnung, die man jemandem geben kann, der mit einer Universität oder auch mit einer Fakultät besonders verbunden ist. Das ist, wenn Sie so wollen, ein angloamerikanisches Modell, da ist es fast schon Tradition, dass verdiente Politiker oder Ex-Politiker mit solchen akademischen Ehrenbezeigungen bedacht werden. Bei der Honorarprofessur geht es schon darum, dass jemand in seiner wissenschaftlichen Qualität in eine Fakultät berufen wird.

    Götzke: Wie ausgeprägt sollte denn dann die Präsenz an der Uni sein? Also, wie viele Lehrveranstaltungen sollte jemand geben, damit er wirklich sich Honorarprofessor nennen können soll?

    Kempen: Also typischerweise sind hier über einen Zeitraum von fünf Jahren, aber das ist von Bundesland zu Bundesland verschieden, Lehrveranstaltungen abzuhalten, und zwar in einem Umfang von mindestens zwei Semesterwochenstunden. Und es wird auch in vielen Bundesländern erwartet, dass der Honorarprofessor auch nach seiner Ernennung, und zwar unentgeltlich, zwei Semesterwochenstunden Lehre abhält. Nur auf die Weise ist ja auch sichergestellt, dass der Berufene tatsächlich eine enge Verbindung zur Lehre hält. Daneben sollte er in der Forschung aktiv sein, was typischerweise durch Publikationen nachzuweisen ist, aber auch auf andere Weise nachgewiesen werden kann. Das Ganze ist nicht irgendein fauler Kuhhandel, den die Universität hier treibt, sondern der Versuch, Personen, die außerhalb der Universität wissenschaftlich aktiv sind, an die Universität zu binden. Es ist leicht vorstellbar, dass für die Universität damit ein Mehrwert verbunden ist, denn auf die Weise kann sichergestellt werden, dass die berufspraktischen Erfahrungen in die Universität einfließen.

    Götzke: Aber es gibt ja schon diese Fälle, ich nenne jetzt noch mal Ulrich Wickert, der ja tatsächlich Honorarprofessor ist und nicht Professor ehrenhalber, oder auch Neven DuMont, mit denen sich ja möglicherweise doch eine Universität schmücken will.

    Kempen: Das gibt es auch. Ich sage ganz offen, mir ist es nicht sympathisch, ich will aber jetzt den Fall Neven DuMont noch den Fall Ulrich Wickert damit kommentieren oder bewerten. Es ist eine Entscheidung der Fakultäten, die gute Gründe haben mögen, zu sagen, hier ist jemand, der der Universität in einer ganz besonderen Weise verbunden ist, und diese Verbundenheit, die wollen wir dann auch unsererseits unter Beweis stellen. Ich kann das schon sehr gut verstehen, wenn ich auch zugeben muss, dass mir das nicht so sympathisch ist. Ich würde das schon gern sehr klar trennen. Die Honorarprofessur sollte vorbehalten sein für Personen, die in der Wissenschaft aktiv sind und mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit beeindrucken. Und alles andere sind akademische Ehrenbezeichnungen, die kann man machen, das ist auch durchaus gute Tradition auch in den traditionsreichen Universitäten etwa in Großbritannien, in Oxford und Cambridge. Da muss klar sein, hier geht es tatsächlich nur um Ehrenbezeichnungen, nicht um echte Wissenschaft.

    Götzke: Ärgert Sie das manchmal als ordentlicher Professor, wie leicht man den Titel Professor zum Teil tragen darf?

    Kempen: Na ja, so leicht ist es nicht. Also, ein Honorarprofessor, ein echter Honorarprofessor, um den Titel zu bekommen, muss der neben seinem Beruf, den er in der Wirtschaft, in den Medien oder wo auch immer ausübt, muss der in der Universität lehren, und das fällt nun auch nicht so leicht. Und er muss daneben forschen und muss publizieren. Also, das ist schon kein ganz leichtes Geschäft, und ich hab da, vor dieser Leistung von echten Honorarprofessoren, habe ich sogar einen ganz gehörigen Respekt.

    Götzke: Das Konzept Honorarprofessur aus Ihrer Sicht also sinnvoll?

    Kempen: Durchaus sinnvoll. Wie gesagt, es ist ein Beitrag zur Verzahnung von Wissenschaft und Praxis.

    Götzke: Honorarprofessuren, richtig verstanden, bereichern die Hochschulen, sagt Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes. Dankeschön!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.