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Berlin
Wenn dem Gesundheitsamt die Ärzte fehlen

Berliner Amtsärzte schlagen Alarm: Die Gesundheitsämter der Hauptstadt können manche ihrer Pflichten kaum noch erfüllen, weil sie offene Stellen nicht besetzt bekommen. Ein Grund: Die Bezahlung für Mediziner im öffentlichen Dienst ist niedriger als im Krankenhaus.

Von Marianne Allweiss | 22.01.2018
    Gudrun Widders, Leiterin des Gesundheitsamt im Berliner Bezirk Spandau, an ihrem Schreibtisch
    Gudrun Widders leitet das Gesundheitsamt im Berliner Bezirk Spandau. Sie hat dieselbe Arztstelle schon zwölf Mal ausgeschrieben - und nicht besetzen können. (Imago)
    Gudrun Widders beugt sich über ein Arbeitspapier zur Gesundheitsvorsorge in Berlin-Spandau. Die langen Flure zu ihrem Zimmer im Rathaus sind an diesem Freitagnachmittag schon verwaist. Aber die Leiterin des Gesundheitsamtes hat die Vorsitzende eines Netzwerks noch zu einer Besprechung eingeladen.
    "Ich denke, wir gehen mal ein paar Punkte durch in dem Papier."
    "Ja, gerne!"
    "Unterstützungsangebote, da haben wir jetzt die Beratungsstelle für behinderte, Krebs- und Aidskranke Menschen. Da ist meine Bitte an Sie, dass da noch aufgenommen wird: Das ist die Beratungsstelle des Gesundheitsamtes."
    "Gut. Ist das auch unter Ihrer Leitung?"
    "Stille Gesundheitspolizei"
    Die Amtsärztin leitet nicht nur mehrere Beratungsstellen. "Stille Gesundheitspolizei", so nennt Widders ihre Aufgaben. Sie ist auch zuständig für Infektionsschutz oder zahnärztliche Vorsorgeuntersuchungen. 18 Arztstellen gibt es dafür im Bezirk Spandau. Fünf davon sind allerdings nicht besetzt. Es fehlen vor allem Fachärzte für Hygiene und Umweltmedizin, Kinderärzte oder Psychiater im sozialpsychiatrischen Dienst. In diesem Bereich sind zwei von fünf Arztstellen offen. Ein Kollege ist länger krank, Widders selbst übernimmt Wochenendschichten.
    "Wenn dann aber einer von uns krank werden würde, dann sieht es schwierig aus. Und diese sozialpsychiatrischen Einweisungsdienste bedeuten, dass Menschen, die fremdaggressiv sind oder Menschen, die suizidal sind, also eigengefährdet sind, dass sie dann nicht untergebracht werden können."
    Auch andere Pflichten können die Berliner Gesundheitsämter kaum noch erfüllen, etwa die Hygieneüberwachung der Krankenhäuser und Arztpraxen. Dafür hat das Spandauer Gesundheitsamt zwar gerade eine junge Ärztin eingestellt. Die ist aber fachfremd und muss erst noch ausgebildet werden.
    Niedrigere Bezahlung als in einer Landesklinik
    Außerdem verdient sie etwa 1.000 Euro im Monat weniger als in der Klinik, wo sie davor beschäftigt war. Ein Gehaltsunterschied, der für die meisten Ärzte im öffentlichen Dienst gilt. Dieses Problem habe die rot-rot-grüne Regierung immerhin erkannt, meint Widders. Im Herbst hatte Gesundheitssenatorin Dilek Kolat mehr Personal versprochen:
    "Wir haben jetzt zwei große Aufgaben: Zum einen die zurzeit noch offenen Stellen zu besetzen. Und zum anderen eben den öffentlichen Gesundheitsdienst so attraktiv zu machen, dass die weiteren 400 Stellen auch besetzt werden können. Es hilft nichts, neue Stellen bereit zu stellen, wenn diese gar nicht besetzt werden können."
    Dazu hat der Senat ein personalpolitisches Aktionsprogramm aufgelegt. Er will Jobs offensiver bewerben, zentral ausschreiben und vor allem auch besser bezahlen. Zum Beispiel durch höhere Einstufungen. Das Ziel ist die Gleichstellung mit Ärzten in Krankenhäusern. Passiert sei im vergangenen Jahr allerdings nichts, kritisiert der Marburger Bund.
    55 von 350 Arztstellen nicht besetzt
    Der Landesvorsitzende Peter Bobbert rechnet vor, dass zurzeit 55 Arztstellen von 350 in Berlin nicht besetzt seien. 15 mehr als vor 4 Jahren. Er fordert, die Tarife der Mediziner im öffentlichen Dienst denen in Landeskliniken anzupassen:
    "Ungefähr vier Millionen Euro jährlich würde das kosten – in einer Zeit, wo Berlin ja einen Überschuss hat und wo auch im Koalitionsvertrag genau dies drinsteht. Alle Seiten des Berliner Senats sagen ja, und das ist die Krux des Ganzen: Sie wollen eine Erhöhung und das Geld ist da! Sie verbergen sich jetzt allerdings hinter bürokratischen Hürden und schütten es schlicht und ergreifend nicht aus."
    Darüber kann sich Gudrun Widders nur wundern. Sie hat bei ihren Stellenausschreibungen schon längst alle Spielräume genutzt. Geholfen habe das nicht:
    "Wir haben zum Beispiel im sozialpsychiatrischen Dienst eine ärztliche Stelle jetzt das zwölfte Mal seit 2015 ausgeschrieben. Also 2015, 2016 und 2017 jeweils vier Mal und wir haben die Stelle nicht besetzten können."