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Ärztemangel
Jeder vierte Haus- und Facharzt will bis 2020 schließen

Die Kassenärzte schlagen Alarm: In den nächsten fünf Jahren werde jeder fünfte Haus- und Facharzt seine Praxis aufgeben. Die Suche nach einem Nachfolger wird immer schwieriger. Alte Menschen auf dem Land könnten bald ernsthaft Probleme bekommen.

Von Tabea Tschöpe | 04.07.2014
    Diagnose Lungenkrebs: Ein Arzt zeigt auf einem Röntgenbild auf einen Tumor.
    Diagnose Lungenkrebs: Ein Arzt zeigt auf einem Röntgenbild auf einen Tumor. (picture alliance / dpa / Rainer Jensen)
    Knapp 125.000 Ärzte in Deutschland haben eine eigene Praxis. Jeder vierte von ihnen ist allerdings bereits 60 Jahre oder älter. Und mit 60 Jahren oder älter: Da kann man nicht mehr ewig arbeiten. Doch viele Ärzte, die sich um einen Nachfolger bemühen, haben ein Problem: Sie finden keinen. Bei rund 60 Prozent der Ärzte ist das so. Das steht im neuen Ärztemonitor – einer groß angelegten Befragung unter niedergelassenen Ärzten. Ein Skandal sei das, findet Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung KBV. Ein Grund dafür: die wankelmütige Politik, so Gassen:
    "Es gibt einen gewissen Duktus in der Politik in den letzten Jahren, dass man gesagt hat: Die Einzelpraxis, die braucht eigentlich kein Mensch mehr. Wenn ich jetzt natürlich von der jungen Generation erwarte, dass sie eigentlich umgekehrt diese Praxen, die man eigentlich totredet, muss man sich nicht wundern, wenn die da zumindest mal abwarten und sich das genauer anschauen."
    Die eigene Praxis habe für viele nicht mehr den Reiz wie noch vor ein paar Jahren. Denn: Viele junge Ärzte wüssten bereits, dass es am Ende ihrer Karriere schwierig werden könnte, einen Nachfolger zu finden. Da überlege man sich das mit der eigenen Praxis noch mal. Und ziehe womöglich die Sicherheit der städtischen Klinik vor. Denn die Wahlfreiheit für die sogenannte Generation Y – also die heute etwa 25-35-Jährigen – ist da:
    "Sie ist in der angenehmen Situation, dass aufgrund des schon jetzt spürbar werdenden Ärztemangels jetzt die Ressource Arzt relativ knapp wird. Das heißt, die können sich aussuchen, was sie machen."
    Ärzteverbände sehen dringenden Handlungsbedarf
    75 Prozent der für den Ärztemonitor befragten Ärzte glauben: Die Praxis hat ihre Funktion als Altersvorsorge verloren. Ganz klar: Die Ärzte-Verbände wissen, dass in vielen ländlichen Regionen, aber auch in einigen Städten, keine Praxen mehr aus dem Boden schießen werden. Und sie sehen Handlungsbedarf. Dirk Heinrich ist Vorsitzender des Verbands der niedergelassenen Ärzte in Deutschland. Junge Ärzte bräuchten planerische Sicherheit. Finanzkonzepte müssten her, um eine Praxis zu übernehmen, aber eben auch wieder loszubekommen.
    "Das Zweite ist, dass das Arbeitsumfeld sich so verändern muss, dass man zum Beispiel in Arztnetzen die Möglichkeit hat, sich auszutauschen, dass man von Bürokratie entlastet wird. Dass man auch Einstiegsmöglichkeiten hat in die Selbstständigkeit. Das heißt, dass man erst mal angestellt anfängt in einem Arztnetz. Dann sich an die Selbstständigkeit sozusagen heran robbt und sie dann irgendwann auch wirklich ausfüllen kann."
    Denn eigentlich bereut fast kein niedergelassener Arzt seine Berufswahl. Egal, ob Landarzt in der Provinz oder Neurologe in Berlin-Mitte: Laut Ärzte-Monitor sagen 94 Prozent der Ärzte, ihre Arbeit mache ihnen Spaß.