Montag, 29. April 2024

Archiv


Besser gleiten dank Wasser

Physik. - Wer gut schmiert, der gut fährt, sagen nicht nur Rennfahrer, und greifen zu Öl, Graphit oder Wachs, um der Reibung ein Schnippchen zu schlagen. Umweltfreundlicher und einfacher aber wären Schmiermittel nach dem Vorbild der Natur - aus Wasser, meinen Schweizer Forscher.

Von Sabine Goldhahn | 30.01.2007
    Es gibt wenige Forscher, die in ihrem Alltag so viele praktische Forschungsthemen finden. Überall rollt und reibt, rutscht und gleitet etwas. Nicholas Spencer vom Materials Research Center der Eidgenössisch Technischen Hochschule Zürich:

    "Jeder versteht, was Reibung ist, und jeder versteht, was Verschleiß ist und was Schmierung ist, im Alltag sieht man es, aber eigentlich versteht niemand etwas, die Physik dahinter ist wahnsinnig komplex."

    Dabei geht es eigentlich nur um eines: Was passiert, wenn zwei Gegenstände, die sich bewegen, aufeinander treffen. Wie verhalten sich die beiden Oberflächen zueinander, wie groß ist der Verschleiß, brauchen sie eine Schmierung. Und wer bei Schmierung nur an die klassische Ölkanne denkt, wird hier eines Besseren belehrt. Die neue Zauberformel heißt nach Ansicht des Zürcher Wissenschaftlers Seunghwan Lee H2O, Wasser.

    "Wenn wir nach neuen Schmiermitteln suchen, schauen wir immer zuerst, was die Natur schon gemacht hat. Und wenn etwas gut ist, dann kopieren wir es. Zum Beispiel das Wasser. Alle Gelenke und alle Kontaktflächen in unserem Körper werden mit Wasser geschmiert, da sind höchstens noch ein paar Zusatzstoffe drin. Wir sind völlig frei von Öl. Wasser ist biokompatibel, umweltverträglich, kostengünstig und kann viel Hitze und Wärme aufnehmen. Das einzige Problem ist, wie es auf Druck reagiert. Während Öl seine Viskosität erhöht, wird Wasser bei Druck einfach ausgequetscht."

    Da dieses Problem fast der einzige Nachteil von Wasser ist, arbeiten die Materialforscher bereits an Lösungen, bei denen wasserbasierte Schmiermittel eingesetzt werden können.

    "Wasser mit natürlichen Additiven, die die Oberfläche so modifizieren, dass die Oberflächen gegeneinander gut gleiten, das ist, was wir jetzt versuchen mit neuen Molekülen nachzuahmen. Man könnte auch mit den natürlichen Molekülen versuchen, industriell zu schmieren, aber nach einem Tag würde es wahrscheinlich stinken, man muss weg von diesen Proteinen..."

    …erklärt Nicholas Spencer. Eine Möglichkeit für Zusatzstoffe im Wasser-Schmiermittel sind Graft-Kopolymere. Die haften nicht nur spontan an der Kontaktoberfläche, sondern erneuern sich auch, wenn sie abgekratzt werden. Selbstheilung sozusagen. Die Außenseiten der Kontaktflächen bestehen dann aus so genannten Polymer-Bürsten. Diese gelten als weiches Material und sind für die wasserbasierte Schmierung besonders geeignet, denn auch in der Natur haben alle harten Enden einen weichen Überzug. Der kann sich unter Druck selbst verformen, sodass eine größere Kontaktfläche entsteht und die Belastung besser verteilt wird. Seunghwan Lee:

    "Um Wasser als Schmiermittel zu benutzen, ist die Kombination von Wasser und einer weichen Oberfläche ideal."

    Künftige Anwendungsgebiete für die wasserbasierte Schmierung sollen neben der Biomedizin auch die Lebensmittelindustrie sowie der Bergbau sein. Im Gegensatz dazu soll eine andere Flüssigkeit nicht schmieren, sondern haften – die Tinte aus dem Drucker. Deshalb waren die winzigen Flüssigkeitsmengen an den Druckerdüsen auch einer der Diskussionspunkte am Materials day.

    "Wir haben die Oberflächenspannung und natürlich die Viskosität angeschaut, die für die Entstehung von winzigsten Tropfen nötig ist. Der ideale Tropfen im Tintenstrahldrucker ist rund, hat eine niedrige Viskosität und fliegt kontrolliert mit etwa fünf Metern pro Sekunde."

    Für Ian Hutchings von der University of Cambridge steht der Begriff Tintenstrahldrucken nur noch als Synonym für eine Technik, der die Zukunft gehört.

    "Der große Fortschritt bei dieser Technik ist, dass man Tropfen hinspritzen kann, wo immer man will. Das muss nicht immer Tinte sein, wir können genauso gut Polymere drucken, elektronische Komponenten und Biomaterialien. Man kann lebende Zellen durch die Druckerdüsen schicken und diese an biologischen Schwämmen verankern. Dann kann man vielleicht in Zukunft sogar ein Organ oder ein Stück Knochen auf Knopfdruck herstellen. "