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Bessere Wasserqualität, weniger Fische

Wenn Flüsse wieder sauberer werden, dann ist für die Biologen ein Indiz für den verbesserten ökologischen Zustand die zunehmende Artenvielfalt. Beim Rhein beispielsweise hatte die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins in ihrem letzten Jahresbericht erfreut festgehalten, dass die Erfolge des Umweltschutzes deutlich sichtbar werden. Die Belastung mit Schadstoffen gehe weiter zurück und mittlerweile leben im Rhein wieder über 60 Fischarten - eine Verdoppelung gegenüber den 60er Jahren.

Von Thomas Wagner | 12.02.2003
    Auch der Bodensee, Europas Trinkwasserspeicher Nummer Eins, ist durch Milliarden-Investitionen erheblich sauberer geworden. Doch je größer die Erfolge um die Wasserqualität, desto lauter die Klagen der Berufsfischer: ihre Fangerträge gehen zurück. Thomas Wagner ist diesem Phänomen nachgegangen.

    Längst nicht mehr sind die Netze der Bodensee-Fischerei so prall gefüllt wie noch vor 15 Jahren: Damals gelang den Berufsfischern alleine auf dem Obersee ein Rekord-Fangergebnis von 1800 Tonnen; mittlerweile müssen sie sich mit rund 800 Tonnen begnügen – ein gewaltiger Rückgang. Vor allem der Barsch, der neben dem traditionellen Bodensee-Felchen über Jahrzehnte hinweg als "Brotfisch" der Bodenseefischer galt, verirrt sich seit etwa fünf Jahren kaum noch in ein Netz. Dr. Rainer Berg von der Fischereiforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg:

    Der Barsch ist von Haus aus ein Fisch, der eher nährstoffreiche Gewässer liebt, und der saubere Bodensee, der zur Nährstoffarmut tendiert, ist im Grunde genommen kein Heimatgewässer für den Barsch. Der Barsch war in großen Mengen vorhanden, solange der See etwas nährstoffreicher war. Aber mittlerweile, aufgrund der Reinhaltebmühungen, ist der Barsch von etwa 600 Tonnen im Jahr Fangertrag zurückgegangen auf weniger als 50 Tonnen.

    Damit nennt Reiner Berg bereits die Ursache für den Rückgang des Barsch-Bestandes, die auf den ersten Blick paradox klingt: Die "Reinhaltebemühugnen" seien dafür verantwortlich, heißt es. In der Tat tätigten die Schweiz, Österreich sowie die deutschen Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern in den vergangenen drei Jahrzehnten Milliardeninvestitionen in den Kläranlagenbau. Denn in den 70er Jahren nahm die Phoshphor-Konzentration im Bodensee bedrohliche Werte an: Über 80 mg pro Kubikmeter Wasser ergaben seinerzeit die Messungen – mehr als zehn Mal soviel als in den 50er Jahren. Henno Rossknecht vom Institut für Seenforschung in Langenargen:

    Erst durch menschliche Aktivitäten insbesondere nach dem Krieg, beispielsweise durch die Phosphate in den Waschmitteln und viele andere kleine Heinzelmännchen, die uns tagtäglich helfen und Phosphor enthalten, kam zunehmend Phosphor in den See mit der Folge, dass die Algen stärker gewachsen sind und damit die Mikroorganismen und die Fische, und diese Algen werden, wenn sie abgebaut werden, unter Sauerstooffverbrauch abgebaut.

    Das war seinerzeit aber eine verhängnisvolle Entwicklung: Die Algen, die auf dem Grund vermoderten, entzogen dem See Sauerstoff, der dem restlichen Leben im See fehlte. Folge: Es drohte die Gefahr des Umkippens, des Absterbens aller biologischen Aktivitäten. Diese Gefahr ist mittlerweile durch den milliardenteuren Kläranlagenbau längst bekannt: Statt einst 80 Milligramm Phophor pro Kubikmeter Wasser ergeben die Proben im Bodensee derzeit Werte um die 15 Milligramm herum, manchmal auch darunter. Der See ist somit erheblich sauberer. Nur: Weniger Phosphor bedeutet auch: Weniger Algen im See – und damit erheblich weniger Nahrung für die Fische, so Rainer Berg von der Fischereiforschungsstelle:

    Die Algen werden gefressen von kleinen Zoo-Plankton-Organismen, von kleinen Hüpferlingen und Wasserflöhen. Und die Wasserflöhe sind die wesentliche Grundlage für das Wachstum der Fische.

    Und damit ist auch klar, weswegen die Fangerträge der Berufsfischer am Bodensee so deutlich zurückgingen: Sauberes Wasser bedeutet eben: Weniger Nahrung für die Fische, deren Bestände sich entsprechend zurückbilden. In der Analyse dieser Entwicklung sind sich alle Experten einig – gehören sie nun zum Institut für Seenforschung, zur Fischereiforschungsstelle oder gar zur Jagd- und Fischereiverwaltung im Schweizerischen Kanton St. Gallen. Doch wenn es um die Konsequenzen geht, die daraus zu ziehen sind, so fallen die Bewertungen unterschiedlich aus. So mache es aus fischereiwirtschaftlicher Sicht keinen Sinn mehr, die Kläranlagen rund um den See weiter zu modernisieren , um damit die Gewässergüte zu verbessern. Rainer Berg:

    Aus Sicht der Fischproduktion lagen natürlich die Werte von 15 bis 20 Milligramm Phosphor sehr gut, weil die vielen Nachteile, die ein nähstoffreicher See hat, da nicht mehr auftraten, die Produktionsverhältnisse aber sehr gut waren und die Qualität des Sees auch schon aus Sicht der Fischer zumindest sehr zufriedenstellend war.

    Doch die Sicht der Fischer dürfe eben nicht allein ausschlaggebend sein bei der Bewertung der grenzübschreitenden Anstrengungen zur Gewässerreinhaltung. Auch andere Aspekte, so Henno Rossknecht vom Institut für Seenforschung, müssten berücksichtigt werden:

    Das ist nicht alleine die Fischerei. Das ist eben auch die Trinkwasserqualität, unter anderem eben auch das ganze Öko-System Bodensee, das eben möglichst naturnah erhalten werden soll. Und hier ist es nun so, dass man bei den Phosphor-Rückhaltebemühugen nicht nachlassen darf, das ist eben auch ein Ziel zum Beispiel der Internationalen Gewässerschutzkommission Bodensee.

    Weitere Bemühungen zur Eindämmung des Phosphor-Gehaltes im Bodensee bedeuten aber auch einen weiteren Rückgang des Algenwachstum und, damit verbunden, ein weiterer Rückgang der Fangerträge. Dass die Bodenseefischerei über diese Entwicklung nicht glücklich ist, versteht sich von selbst. Gleichwohl wertet Henno Rossknecht gerade den Rückgang der Fischbestände als positiven Umwelt-Indikator:

    Wir haben jetzt wieder die natürliche Entwicklung der Fische, wie sie vor 50 Jahren war, und zwischendurch hatten wir eben ein übermäßig rasches Wachstum. Und das war künstlich hervorgerufen, und das möchte natürlich niemand an seinem so wichtigen Öko-System wie dem Bodensee.