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Biodiversität
Neue Techniken in der Insektenforschung

Insekten erforschen - eine gewaltige Aufgabe: Allein in Deutschland sind rund 30.000 Arten bekannt. Neue Techniken wie Robotik und Automatisierung sollen Forschern nun dabei helfen, die Vielfalt der Insekten zu erfassen. Auch bei der genetischen Analyse von Insektenproben geht man neue Wege.

Von Joachim Budde |
Eine Goldfliege (Lucilia sericata) sitzt auf einer Garten Margerite
Insektenproben sammeln - das ist mittlerweile auch automatisiert möglich (imago / Chromorange)
Wolfgang Wägele möchte die Biodiversitätsforschung in Deutschland auf eine neue Ebene heben. Dafür hat sich der Direktor des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig in Bonn bei den Kollegen einer anderen Disziplin inspirieren lassen:
"Unsere Grundidee ist, den Klimaforschern nachzueifern und in der Landschaft Geräte aufzustellen, die automatisch beobachten, was in Umgebungen geschieht. Das ist recht kompliziert, weil die Dinge, die man messen muss, artspezifisch sein müssen, und da gibt es nicht so viel, was man nutzen kann."
Stimmen von Vögeln, Fledermäusen oder Heuschrecken, Fotos von Schmetterlingen und Nachtfaltern, Spurengase von Pflanzen kommen da zum Beispiel infrage, sagt der Biologe. Und natürlich die Organismen selbst.
"Wir haben automatisierte Probensammler entwickelt, die aus der Landschaft Insekten sammeln und auch Pollen sammeln, und das Material muss dann im Labor genetisch weiter bearbeitet werden."
Messstationen für Biodiversität
Die Sensoren und die Technik sind vorhanden. Jetzt arbeiten Wolfgang Wägele und seine Kollegen daran, sie zu Biodiversitäts-Messstationen zusammenzubauen, die die Daten an ein Rechenzentrum schicken können. Erste Prototypen sind im Bau, Tests stehen an.
"Wir werden am ersten September anfangen. Dann haben wir drei Jahre Zeit, und das Ziel ist es eigentlich, deutschlandweit idealerweise einige hundert davon aufzustellen, dann hätte man ungefähr die gleiche Abdeckung wie in der Klimaforschung."
Hunderte von Stationen, die Insekten fangen – da kommen Unmengen Tiere zusammen.
"Man muss sich vorstellen, dass man nachher pro Woche zum Beispiel 200, 300 Litergefäße voll mit Insekten bekommt. Es ist unmöglich, das mit konventionellen Methoden zu bearbeiten. Das heißt, wir installieren Robotik in unseren Laboren, um aus diesen Proben die Erbsubstanz, die DNA zu extrahieren, und dann wird anhand dieser DNA gezählt, wie viele Arten in den Proben vorhanden sind. Und diese Labormethoden, die haben wir schon. Das funktioniert."
Routinearbeit wird outgesourct
Für Routinearbeiten wie die genetische Sequenzierung der Fänge allerdings fehlt Forschungseinrichtungen wie dem Museum Koenig die Kapazität.
"Dazu sind die Wissenschaftler auch nicht bereit, sondern man wird mit Sicherheit diese Proben abgeben an spezialisierte Firmen, die dann Routinearbeit machen."
Firmen wie die Advanced Identification Methods GmbH, kurz AIM, mit Sitz in München. Die Biologin Marita Sacher ist dort Vertriebsleiterin. Sie sagt:
"Da ist es wirklich so, dass das DNA-Barcoding unterstützen kann, diese Routine rauszunehmen für die Spezialisten, dass sie wieder Zeit haben für ihre eigentliche Arbeit: neue Arten zu entdecken und unser Artenspektrum in Deutschland wirklich zu erfassen. "
Denn diese Arbeit ist nötig, um Lücken bei den genetischen Fingerabdrücken der Insekten zu schließen: Das "German Barcode of Life Projekt", das Wolfgang Wägele koordiniert, hat inzwischen für etwa die Hälfte der Insekten in Deutschland einen solchen genetischen Fingerabdruck erstellt. Die häufigen Arten sind abgedeckt, viele seltene fehlen aber noch. Aber selbst wenn für manche Einträge auf Marita Sachers Artenlisten noch die Namen fehlen, sei das kein großes Problem.
"Die werden besser über die Jahre. Die Datenbanken werden gefüllt von den Experten weltweit. Und diese Daten, die wir generieren, die können wir immer wieder gegen die Datenbanken vergleichen. Man bekommt immer mehr Arten, die dann einen linné’schen Namen bekommen und wirklich, diese Daten sind wertvoll. "
Problem bei der Erfassung
Ein größeres Problem ist, dass bis zu 20 Prozent der Arten eines Fangs zu klein und zu selten sind: In eine Flasche mit 500 Insekten bringen sie so wenig DNA ein, dass ihr Erbgut von den Automaten nicht erkannt wird. Wolfgang Wägele kennt dieses Problem.
"Diese seltenen Arten gehen uns zur Zeit verloren bei den Labormethoden. Wir müssen also Grundlagenforschung machen, um herauszufinden, wie man die Sensibilität der Laborverfahren noch verbessern kann."
Neue Erkenntnisse geben die Forscher an Firmen wie AIM weiter. Die können dann wiederum die Routinesequenzierungen zuverlässiger erledigen. Forschungsinstitute und Analysefirmen sind aufeinander angewiesen.