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Biopiraterie oder Saatgutklau

Thong Law, Reisbauer aus dem Nordosten Thailands ist empört. "Die Amerikaner nehmen uns Kleinbauern die Existenz weg", sagt Thong Law. "Wir leben doch vom Reis, wir alle, unsere Familien sind darauf angewiesen. Reis ist für uns nicht nur ein Nahrungsmittel, es ist eine Lebenseinstellung, eine Kultur. Aber jetzt will die Weltmacht USA unser Eigentum stehlen. Deshalb müssen wir kämpfen. Das darf nicht passieren."

Monika Hoegen | 12.11.2003
    Hom Mali – Weiße Blume nennen die Thailänder ihren Jasmin-Reis. Die hochwertige Duftreissorte ist die einzige monetäre Einkommensquelle im Nordosten Thailands, eine der ärmsten Regionen des Landes, wo die Bauern ansonsten von Subsistenzwirtschaft leben. Doch seit auch die Amerikaner ein Auge auf den Jasmin-Reis geworfen haben, fühlen sich die thailändischen Farmer bedroht. 20 Prozent des Reis hatten sie bisher in die USA exportiert – zu guten Preisen. Jetzt aber wollen die Amerikaner eine eigene Jasmin-Reissorte entwickeln - mittels gentechnischer Veränderung soll sie dem amerikanischen Klima und den dortigen Erntezeiten angepasst werden. Das nötige Keimplasma dazu haben sich die USA von der Genbank des IRRI, einem Internationalen Reisforschungsinstitut auf den Philippinen besorgt. Um künftig selbst den heimischen Markt mit diesem neuen Reis zu bedienen, soll er patentiert werden. Ein gutes Geschäft – so hofft man in den USA. Sind doch die Preise für Jasmin-Reis dreimal so hoch wie die für herkömmlichen Reis. Doch gegen die amerikanischen Pläne regen sich in ganz Thailand und inzwischen auch international herbe Proteste. Karsten Wolff von der Kampagne Save our Rice des asiatisch-pazifischen Pesticide Action Network:
    Patentschutz auf Jasmin-Reis in den USA könnte dazu führen, dass es thailändischen Bauern nicht mehr möglich ist, ihren Jasmin-Reis in die USA zu exportieren ohne dort entsprechend an den Patentinhaber Lizenzgebühren zu zahlen und das könnte bedeuten, dass es überhaupt nicht mehr wirtschaftlich sich lohnt thailändischen Jasmin-Reis in den USA zu verkaufen.

    Noch ist unklar, ob ein amerikanisches Patent auf Jasmin-Reis auch Auswirkungen auf den thailändischen Export in andere, etwa die asiatischen Nachbarländer haben könnte. Klar aber ist soviel: Von einem Exportstopp in die USA und dem Verlust dieses Einkommens wären fünf Millionen Kleinbauer in Thailand betroffen.

    Wir sind auf das Einkommen angewiesen", sagt Thong Law. "Wenn wir es nicht bekommen, zerstört es unser Leben. Das ist unsere einzige Einnahmequelle. Nur so erhalten wir Geld, das wir ausgeben können für Kleidung zum Beispiel, für Schulmaterialien, Bücher für die Kinder und so etwas." Thong Law weiß, viele der Farmer aus seinem Dorf sind verzweifelt. Doch nicht nur in Thailand, auch anderswo häufen sich inzwischen Fälle von Biopiraterie. Das weiß auch Karsten Wolff.

    Man muss dazu sagen, dass der Jasmin-Reis-Fall leider kein Einzelfall ist. Patente auf Lebensformen werden täglich vergeben. Solche Fälle werden ja nicht in den Zeitungen veröffentlicht. Das heißt, es ist Recherchearbeit von sozialen Bewegungen, von Aktivisten, die diese Fälle öffentlich machen und es ist so, dass die Möglichkeit besteht, einige Einzelfälle herauszugreifen und zu skandalisieren. Es ist aber nicht möglich, quasi eine umfassende Gegenmacht, was international patentrechtlich geschützt wird, aufzubauen.

    Der Brasilianer und Wahldeutsche John Kleber kämpft in der Buko-Kampagne des Bundeskongresses entwicklungspolitischer Aktionsgruppen ebenfalls gegen solche Fälle von Saatgutklau. Er kennt ein weiteres Beispiel – diesmal aus Brasilien: Cupuacu.

    Das ist eine Pflanze aus Amazonien. Und das ist eine nahe Verwandte des Kakaos. Das ist eine riesige Frucht, orange. Der Baum wächst bis zu 20 Meter hoch. Und die Bevölkerungsgruppen aus Amazonien herstellen seit je her verschiedene Speisen aus diesen Frucht, sowohl das Fruchtfleisch, damit kann man sehr leckeres Eis und Gelee und so weiter machen als auch die Nüsse, die Nüsse sind sehr reichhaltig an Fette. Und daraus kann man einerseits Shampoos und Seife machen und andererseits auch Schokolade.

    Cupulate, die amazonische Spielart der Schokolade, und heiße Getränke aus Cupuacu, derlei Naschereien sind seit je her in Brasilien schon bei den Kindern beliebt. Jetzt allerdings hat ein japanischer Konzern einen Patentantrag auf das Produkt Cupuacu aus dem gleichnamigen Rohstoff gestellt, der in 114 Ländern gelten soll. Die Folge: Wer immer künftig Cupuacu-Produkte anbietet, läuft Gefahr, von den Japanern verklagt zu werden. Und für die brasilianischen Pflanzenanbauer versiegt eine Einkommensquelle. Es gibt noch viele weitere Beispiele. Doch ob die Bio-Patentflut noch aufzuhalten ist, ist fraglich. Von etwa 600 Anmeldungen von Patenten auf Tiere beim Europäischen Patentamt mit Sitz in München wurden bereits ein Dutzend bewilligt. Von 1500 europaweit beantragten Patenten auf Pflanzen wurden 1000 erteilt. Und seit 1998 gibt es bereits 300 Patente auf menschliche Gene, darunter ein Brustkrebs-Gen, das Ärzten und Forschern jetzt nur noch gegen Zahlung von hohen Gebühren zur Verfügung steht. Nicht gerade rosige Aussichten für die Kämpfer gegen Biopiraterie. Dennoch ist der thailändische Farmer Thong Law mit seiner Protestrundreise durch Deutschland zufrieden.

    "Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Leute zu unseren Vorträgen kommen würden, sagt Thong Law. Doch es interessieren sich tatsächlich viele Menschen für das Thema. Ich hoffe, dass das unserem Kampf nützlich ist." Auch "Save the Rice"-Kampagnensprecher Karsten Wolff hat Hoffnung.

    "Ich denk mal, was auch ein Erfolg der Reise war, dass Thong Laws Fall unter anderem auch letzte Woche bei der Aussprache über den CDU-Antrag über grüne Gentechnik im Deutschen Bundestag vorgebracht wurde. Und auch exemplarisch vorgebracht wurde, dafür, dass grüne Gentechnik eigentlich nicht die Lösung für das Welthungerproblem darstellt."