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Biosphärenreservat
Herbizide in Bio-Fenchel

Ein erstaunlicher Befund sorgt in der Bio-Szene für Unruhe: In Bio-Fenchel aus dem Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin fanden sich Spuren von Herbiziden. Dabei ist Schorfheide-Chorin das größte zusammenhängende Ökolandbaugebiet in Europa. Dort ist alles Bio. Woher kommen also die Umweltgifte?

Von Ernst-Ludwig von Aster | 28.10.2015
    Biobauer Stefan Palme in seinem Körnerfenchel-Feld.
    Biobauer Stefan Palme in seinem Körnerfenchel-Feld. (Deutschlandradio / Ernst-Ludwig von Aster)
    "Das ist also eine Dolde, etwa einen Meter, 1,50 bis zwei Meter hoch, treibt immer wieder aus diesem Wurzelstock aus."
    Stefan Palme steht in seinem Fenchelfeld, greift eine Blüte, pult einige Körner heraus, zerreibt sie zwischen den Fingern. Ein süßlicher Geruch dringt in die Nase.
    "Wir befinden uns hier im Biosphärenreservat Schorfheide Chorin, mit einem sehr hohen Anteil von ökologisch wirtschaftenden Betrieben. Wir haben hier so ein Band von insgesamt zwölf Betrieben, die in der Nachbarschaft zusammenliegen."
    Alles Bio. Auf insgesamt 10.000 Hektar. Das größte zusammenhängende ökologische Anbaugebiet Europas. Ein perfekter Standort auch für Körnerfenchel, dachte Palme. Bio- und Kindertee-Hersteller bestehen auf rückstandsfreier Rohware. Mit den sogenannten Sonderkulturen lässt sich gut Geld verdienen. Kalkulierte der Biolandwirt. Bis eine Lieferung zurückkam.
    "Der Kunde hat eine Rückstandsanalyse gemacht und er hat eben Rückstände festgestellt Pendimethalin und Prosulfocarb, also zwei Herbizide."
    Rundum nur Biobauern
    Pflanzenschutzmittel im Bio-Fenchel. Eine Belastung knapp unter dem gesetzlichen Grenzwert. An eine Vermarktung als Bio- oder Kindertee ist nicht mehr zu denken. Ein herber Verlust für den Landwirt. Und ein Rätsel.. Denn rund um seine Felder arbeiten nur Biobauern. Da gibt es keine Herbizide. Palme informiert die Aufsichtsbehörden, der Fall landet beim Brandenburger Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz auf dem Schreibtisch von Rudolf Vögel.
    "Pendimethalin ist ein lange bekanntes, relativ altes Herbizid aus den Entwicklungen der frühen 80er-Jahre, ich kenne das aus meiner Studienzeit."
    Der Wirkstoff gehört zu den Top 10 der in Deutschland verkauften Pflanzenschutzmittel. Vor allem im Herbst und Spätherbst kommt er auf den Feldern vieler konventioneller Landwirte zum Einsatz. Eine Verbreitung über das bespritzte Feld hinaus ist theoretisch möglich.
    "Wir reden fachlich von Abdriften, wenn es um Entfernungsdimensionen von bis zu 50 Meter geht."
    Ein Sicherheitsabstand von 50 Metern soll daher reichen, um den Wirkstoff von benachbarten Feldern fernzuhalten. Doch von Palmes Fenchelfeld ist der nächste konventionelle Bauer mehr als einen Kilometer entfernt. Vögel und seine Kollegen beginnen zu recherchieren.
    "Es hat mich auch etwas überrascht, wie ich im Rahmen dieser Arbeitsrecherchen darüber informiert wurde, das man sicherlich aus Kostengründen einfach auf ein Monitoring solcher Stoffe generell verzichtet hatte."
    Das Gift kommt aus der Luft
    Seit 2003 wird die Luft in Deutschland nicht mehr auf den Stoff überprüft. Das ist eine Überraschung. Eine andere: Immer wieder gab es auch unerklärliche Pendimethalin-Funde im Grünkohl. Nur das sich bisher kaum jemand für die Belastung interessierte. Das Brandenburger Landesamt startet schließlich eine eigene Untersuchung. Und lässt weiträumig die Herbizid-Verbreitung analysieren. In der Luft, in Baumrinden. Und in Fenchel- und Grünkohlproben. Ergebnis:
    "Es war eine allgemeine regionale Belastung. Wir müssen davon ausgehen, dass das gesamte Gebiet der Bundesrepublik dabei wirkstoffrelevant ist. Sie werden das überall nachweisen können, messen können."
    Vor einer "wesentlichen und weiträumigen Belastung" warnen die Studien-Autoren. Ihre Schlussfolgerung: Das Herbizid wird kilometerweit durch die Luft transportiert. Ein 50-Meter Sicherheitsabstand bietet keinen ausreichenden Schutz. Rudolf Vögel schüttelt den Kopf."
    "Wir haben über das Gutachten die zuständigen Bundesbehörden, das ist also im wesentlichen das Umweltbundesamt und das BVL und das Bundesamt für Verbraucherschutz und Landwirtschaft informiert ..."
    Das Mittel ist ordnungsgemäß zugelassen, den Landesbehörden sind die Hände gebunden. Etliche Biobauern gehen mittlerweile auf Nummer sicher. Vögel hat beobachtet, "dass vielfach Landwirte im weiteren Bundesgebiet aus diesen Erfahrungswerten heraus inzwischen aus Eigenschutzgründen auf den Anbau verzichten, weil sie den Anbau für unsicher, für problematisch und nicht beherrschbar halten."
    Die Fernwirkung eines Herbizids verändert so das Anbauverhalten der Bio-Landwirte.
    "In der Konsequenz müssen sie davon ausgehen, dass damit interessante auch hochpreisige Sonderkulturen für Deutschland in der Tendenz als nicht anbaufähig gelten. Und das ist dann schon sehr traurig."