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Radio und Propaganda
Chinas globale Radiopläne

Trotz des wirtschaftlichen Fortschritts nimmt die Zensur in China immer weiter zu. Und jetzt nimmt die Führung in Peking auch das Ausland ins Visier: Mit einem schlagkräftigen Auslandssender, der die Botschaft der Partei in mehreren Sprachen in die Welt tragen soll.

von Markus Pfalzgraf | 01.05.2018
    Der chinesische Staatspräsident hebt den Zeigefinger auf einer Pressekonferenz in Berlin.
    Aufgepasst: Mit einer großen Medienoffensive plant China seine Sicht nach außen zu tragen (dpa/picture-alliance/ Hannibal Hanschke)
    Nachrichten im Radio - ein Taxi im dichten Pekinger Verkehr ist einer der wenigen Orte, an denen man in China noch Radio hört. Der Journalist Li Datong meint:

    "Das Radio ist tot in den großen Städten. Niemand hört mehr Radio, außer beim Autofahren. Warum sollte man es auch sonst hören? Aber in abgelegenen Gegenden, wo es immer noch kein Fernsehen gibt, da hört man vielleicht noch Radio als einzige Form der Unterhaltung."

    Unterhaltung also, eher wenig Information. Vielleicht noch mehr als in westlichen Ländern dudelt das Radio so vor sich hin. Die Nachrichten, die es gibt, sind natürlich staatlich kontrolliert. Und ähnlich wie bei seiner Wirtschaftspolitik will China jetzt auch seine Sicht der Welt nach außen tragen.
    Neuer globaler Anspruch von Chinas Medien
    Im Jahr 1976 war das Nationale Radio noch sehr nach innen gerichtet. Damals wurden Gedichte des Großen Vorsitzenden Mao vorgetragen. Heute meldet sich dieselbe Welle aus Peking schon jetzt als Voice of China, als Stimme Chinas. Denn das Nationale Radio soll zusammen mit dem bisherigen chinesischen Auslandsradio und dem staatlichen Fernsehen zu einer schlagkräftigen Einheit verschmolzen werden - mit 14.000 Beschäftigten. Sie sollen ganz offiziell die Direktiven und Prinzipien der Partei propagieren, und positive Geschichen über China erzählen - in dutzenden Sprachen, mit großen Büros in Washington oder Nairobi. Allein dort arbeiten rund hundert Menschen. Der Fernsehkanal firmiert jetzt unter CGTN - China Global Television Network.

    Der US- Professor Joshua Eisenman von der Universität von Texas in Austin chrakterisierte kürzlich bei einem Vortrag in Shanghai die chinesischen Fernsehnachrichten so: Man sieht immer erst Präsident Xi beim Händeschütteln mit einem ausländischen Staatsgast, dann einen Bericht, warum Amerika schlecht ist, und dann: warum China großartig ist.

    Der neue globale Anspruch des chinesischen Fernsehens wird auch im Netz unterstrichen, mit einer schicken App von CGTN. Nutzerfreundlich mit Text, Bild und ständigen Push-Mitteilungen, die auf Live-Übertragungen hinweisen - mit politischen Treffen, Militärübungen oder Hochglanzbildern von schönen Landschaften. Aber nicht nur der Staat, sondern auch seine Kritker verlagern ihre Tätigkeit ins Netz.
    "Richtige Nachrichten bekommt man in den Sozialen Medien"
    Li Datong will sich nur telefonisch befragen lassen. Der frühere Zeitungsjournalist ist frustriert vom jahrelangen, zermürbenden Kampf um die Meinungsfreiheit, der für ihn spätestens bei der Revolte 1989 begann, als er nach einer Unterschriftensammlung Berufsverbot erhielt. Später durfte er wieder schreiben, geriet aber immer wieder mit der staatlichen Zensur aneinander. Heute schreibt Li Datong für den profilierten britischen Blog openDemocracy.

    "Die einzigen richtigen Nachrichten bekommt man in den Sozialen Medien. Solche Nachrichten finden in den öffentlichen Medien nicht mehr statt, nur noch auf privaten Kanälen. Wenn Du halbwegs authentische Informationen willst, musst Du WeChat oder vielleicht Weibo nutzen. Da gibt es noch Leute, die wahrheitsgemäß berichten."

    Die Sozialen Medien als einziges Gegengewicht gegen die Staatspropaganda: Der Kurznachrichtendienst Weibo funktioniert ähnlich wie Twitter, und WeChat ist ein bisschen wie Facebook und viel mehr - aber auch hier nimmt die Kontrolle und die Zensur zu. Unliebsame Diskussionen, Hashtags oder Posts verschwinden innerhalb weniger Tage oder sogar Stunden - und sind dann blockiert. Ein Heer von Zensoren oder Algorithmen muss da am Werk sein.
    Partei und Präsident haben Medien fest im Griff
    Wer verbotene Inhalte teilt, kann sogar verhaftet werden, beklagt die Organisation Reporter ohne Grenzen. In ihrem aktuellen Bericht zur Pressefreiheit heißt es, dass in China mehr als 50 Journalisten und Blogger wegen ihrer Arbeit im Gefängnis sitzen. Der prominente kritische Journalist Li Datong fühlt sich dauerhaft bedroht und überwacht.

    "Es gibt hier keine Pressefreiheit. Alles ist komplett unter der Kontrolle der Regierung. Die Situation wird jedes Jahr schlimmer. Wir sind jetzt am Tiefpunkt angelangt. Seit der Öffnung und Reformpolitik der späten 70er Jahre war es noch nie so schlimm!"

    Für Li Datong wäre der einzige Ausweg ein Zusammenbruch der Diktatur, wie er es ausdrückt. Doch die Partei und der Präsident haben das Land und die Medien fest im Griff.