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Blauhemden als Kampfreserve für die SED

Die Blauhemden der FDJ, der Freien Deutschen Jugend, waren in der DRR allgegenwärtig. Zwar war die Mitgliedschaft laut Statut "freiwillig", aber jeder wusste, dass nichtorganisierte Jugendliche mit etlichen Benachteiligungen rechnen mussten. Und so waren schließlich mehr als drei Viertel aller Jugendlichen zwischen 14 und 25 Jahren in der FDJ organisiert. Am 7. März vor 60 Jahren wurde die FDJ gegründet.

Von Sylvia Conradt |
    März 1946. Im Staatstheater Schwerin sind Jugenddelegationen, Vertreter der sowjetischen Militärverwaltung, Parteien und Kirchen zu einer Großkundgebung zusammengekommen. Waldemar Borde, Vorsitzender des Landesjugendausschusses Mecklenburg-Vorpommern.

    "Schon bald nach dem Zusammenbruch des Hitlerreiches wurde uns gestattet, eine antifaschistische demokratische Jugendarbeit bei den Stadtverwaltungen zu leisten. Die sowjetische Administration hat uns nunmehr gestattet, die überparteiliche, demokratische Freie Deutsche Jugend aufzubauen. "

    Am 7. März 1946 wurde die Freie Deutsche Jugend, FDJ, in der sowjetischen Besatzungszone gegründet. Der einzige zugelassene Jugendverband verstand sich als überparteilich und demokratisch, offen für Jugendliche aller weltanschaulichen und politischen Richtungen. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Vertreter aller Parteien und der Kirchen, die auch in den Führungsgremien saßen.

    Nach Faschismus, Krieg, Hunger und Not wollte man ein neues, besseres Deutschland aufbauen. Der Erziehung und Förderung der Jugend galt dabei das Hauptaugenmerk.

    Das I. "Parlament der FDJ", die zentrale Delegiertenkonferenz, tagte Pfingsten 1946 in Brandenburg an der Havel. Die Teilnehmer proklamierten die "Grundrechte der jungen Generation": ihre Beteiligung am politischen Leben, die Herabsetzung des Wahlalters auf 18 Jahre, das Recht auf Arbeit, Erholung und Bildung.

    Noch wurde jeder Bezug auf die wenige Wochen zuvor gegründete Sozialistische Einheitspartei Deutschlands vermieden. Aber wenig später machte die SED ihren ideologisch-politischen Führungsanspruch in der Jugendorganisation geltend. Der 78-jährige Hans Modrow, 1989/90 für kurze Zeit Ministerpräsident der DDR, war 1949 in die FDJ eingetreten:

    "Zu dem Zeitpunkt ist die FDJ auch nur zu verstehen, wenn man sie als gesamtdeutsch und nicht nur auf die sowjetische Zone bezogen betrachtet. Denn die FDJ ist immer, gerade in der Zeit des Kalten Krieges, auch ein Gegenstand ständiger Auseinandersetzung zwischen Ost und West. Und umso mehr ging natürlich auch das Bemühen in der SED vor sich, diese FDJ zu ihrer Kampforganisation zu entwickeln und zu gestalten.

    Ich denke, stärker setzt das 1949 ein, wo die Partei neuen Typus’ sich herausbildet und entwickelt wird, und wo nun die SED erwartet, dass die FDJ ihre Kampfreserve, wie es ja auch später im Statut heißt, wird."

    "Wir geloben, dieses und unser aller Haus zu hüten und vor den Anschlägen der Kriegsbrandstifter und Zerstörer unserer Einheit zu schützen." Erich Honecker, seit Gründung der FDJ Erster Sekretär des Zentralrats, im Oktober 1949.

    (Chor)"Bau auf, bau auf, bau auf, bau auf,
    Freie Deutsche Jugend, bau auf,
    Für eine bessr'e Zukunft
    richten wir die Heimat auf."

    Laut Statut war die Mitgliedschaft in der FDJ freiwillig, aber wer nicht organisiert war, musste mit schulischen und beruflichen Benachteiligungen rechnen. In Zusammenarbeit mit Pionierorganisation, Schule, Eltern und "Werktätigen" sollten die Heranwachsenden unter Leitung der FDJ zu jungen Sozialisten erzogen werden. Und so begleitete der Jugendverband die 14- bis 25-Jährigen nicht nur im Schul- oder Studienalltag, sondern war auch in der Freizeit präsent.

    FDJler organisierten Sportwettkämpfe, leiteten Singe- und Jugendklubs, Ferienlager und Massenfestivitäten wie das Pfingsttreffen, die Weltfestspiele der Jugend und Studenten, das Deutschlandtreffen und das Festival des politischen Liedes. Ob Freizeitangebote, sozialistischer Wettbewerb, Schülerkollektive oder Jugendobjekte – die FDJler in ihren Blauhemden waren in der gesamten Republik allgegenwärtig.

    Hans Modrow: "Wer heute in Berlin in Schönefeld abfliegt, der weiß nicht, dass die Piste mal unser Jugendobjekt war. Ich selber habe da draußen, wie wir es damals nannten, unsere Subotniks gemacht, und manches ist natürlich auch dadurch preiswerter gebaut worden, weil nicht wenig freiwillige Stunden dahinter standen, die Tausende junger Leute aus Berlin beim Aufbau dieses Flughafens vollbracht haben."

    Mehr als zwei Millionen Mitglieder zählte der Jugendverband in den 80er Jahren. Zum 40. Jahrestag der DDR marschierten FDJler zum letzten Mal jubelnd an der Ehrentribüne der Partei- und Staatsführung vorbei. Nach der Wende versank die Jugendorganisation in der Bedeutungslosigkeit.