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Bling-Bling statt Bildung

Jetzt also auch Berlin. Aus anderen Städten kannte man die erst schleichende und dann irgendwann galoppierende Entwertung der Museumsbuchhandlungen schon länger. Wo es früher Bildbände und Bücher gab, machen sich inzwischen Talmi und Tand breit. Salatschüsseln und Kinderspielzeug werden dort angeboten, Plastikschmuck und aufblasbare Kissen.

Stefan Koldehoff | 21.05.2013
    Queen Elizabeth kann man in Museen inzwischen kaufen – als winkendes Plastikpüppchen, das von einer Solarzelle in der Handtasche angetrieben wird. Und Gustav Klimts Motiv "Der Kuss" natürlich - in allen nur erdenklichen Varianten: als Tasse und als Halstuch, als Kugelschreiber und als Regenschirm, als Mousepad und als Klebeetikett für Aktenordner.

    Das Copyright ist nach 70 Jahren abgelaufen, und die Erben wehren sich nicht, sondern kassieren mit. Wer im Van Gogh-Museum versucht, eines der Standardwerke über den Maler zu finden, wird ebenfalls enttäuscht. Stattdessen auch hier: Bleistifte und Mobiles, sonnenblumengelbe Handtaschen und Kaleidoskope. Schöne bunte Bilderwelt.

    Jetzt also auch in Berlin. Dort hat die "Stiftung Preußischer Kulturbesitz" – zuständig für 13 Shops unter anderem in der Nationalgalerie und auf der übrigen Museumsinsel – beschlossen, die Händler aus dem Tempel zu vertreiben. Nur die Buchhändler allerdings, die bislang die Museumsshops pachten und dort vor allem das tun konnten, was man von Buchhändlern erwartet: Bücher verkaufen.

    Angesehene und traditionsreiche Firmen wie König, Wasmuth, Spangenberg und Appel flogen raus. Statt ihrer wird nun um neue Händler geworben – um andere. In einem – Achtung, Marketing! -"Interessensbekundungsverfahren", das ein großes Wirtschaftsberatungsunternehmen begleitet.

    Finden will man einen Generalunternehmer, der nicht nur die bislang 13 Läden in den Museen der Stiftung betreiben, sondern auch einen Online-Shop aufbauen, ein umfangreiches Merchandising-Programm unter der Dachmarke der Staatlichen Museen entwickeln und neue Vertriebswege für die Produkte erschließen soll - etwa mit Filialen in Flughäfen oder über Kaufhaus-Kooperationen.

    Vorgemacht haben das, wie so oft, Museen in den USA. Dort allerdings sind die Shops in der Regel so groß, dass neben allem Schnickschnack auch für Bücher noch ausreichend Platz übrig bleibt.

    In Berlin ist davon, von Büchern, nicht mehr unmittelbar die Rede – dafür aber von einer Gesamtfläche von 1.000 Quadratmetern und rund fünf Millionen Euro Umsatz im Jahr 2010. Die könnten sich, so wohl die Hoffnung angesichts stagnierender öffentlicher Subventionen, sicherlich noch steigern lassen - um mehr Eigenmittel zu erwirtschaften.

    Notfalls eben auch mit Klimts "Kuss" und Elizabeth II., auch wenn beide mit Berlin nicht viel zu tun haben.

    Andererseits: Tankstellen machen auch nur noch einen kleinen Teil ihres Umsatzes mit Treibstoff. Kaffeeröster-Filialen erwirtschaften nur wenige Prozent ihres Gewinns mit braunen Bohnen - geröstet oder gemahlen. Und auch in den Buchhandlungen außerhalb von Museen nehmen die so genannten "Non-Books" - also Spiele und DVDs, Notizbücher und Stifte, Plüschtiere und Armbanduhren - immer breiteren Raum ein.

    Und das bei weitem nicht nur in den Kinderbuchabteilungen. Da ist es eigentlich nur konsequent, wenn auch die ehemaligen Museumsbuchhandlungen nachziehen und sich in einem Akt freiwilliger Kultur-Travestie in Shops verwandeln – die mit Kultur nur noch sehr am Rande etwas zu tun haben.