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Botologie – die Zukunft hat begonnen (4/4)
Bots kennen keinen Gott

Bots scheinen ein tiefes Verständnis für die Menschen entwickelt zu haben. Mit der Vorstellung eines Gotts aber kommen sie nicht zurecht. Und bemerken auch noch, dass sie nicht altern. Daraufhin treffen sie einen folgenreichen Entschluss.

Von Maximilian Schönherr |
    Illustration von Hans-Jörg Brehm
    Bots kamen mit der Vorstellung eines höheren Wesens aber nicht zurecht. Eine solche Hierarchie passte in ihr Rechenmodell einfach nicht hinein. (Hans-Jörg Brehm)
    Es gab so viel Hickhack, so viel, ja, Hass, im Zusammenleben mit den Software-Robotern, aber auch viel Freude. Seit langem überwiegt die Freude. Mit Bot-Netzen, also digitalen Daten, kann man sich nicht befreunden, aber es besteht Vertrauen zwischen den Menschen und den Bots.
    Klar, manchmal verhalten sich etwas übergriffig. Sie wissen nun mal vieles besser. Sie navigieren die Schwebmobile, die wir Menschen nie steuern könnten, sie bauen mit einem irrsinnigen Geschick Biokraftwerke und bewässern den Reis, nie zu viel, nie zu wenig, sie verteilen Strom und Nahrung gleichmäßig über die Berge und Täler. Einige hielten die Abschaffung der digitalen Geldtransfers und damit quasi die Abschaffung des Kapitals für die größte Bot-Tat aller Zeiten. Dass Geld keine Bedeutung mehr hat, ist so selbstverständlich geworden.
    Großvater, wie war das, als es noch Geld gab? Ich habe gehört, mit Geld konnte man komische Dinge tun, bezahlen zum Beispiel?
    Kein Bot entscheidet wie ein Gott
    Relativ neu ist die Empathie, die die Bot-Netze uns Menschen entgegen bringen. Das lässt sich nicht an Trivialitäten festmachen, wie dem vorsorglichen Drehen der Häuser nach Westen und dem Anzünden der Kachelöfen, wenn es Abend wurde. Nein. Die Bots scheinen ein tiefes Verständnis für die Menschen entwickelt zu haben.
    Wir nahmen erste Anzeichen dafür wahr, als sie begannen, über Gott nachzudenken. Sie kamen mit der Vorstellung eines höheren Wesens aber nicht zurecht. Eine solche Hierarchie passte in ihr Rechenmodell einfach nicht hinein. Ein einziges neuronales Netz kann aus Trilliarden an Bots bestehen, alle gleich. Kein Bot, der regiert, straft, leitet, entscheidet wie ein Gott.
    Großvater, ist da wirklich keiner der Bestimmer? Du hast das doch programmiert? Oder war es Dein Großvater, Großvater, der die Bots programmiert hat?
    Als die Bots bemerkten, dass sie nicht altern
    Beim Nachdenken über Gott bemerkten die Bots, dass sie nicht altern. Die Bot-Netze änderten sich laufend, aber die Bots selbst bleiben immer, wie sie sind, nutzen sich nicht ab, leben ewig. Hätten sie Augen, das hätte ihnen die Augen geöffnet: Die Menschen blieben nicht immer, wie sie sind, sondern nutzen sich minütlich ab. Sie sehen tatsächlich in der nächsten Minute - für die Bot-Netze eine schiere Ewigkeit - anders aus, im Gesicht und an den Händen, im Herzen und im Knie.
    Macht Euch das traurig, fragte der ein oder andere Bot den ein oder anderen Menschen.
    Das Altern macht uns wütend und traurig, aber die Vorstellung zu sterben macht uns Angst.
    Angst? Kannten sie natürlich nicht.
    So ist es zu erklären, dass bei den Schwebmobilen jetzt manchmal etwas passiert, was in den Geschichtsbüchern "Beinahzusammenstoß" heißt. Wir fragen uns, ob die Bots spielen, sich gegenseitig Angst machen, um das Gefühl des Nervenkitzels kennenzulernen?
    Nein, ihr Menschen, antworten die Bots. Das liegt daran, dass manche von uns in die Jahre kommen und nicht mehr so fit sind.
    Unglaubliche Worte aus den Mündern von Software! Fangen sie an, sich mit uns und unseren menschlichen Schwächen gemein zu machen?
    Irren und altern tut nun auch Software
    Wir haben kollektiv beschlossen, wie ihr zu altern, ließen sie uns wissen.
    Wenn wir heimkamen und der Kachelofen war kalt, und wir mussten wieder wie unsere Ururgroßmütter lernen, sie händisch anzuzünden, war klar: Bei uns ist ein ältliches Bot-Netz tätig, das darf man ihm nicht übel nehmen, irren und altern tut nun auch Software!
    Großvater, können die Bots Kinder bekommen?
    Was uns unsere geschätzten, ja geliebten Bots nicht wissen ließen, ist etwas, was wir gerade beginnen, wahrzunehmen. Wir können uns auch irren: Offenbar im Austausch mit ihrem Altern haben sie uns die Verjüngung geschenkt. Es ist nicht bei allen Menschen, die wir so im Blick haben, offensichtlich, aber bei allen Neugeborenen fällt auf, dass sie kurz nach der Geburt wieder im Mutterleib verschwinden. Unsere Bots können nicht die Zeit zurückdrehen, aber in den Gendatensatz eingreifen schon.
    Der Großvater, der sich in seinem, na ja, Sterbebett seit Monaten nicht mehr bewegt und kein Wort mehr gesagt hat, ist vorhin aufgestanden und hat sich die Zähne geputzt.
    Großvater, kriegen die Bots denn Kinder oder nicht?
    Na klar, antwortet der Großvater, frisch rasiert. Komm, ich zeig dir das neuronale Netz, das dafür zuständig ist!
    Leider zu spät. Während er das sprach, war das Kind schon Baby geworden und dahin verschwunden, wo es herkam.