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Britischer Atomreaktor
Greenpeace klagt wegen unzulässiger Subventionen

31 Milliarden Euro soll der neue Atomreaktor Hinkley Point C an der englischen Südwestküste kosten. Rund 22 Milliarden Beihilfen kommen dabei von staatlicher Seite - abgesegnet durch die EU-Kommission. Der Ökostromanbieter Greenpeace Energy befürchtet Wettbewerbsnachteile und klagt nun gegen die Subventionen.

Von Anja Nehls | 12.12.2016
    Eine Brachfläche mit einem Warnschild, das einen Bagger und auf englisch den Text "Vorsicht! Planierarbeiten" zeigt
    Der Ort, an dem das Atomkraftwerk Hinkley Point C gebaut werden soll. (AFP / Justin Tallis)
    Der Atomreaktor Hinkley Point C soll an der Südwestküste Englands entstehen, ein Projekt, das insgesamt 31 Milliarden Euro kosten soll. Der Ökostromanbieter Greenpeace Energy wehrt sich dagegen, nicht nur wegen des Risikos, das der Betrieb eines Atomkraftwerkes generell mit sich bringt, sondern hier geht es vor allem um die Art und Weise diesen neuen Reaktor zu finanzieren, sagt Sönke Tangermann von Greenpeace Energy.
    "Dort hat der britische Staat den zukünftigen Betreibern garantiert, dass sie eine Vergütung bekommen, die mehr als das Dreifach des Marktpreises ist. Sie wird über zwölf EuroCent umgerechnet die Kilowattstunde liegen, und zwar auch egal wann dieses Kraftwerk liefert, egal wie die Marktlage ist, es wird immer über zwölf EuroCent pro Kilowattstunden bekommen."
    Erhebliche wirtschaftliche Nachteile befürchtet
    Dazu kommen ein jährlicher Inflationsausgleich und eine staatliche Kreditgarantie für sämtliche Darlehen. Macht insgesamt circa 22 Milliarden Euro Beihilfen, hat Greenpeace Energy ausgerechnet. Dieser Konstruktion hatte die EU-Kommission zugestimmt – und darin sieht Greenpeace Energy für sich erhebliche wirtschaftliche Nachteile.
    Weil Europa durch Stromleitungen vernetzt ist, fließe dann nämlich massenhaft hoch subventionierter Atomstrom auch nach Deutschland und drücke die Börsenstrompreise nach unten.
    Und letztendlich würde dann irgendwann auch wieder die EEG-Umlage, also Ökostrom-Umlage steigen, mit der die Differenzen zwischen dem Marktpreis und dem Ökostrompreis ausgeglichen werden soll – und das zahlt dann auch der einzelne Stromkunde.
    Noch schlimmer findet Tangermann, dass staatlichen Beihilfen wie für Hinkley Point dann auch für alle möglichen anderen Atomprojekte in Europa wie Ungarn, Tschechien, Frankreich und Polen in Anspruch genommen werden könnten.
    Dass man sich in Zukunft auf Stromimporte aus den Nachbarländern verlassen will, stehe sogar im Zukunftspapier Strom 2030 der Bundesregierung, kritisiert Tangermann – und das vor dem Hintergrund dessen, dass in Deutschland langfristig komplett auf Strom aus erneuerbaren Energien umgestellt werden soll und der Atomausstieg 2022 beschlossen ist:
    "Denken wir die Energiewende wirklich zu Ende und setzen wir auf 100 Prozent erneuerbare Energien oder höhlen wir unseren eigenen Atomausstieg letztendlich aus, indem wir die Restmengen, die wir nicht aus eigenen erneuerbaren Energien decken, durch ausländische Atomkraftwerke, die ja teilweise direkt an den deutschen Grenzen stehen, decken.
    Und das bedeutet, dass wir zwar formal aus der Atomenergie aussteigen aber inhaltlich eigentlich weiter von der Atomenergie leben, teilweise zumindest – und auch die Risiken abbekommen."
    Rechtliche Frage bisher ungeklärt
    Die rechtliche Frage ist also: Wird sich die EU-Kommission gegen staatliche Beihilfen für den Bau neuer Atomkraftwerke wenden oder nicht. Greenpeace Energy ist das einzige Energieunternehmen, das gegen dieses Vorhaben klagt. Das Land Österreich klagt ebenfalls, die Bundesrepublik Deutschland hingegen nicht.
    Rechtsanwalt Sascha Michaels für Greenpeace Energy ist optimistisch:
    "Wichtige Argumente sind hier, dass wir der Auffassung sind, dass immer ein Marktversagen ist. Und wenn man nach 40 oder 50 Jahren immer noch der Meinung ist, dass die Atomkraft ohne eigene wirtschaftliche Tragfähigkeit nicht funktioniert, dann ist das eigentlich keine Technologie, mit der man im 21. Jahrhundert jetzt die Energieversorgung sicherstellen kann."
    Auch die erneuerbaren Energien seine zwar noch auf Fördersysteme angewiesen, hätten weit bessere Aussichten, sich später auch alleine zu tragen.
    Jetzt geht es mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erst einmal darum, dass die zunächst abgewiesene Klage eine Instanz niedriger überhaupt zugelassen wird.
    Weil solange für die Investoren keine Rechtssicherheit besteht, wird sich wohl der Bau von Hinkley Point C vermutlich erst einmal verzögern. Eigentlich sollte der Reaktor 2023 ans Netz gehen.