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Budgetproblem ist "dramatisch geworden"

US-Präsident Barack Obama verlangt die Einigung im Schuldenstreit. Dem Land droht die Zahlungsunfähigkeit. Das würde nicht nur innenpolitisch enorme Schwierigkeiten bereiten, sondern auch zu gewaltigen Störungen an den internationalen Finanzmärkten führen, sagt der Ökonom Rolf Peffekoven.

Rolf Peffekoven im Gesrpäch mit Jürgen Zurheided | 16.07.2011
    Jürgen Zurheide: Die Amerikaner ringen mit ihrem Haushalt, sie kämpfen gegen die Schuldengrenze, aber der Kampf ist außerordentlich schwierig. Und so etwas Ähnliches findet auch in Europa statt, es gibt demnächst einen Sondergipfel, wo wieder einmal der Euro gerettet werden soll – man fragt sich, das wievielte Mal in kurzer Zeit das eigentlich ist. Was passiert da eigentlich in der Weltwirtschaft, welche Auswirkungen haben diese Irritationen an den Finanzmärkten? Darüber wollen wir reden, und ich begrüße dazu am Telefon Rolf Peffekoven, Ökonom und früheres Mitglied des Sachverständigenrates. Guten Morgen, Herr Peffekoven!

    Rolf Peffekoven: Guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Herr Peffekoven, wenn man sich das anschaut, was da in Amerika passiert, jetzt mal jenseits der Inhalte zunächst mal die Frage: dieses öffentliche Theater, das diskreditiert doch eigentlich Politik, und die Frage lautet: Kann man so eine Industriemacht, die führende, regieren?

    Peffekoven: Das diskreditiert vor allen Dingen dann die Politik, wenn es jetzt nicht in den nächsten Tagen – und das müsste wahrscheinlich schon morgen, übermorgen sein – nicht zu einer Lösung kommt. Und ich gehe auch vorerst davon aus, dass es eine Lösung gibt, denn Amerika wird sich gar nicht leisten können, in die Situation der Zahlungsunfähigkeit zu kommen. Das würde nicht nur innenpolitisch enorme Schwierigkeiten bereiten, sondern das würde eben auch zu gewaltigen Störungen an den internationalen Finanzmärkten führen.

    Zurheide: Das dürfen Sie ruhig noch genauer erklären. Was erwarten Sie, steigende Zinsen unter anderem oder was noch?

    Peffekoven: Ich gehe ja wie gesagt davon aus, dass man eine Lösung finden wird, dann wird das heißen, man wird in Amerika das Budget sanieren in dem Sinne, dass man entweder Steuern erhöht oder Ausgaben kürzt, wahrscheinlich wird im politischen Kompromiss beides machen. Das würde das Problem im Augenblick dann vertagen, aber es müsste eigentlich eine Lösung gefunden werden, die die grundsätzlichen Budgetprobleme in Amerika für die nächsten zehn Jahre etwa lösen wird, und das wäre dann eben ein striktes Konsolidierungsprogramm, das wäre das, was passieren müsste. Dann würden die Finanzmärkte davon auch weitgehend unbeeinträchtigt bleiben. Wenn es dazu nicht kommt, dann wird Amerika möglicherweise als Erstes seine Einstufung mit dem Triple-A verlieren – das haben die Ratingagenturen schon angekündigt –, und das würde für Amerika heißen, dass sie sich, die Staaten nur noch zu höheren Zinsen verschulden kann, und das würde die Budgetproblematik ja nur noch verschlimmern.

    Zurheide: Die Ratingagenturen reagieren eher zurückhaltend bisher, aber immerhin sagen sie ja auch inzwischen, wenn wir unser Rating herabsetzen, hat das nicht in erster Linie mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu tun, wohl aber mit der politischen Unfähigkeit, dass das System eine richtige Mischung aus dem schafft, was Sie da gerade angesprochen haben, nämlich auf der einen Seite die Ausgaben zu reduzieren und vielleicht auch manche Einnahmen bei den Vermögenden über Steuern zu erhöhen. Ist das eigentlich der Kernpunkt oder das Kernproblem?

    Peffekoven: Das ist das Kernproblem in Amerika, man wird nicht sagen können, dass die amerikanische Wirtschaft grundsätzlich nicht mehr wettbewerbsfähig oder nicht mehr Leistungsfähigkeit vorweisen würde – das ist übrigens der wesentliche Unterschied etwa zu dem Fall Griechenland –, aber die Amerikaner werden schon das Budgetproblem lösen müssen, denn auch in Zahlen ist es nun inzwischen dramatisch geworden. Der Schuldenstand macht inzwischen 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zur Erinnerung: Wir streben innerhalb der Europäischen Union eine Schuldenstandsquote von höchstens 60 Prozent an, die Amerikaner haben 100 Prozent. Und auch die jährliche Defizitquote ist ja inzwischen auf 9,2 Prozent gestiegen – wieder zum Vergleich, in Europa gilt die Norm von drei Prozent. Das sind schon dramatische Haushaltsprobleme, die haben sich auch nicht von heute auf morgen eingestellt, die sind über die letzten Jahre so aufgebaut worden, und hier muss quasi der Schnitt gemacht werden, und der kann nur heißen, ein Konsolidierungsprogramm mit Einnahmenerhöhungen und Ausgabenkürzungen. Der Finanzminister hat ja selbst zu bedenken gegeben, dass das Problem nur zu lösen ist, wenn die amerikanische Volkswirtschaft in den nächsten Jahren, zehn, 20 Jahren, nicht neun Prozent Defizitquote hat, sondern nur drei Prozent Defizitquote, und davon ist sie eben weit entfernt.

    Zurheide: Jetzt kommen wir noch mal auf die europäische Lage, hier gibt es ja auch, wie ich es gerade schon angesprochen habe, in immer kürzeren Abständen neue Rettungsversuche des Euros, und dann heißt es immer, das ist jetzt der letzte, und dann kommt wieder einer. Jetzt gibt es in der nächsten Woche wieder einen Gipfel, ist das eigentlich Regierungskunst oder was sehen wir da gerade?

    Peffekoven: Das ist meines Erachtens das Ergebnis einer von vornherein verfehlten Politik, denn der Fall Griechenland ist ja nicht nur ein Fall, dass Griechenland ein enorm hohes Defizit hat. Wenn ich hier die entsprechenden Werte jetzt nennen würde, dann ist das eben in Griechenland ja auch inzwischen eine Defizitquote von 9,5 Prozent anstelle von an sich gefordert drei Prozent, und die Staatsschuldenquote liegt bei 157 Prozent, also noch deutlich über dem amerikanischen Wert, vor allen Dingen aber deutlich über den geforderten 60 Prozent. Griechenland hat daneben aber ein Problem, das ist die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. Griechenland hat sich in den letzten Jahren eigentlich von einem zum anderen Markt weg konkurriert, weil sie eben nicht konkurrenz-, wettbewerbsfähig waren. Dagegen helfen nun die Finanztransfers überhaupt nicht. Bei dem Budgetproblem kann man natürlich die Fälligkeit von Schulden, die zurückgezahlt werden können, dadurch ermöglichen, erleichtern, dass man immer wieder Kredit gibt, aber wenn dabei nicht Griechenland tatsächlich die Maßnahmen, die ja parlamentarisch auch nun Gott sei Dank beschlossen sind, wirklich umsetzt, dann ist diese dauernde Zahlerei, das ist ein Zahlen in ein Fass ohne Boden.

    Zurheide: Jetzt heißt es ja immer, wir müssen da mit gemeinsamer Wirtschaftspolitik rauskommen, ich stelle Ihnen allerdings als Ökonom die Frage: Darf man denn Ungleiches gleichbehandeln? Ich komme noch mal auf die Zinsen: Der Euro hat allen die gleichen Zinsen gebracht, aber wie wir sehen, war das wohl nicht unbedingt so richtig, denn die Risiken sind unterschiedlich gewesen. Ist das wirklich ein Postulat, gleiche Wirtschaftspolitik, oder muss man Ungleiches nicht auch ungleich behandeln, das heißt, in dem einen Land ist das richtig, in dem anderen Land ist was anderes richtig?

    Peffekoven: Das tiefere Problem liegt ja darin, dass wir eben mit Griechenland und einigen anderen Ländern Länder in die europäische Währungsgemeinschaft aufgenommen haben, die in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung, auch in dem Potenzial für zukünftige Entwicklung, deutlich unter anderen Ländern, etwa unter Deutschland gelegen haben. Und die Währungsunion nimmt den Ländern zwei ganz wichtige wirtschaftspolitische Instrumente, mit denen man solche Unterschiede normalerweise ausgleichen kann: Das ist die Wechselkurspolitik und die Geldpolitik. Geldpolitik wird einheitlich für alle Länder betrieben, und Wechselkurspolitik kann ein einzelnes Land nicht mehr betreiben, weil es ja keine eigene Währung mehr hat, kann es also im Falle Griechenlands die auch nicht abwerten. Da liegen die eigentlichen Probleme, und wenn dann unterschiedliche Entwicklungen zustande kommen, dann braucht man andere Ausgleichsmechanismen. Das können zum Beispiel auch Unterschiede in den Zinsen sein, aber die früher bestehenden Unterschiede haben sich mit dem Eintritt etwa Griechenlands zur Währungsunion sofort auf das allgemeine Niveau verringert. Deshalb war es ja so attraktiv für Griechenland, immer wieder Kredite aufzunehmen, das war billig, weil eben die Finanzmärkte davon ausgegangen sind, dass solche Probleme, wie sie jetzt entstanden sind, nicht entstehen würden, oder wenn sie entstehen würden, dass dann die übrigen Länder helfend beispringen.

    Zurheide: Genau das wird sich zeigen, und das zeigt, welche Schwierigkeiten wir da haben. Das war Rolf Peffekoven und die schwierige Lage in Amerika und in Europa. Herr Peffekoven, ich bedanke mich für das Gespräch!

    Peffekoven: Danke Ihnen auch, Herr Zurheide!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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