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Bundesweites Monitoring
Inventur bei deutschen Insekten

Das Bundesamt für Naturschutz hat ein umfangreiches Insekten-Monitoring in Auftrag gegeben. So sollen sich belastbare Informationen zu den dramatischen Rückgängen der Populationen ergeben. Stellt sich die Frage: Warum wird diese Inventur erst jetzt gemacht?

Von Joachim Budde | 22.11.2017
    Ein Schmetterling auf einer Blüte
    Ein Schmetterling auf einer Blüte: Der Bestand fliegender Insekten in Deutschland ist dramatisch geschrumpft (imago / Winfried Rothermel)
    Es ist purer Zufall, dass die Nachricht von einem dramatischen Insektensterben mit dem Start eines neuen Insektenmonitorings durch das Bundesamt für Naturschutz zusammenfallen. Denn eigentlich arbeiten Andreas Krüß, Leiter der Abteilung Ökologie und Schutz von Fauna und Flora beim BfN, und seine Kollegen schon länger an einer Inventur der Insektenpopulationen. In der ganzen Bundesrepublik wollen sie Flächen bestimmen, wo die Biodiversität erfasst werden soll.
    Andreas Krüß: "Das heißt, möglichst alle verschiedenen Lebensraumtypen oder Nutzungsbereiche sollten irgendwie adressiert werden, damit man tatsächlich über eine lange Zeit dokumentieren kann, wie sich die Insektenvielfalt auf diesen Probenflächen entwickelt und daraus auch repräsentativ und tatsächlich belastbare Informationen hat zu diesen Rückgängen, zu den Entwicklungen und das auch verschneiden kann mit anderen Informationen. Ändert sich die Landnutzung beispielsweise, ändert sich dann die Insektenbiodiversität? Und in welchem Zusammenhang steht das?"
    "Es geht nicht mal eben aus der Lamäng heraus"
    Naturschützer wünschen sich schon lange ein solches Monitoring, doch erst die "Naturschutz-Offensive 2020", die das Bundesumweltministerium im Jahr 2016 startete, lieferte Andreas Krüß neue Argumente dafür.
    "Sie können sich leicht ausrechnen, wenn Sie so etwas professionell durchführen lassen, dass das Unmengen an Geld kostet, allein schon für wenige Insektengruppen. Und wir haben ja nun eine Fülle von verschiedenen Insektengruppen. Das heißt man muss gucken: Welche Gruppen sind so repräsentativ, dass wir sie erfassen können und trotzdem Aussagen übertragen können für andere Gruppen? Deswegen geht das nicht so mal eben aus der Lamäng heraus. Und wir als BfN müssen dann vom Ministerium natürlich auch das Go kriegen, dass wir auch die Geldmittel dafür haben, sowas dann auch sukzessive anzuschieben."
    Erfahrungen aus einem Vogelmonitoring nutzen
    Das Bundesamt für Naturschutz will bei der Insekten-Inventur Erfahrungen aus einem Vogelmonitoring nutzen. Ornithologen gehen seit Jahren ehrenamtlich an mehr als 1.000 Stellen in Deutschland Flächen ab und erfassen Art und Zahl der Vögel, die sich dort finden.
    Andreas Krüß: "Aber die Ornithologen sind eben auch eine sehr gute und weit verbreitete Gruppe. Die Vögel sind relativ leicht in Anführungsstrichen anzusprechen. Wenn Sie das jetzt auf Insektengruppen übertragen, merken Sie sehr schnell, dass Sie da an Grenzen kommen."
    Schmetterlinge können noch vergleichsweise viele Menschen bestimmen. Viele anderen Insektenarten hingegen sind weitaus weniger bekannt und beliebt.
    "Es gibt sehr viele Insektengruppen, wo wir nur sehr wenige Leute haben, die so etwas machen können, und wo man dann Möglichkeiten finden muss, andere dazuzugewinnen, Wissen zu vermitteln. Auf welcher Ebene können wir dann eine Erfassung durchführen?"
    Mehr als 7.800 Arten stehen auf der Roten Liste
    Dass die Artenvielfalt der Insekten weltweit in Gefahr ist, ist trotz aller Aufregung infolge der Krefelder Publikation schon lange bekannt. Bereits mit der "Konvention für biologische Vielfalt" von 1992 hat die Staatengemeinschaft auf die Bedrohung der Biodiversität hingewiesen, und auch Deutschland hat sich zu deren Schutz verpflichtet. Schätzungen zufolge gehören mehr als 60 Prozent aller Tierarten zu den Insekten. Allein hierzulande haben Entomologen bislang rund 33.000 Arten beschrieben. Mehr als 7.800 davon stehen inzwischen auf der Roten Liste.
    Wer das Insektensterben sehen wollte, konnte es also sehen. Aber warum plant das Bundesamt für Naturschutz dann erst jetzt so eine umfassende Bestandsaufnahme?
    Andreas Krüß: "Es braucht bestimmte aufrüttelnde Effekte, damit die Leute wirklich realisieren, dass es fünf vor zwölf ist, wenn es dann schon drei vor zwölf ist. Wir versuchen einfach immer wieder durch vernünftige Politikberatung da etwas zu bewegen, aber es ist ja immer auch eine Sache der Priorisierung. Und manchmal sind eben andere Dinge wichtiger oder stehen im Interessenskonflikt. Es macht manchmal sehr müde, dass man sehr lange an Dingen arbeitet, aber man darf eben auch nicht nachlassen."
    "Müssen mehr tun für den Insektenschutz"
    Bis das Konzept für die bundesweite Insekten-Inventur steht, werden noch etliche Monate vergehen. Und bis es erste Daten gibt noch einige mehr. Doch Andreas Krüß will in der Zwischenzeit weitere Datenschätze wie den der Krefelder Entomologen heben und auswerten. Und allen, die nach immer neuen, größeren, umfangreicheren und statistisch besser abgesicherten Studien rufen, gibt Andreas Krüß mit auf den Weg:
    Andreas Krüß: "Dass wir etwas für den Insektenschutz mehr tun müssen als bislang, ist ganz klar. Und das können wir auch jetzt schon."