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Computer statt Kohle

Kohle, Stahl und Bier: Das waren einmal die Rohstoffe, von denen das Ruhrgebiet lebte. Lang ist's her. Heute sind Leucht-, nicht Zechentürme, gefragt. Technische Innovation, neue Unternehmen, Arbeitsmärkte, die erst erschlossen werden: Das ist der Stoff, aus dem im Ruhrgebiet Zukunft gesponnen wird.

Von Christine Heuer | 22.07.2007
    Wer darüber verfügt, hat im frisch ausgerufenen Wettbewerb der Regionen auch gute Chancen, an Fördergelder heranzukommen. Allein zwischen 2007 und 2013 stehen 1,3 Milliarden Euro aus dem EU-Regionalfonds zur Verfügung - dieselbe Summe legen noch mal das Land Nordrhein-Westfalen, die Kommunen und erstmals auch private Dritte drauf. Wer sich nicht selbst erneuern kann, droht aber endgültig hintenüber zu fallen. Auch im Strukturwandel des Ruhrgebiets gibt es Gewinner und Verlierer.

    In Dortmund hat die Zukunft schon begonnen. Matthias Mroczkowski (19) und Thomas Rock (21 Jahre alt) sitzen an den Rechnern in ihrem Ein-Zimmer-Büro im Technologie-Zentrum Dortmund.

    "Weißt Du noch wie die Datei hieß?" "Äh, Terratec unterstrichen, Mitschnitt, Punkt, de ..."


    Zusammen haben sie den "start to go-Wettbewerb der Stadt gewonnen. Ihr Preis: Ein halbes Jahr im TZDO - Gelegenheit zum Praxistest für ihre Firma audimark. Die Jung-Unternehmer verkaufen eine Computer-Technik, mit der Werbe-Agenturen kontrollieren können, ob ihre Spots im privaten Internet-Radio gelaufen sind.

    "'Die beste Musik im Netz - jetzt auch ohne Computer. Alles, was Du brauchst, ist der Noxan von Terratec - www.terratec.de...' - Also, das wäre jetzt ein Mitschnitt aus einem Internet-Radio, wo wir jetzt direkt Werbung gesendet hatten. Davor - das konnte man ja sehr gut erkennen - war ein kleines Audio-Signal, über welches wir sicher stellen können, dass der Werbespot auch gesendet wurde und über das wir auch herausrechnen können, wie viele Hörer diesem Spot zugehört haben."


    Für das Büro im Prä-Inkubator (dem ersten möglichen Brutkasten für junge Gründer) müssen die jungen Männer keine Miete bezahlen; kostenlos stellt ihnen das Technologiezentrum Besprechungsräume zur Verfügung und fachmännische Hilfe zum Beispiel im Umgang mit Banken. Damit sie sich ganz auf ihre Firma konzentrieren können, sorgt das TZDO - wie seine Sprecherin Simone Herrmann erläutert - auch für die nötige Infrastruktur.

    "Telefon, Fax, Internet - wird denen einfach eine Nummer zugewiesen, die können von vornherein arbeiten. Da braucht sich niemand um einen Wachdienst kümmern, um eine Putzfrau kümmern, um den Empfangsservice kümmern: Das steht. Das Telefon wird angenommen; jetzt gerade bei jungen Unternehmen, die vielleicht mit zwei, drei Leuten im Büro sind: Einer geht zum Kunden, einer geht zur Bank und noch einer ist gerade mal wohin - dann ist keiner zu erreichen in so einem kleinen Unternehmen. Und hier ist eben der Empfangsservice dafür zuständig. Und die Unternehmer, die haben ihren Kopierservice hier, die haben ihre Postfächer da. Die brauchen sich nur noch aufs Kerngeschäft konzentrieren."


    Das Technologiezentrum Dortmund ist das größte und erfolgreichste der gesamten Republik. 8500 Arbeitsplätze sind seit seinen Anfängen 1985 entstanden. Viele neue Gründer haben sich nach der Starthilfe durch das TZDO im angrenzenden Technologiepark angesiedelt. Manche Firmen, die wie audimark begonnen haben, beschäftigen inzwischen ein paar hundert Leute. Alles was modern ist und Erfolg versprechend, findet auf den alten Industrieflächen im Dortmunder Westen eine Heimat: Robotik, Nano- und Umwelt-Technologie, Biomedizin, Automatisierungstechnik - die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Nicht alle neuen Gründer sind dabei so jung wie die audimark-Unternehmer. Im Institut für Medizintechnik, ein paar Gebäude weiter vom Prä-Inkubator, öffnet Gerhard Preukschat die Tür zum nachgestellten Behandlungszimmer eines Zahnarztes.

    Gerhard Preukschat ist in der zweiten Hälfte seiner 60er Jahre angelangt. Früher war er in der Möbelbranche. Seit seiner Pensionierung verfolgt der Kaufmann ein ganz anderes Projekt mit Leidenschaft: Er möchte modernste Computertechnik zur Dental-Implantologie verkaufen. Nun steht er vor dem Prototyp seiner IT-gestützten Bohrstation - ausdruckslos starrt der Dummy-Patient auf dem Behandlungsstuhl an die Decke, während Gerhard Preukschat den Rechner hochfährt.

    "Ich rufe die Planung jetzt mal auf. Habe jetzt die Möglichkeit, anhand des Rechners die genaue Planung durchzuführen. D.h. er bekommt jetzt eine Information: wo ist seine Implantat-Position. Dort setzt er die Bohrerspitze an. Und wenn er das hat, kann der Implantologe jetzt anfangen zu bohren. Sobald er die von ihm vorgesehene Implantat-Tiefe erreicht hat, wird er visuell gewarnt. Das bedeutet jetzt für den Patienten: geringe traumatische Belastung. Und für den Implantologen bedeutet das Arbeit mit höchster Präzision."

    Noch ist die Zahl der Stellen, die Preukschat mit seinem Projekt schaffen wird, einstellig. dass die Medizintechnik Zukunft hat und wachsen wird, ist aber sicher. Deshalb ist sie ein klassisches Betätigungsfeld für die Wirtschaftsförderung der Stadt Dortmund, die früh eine realistische Strategie für den Strukturwandel im Ruhrgebiet entwickelt hat.

    "Wir kommen aus Dortmund, wir kommen aus Dortmund, wir kommen aus Dorsfeld, aus Hörde, kommen aus Dortmund. Meine Heimat, mein Land wird fast überall verkannt. Mit welcher Begründung werden wir primitiv und grau genannt? Vielleicht deshalb, weil hier eine Menge Fördertürme stehen, vielleicht weil hier eine Menge Menschen zu Hoesch malochen gehen..."

    Die Arbeitsplätze, die mit dem Bergbau und der Stahlindustrie verschwanden, bleiben verloren. Das war die eine Einsicht der Stadt - die andere bestand darin, auf Stärken zu setzen, die von bleibendem Wert sind: Darauf, dass die Hochschulstadt Dortmund ein ausgezeichneter Wissenschaftsstandort ist mit den Schwerpunkten Natur-, Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften.

    "Das, was wir aufbauen oder das, was in Dortmund erfolgreich produziert oder entwickelt wird, welche neuen Branchen sich auftun: Das sind genau die Arbeitsplätze, die dort entstehen für die Kinder und für die Enkelkinder dieser Leute, die früher unter Tage oder im Stahlbereich gearbeitet haben. D.h. es ist eine Frage der Zeit. Wir rechnen da auch über 20, 30 Jahre. Das was wir in Dortmund machen, ist keine schnelle Therapie, sondern wir wollen konsequent und nachhaltig neue Bereiche aufbauen, neue Strukturen aufbauen, die zukunftsträchtig sind", "


    sagt Pascal Ledune, Sprecher der Wirtschaftsförderung Dortmund. Und freut sich, dass seine Stadt - früher als andere im Ruhrgebiet - nach vorn geschaut hat statt zurück im Zorn. Es sei kein Zufall, dass die letzte Dortmunder Zeche ziemlich genau zu dem Zeitpunkt schloss, an dem das Technologiezentrum seine Pforten für interessierte Nachwuchskräfte öffnete.

    " "So eine gewisse Strategie in Dortmund ist es, eben nicht nur zu klagen und zu jammern und sich an alten Dingen festzuhalten. Dortmund hat sehr früh erkannt, dass die Sachen, die die Stadt früher groß gemacht haben: nämlich Kohle, Stahl und Bier, dass das irgendwann nicht mehr zieht, und aus dieser Erkenntnis heraus sich sehr früh Gedanken gemacht hat: Was kann man tun, was kann man machen, um Dortmund eine neue Zukunft zu geben? Da hat Dortmund einige Sachen vielleicht ein bisschen anders erkannt und sich den Herausforderungen eher gestellt."

    Der Wolf: Dortmund: "'Hey sag mal, was hat diese Stadt, was keine andere Stadt hat?' ‚Hör mal, das ist meine Heimat, verstehste das? - Nummer eins im Revier, hier lebe ich und hier bleib ich.' ‚Hier, nimm' doch noch 'n Bier, denn davon haben wir reichlich.' ‚Dortmund, ich komm' aus Dir, Dortmund, ich häng' an Dir.' ‚Also 'rein in die City zur späten Abendstunde...'"

    Nicht nur aus, auch nach Dortmund kommen inzwischen viele. Vor fünf Jahren noch war das anders - da wurde der Stadt prognostiziert, 30.000 Bewohner zu verlieren. Inzwischen gehen mehr Leute aus Köln weg als aus der Ruhrgebietsstadt. Dortmund hat die meisten jungen Bürger in der ganzen Republik. Zwar liegt die Arbeitslosenrate mit 14,6 Prozent nur leicht unter dem traurigen Durchschnitt im Ruhrpott - aber in Dortmund sinkt die Zahl der Erwerbslosen, und zwar sinkt sie stärker als in jedem anderen Arbeitsamtsbezirk Nordrhein-Westfalens. - Dazu tragen auch Männer wie Adolf Edler von Graeve bei. Im Technologie-Park Dortmund hat der pensionierte Manager Millionen investiert, um Leute für die Stanztechnik zu schulen. Früher gab es in Nordrhein-Westfalen 1200 Arbeitsplätze in der Branche. Die sind fast alle in den Südwesten Deutschlands verlagert worden. Denn dort gibt es Arbeitnehmer, die zu den Arbeitsplätzen passen: Metall-Facharbeiter, die ihr Handwerk verstehen. Während nach von Graeves Erfahrung im Ruhrgebiet ziemliche Laien die teuren Stanzmaschinen bedienen.

    "Sie gehen mit zweieinhalb Millionen um und wissen gar nicht, was sie tun. Tja. Nichts gegen den Friseurberuf oder den Landschaftsgärtner, die werden dann aber umfunktioniert und stehen vor solchen Maschinen und tun nichts anderes als sagen, wenn irgendwas passiert, muss man den roten Knopf drücken, und wenn nichts passiert den grünen. Und dann habe ich gesagt, wir müssten an und für sich in unseren Betrieben Leute ausbilden, dass die Spezialisten werden in diesem Bereich."


    In zwei Schulungsräumen, einem Labor und einer Werkstatt hat Adolf Edler von Graeve binnen eines Jahres 100 Kursteilnehmer qualifizieren lassen. 40 von ihnen waren arbeitslos - inzwischen haben sie alle eine feste Stelle. So weist es jedenfalls die Statistik aus - und dann steht einer aus der Statistik leibhaftig vor der Werkstatt: Es ist der 53jährige Heinz-Jürgen Marczinkowski, der seine feste Stelle beim eigenen Ausbilder gefunden hat.

    "32 Jahre war ich bei Hoesch, die haben zugemacht. Dann war ich zwei Jahre in der Auffanggesellschaft, zwei Jahre arbeitslos und anderthalb Jahre Hartz IV. Bin jetzt hier letztes Jahr in die Schulung gekommen, habe die Prüfung bestanden hier zur Umformungsstanzfachkraft und habe jetzt wieder einen festen Arbeitsvertrag. Und bin überglücklich."

    Gerade mal 25 Kilometer von Dortmund entfernt liegt am Schnittpunkt zweier Autobahnen die Stadt Herne.

    "In Herne überleben nur die Harten - ich war bis heute hart genug. Hier gibt es Hände groß wie Spaten, und hier spielt eigentlich das Dschungelbuch. Ich sage: - hey, hey - das Leben in Herne, - hey, hey - das Leben ist schön."


    Herne ist fast sechsmal kleiner als Dortmund und hat fünfmal weniger Einwohner. Herne gehört zu den großen Verlierern im Ruhrgebiet. Nach Herne verirren sich wenige Investoren, wegen der günstigen Verkehrsanbindung und der niedrigen Grundstückspreise meist Logistiker. Interessantere Arbeitgeber gehen nach Essen, Bochum, Duisburg oder eben nach Dortmund. Und das - stellt Stadtsprecherin Jutta Daniel ein bisschen resigniert fest - war eigentlich schon immer so.

    "Hier hat's ja mal mit Shamrock die erste Zeche gegeben. Dann wurde daraus die große Hibernia, die Veba, E.ON - und E.ON ist weggegangen nach Düsseldorf. So sieht's nämlich aus. Also immer dann, wenn sich solche Unternehmen weiterentwickelt haben und sich selbst umstrukturiert und modernisiert haben, dann sind sie hier aus dem richtigen Arbeitsbereich des Ruhrgebietes weggegangen an den Schreibtisch des Ruhrgebietes nach Düsseldorf oder auch nach Essen. Und das ist eine Bewegung, die kann eine Stadt nur sehr schwer kompensieren."

    Anders als in Dortmund sinkt die Arbeitslosenquote in Herne nicht; hier werden keine Firmen gegründet; Herne ist keine junge Stadt - und sie droht durch Abwanderung immer älter zu werden. Im Herner Rathaus am Friedrich-Ebert-Platz schauen Jutta Daniel und Stadtplaner Bodo Steiner der Wahrheit ins Auge:

    "Also, der Hauptgrund für Leute, Herne zu verlassen, ist der, dass sie woanders einen Arbeitsplatz haben. - Das sind die jungen, mobilen, gut ausgebildeten Leute. Ja, das ist klar. Zurück bleibt dann das, was weniger mobil ist, Leute, die ein gewisses Alter erreicht haben und diesen Schritt nicht mehr gehen können oder gehen wollen."

    Bayer - Leben in Herne: "Hier leben nicht nur kleine Leute, hier aß Heinz Rühmann schon Spiegelei. Wir hatten sogar schon mal einen echten Kreuzzug. Wanne-Eickel heißt heut' Herne Zwei. Ich sage: Hey, hey, das Leben in Herne..."

    Der Herner Stadtteil Wanne-Eickel gilt selbst in der Sorgenstadt noch als Sorgenkind. Die Wanner Fußgängerzone ist gesäumt von Spieltreffs, Trinkhallen und Schnäppchenmärkten. Am Glück-auf-Platz blicken Realisten zwischen Trotz und Resignation in ihre und die Zukunft ihrer Stadt.

    "Ach Quatsch, das ist sowieso alles Mist. Ist überall gleich. Das sieht doch überall so aus, oder nicht? Und dass keine Arbeit ist, das ist überall so. - Es müsste jetzt wieder aufwärts gehen, ja, jetzt in Herne, Wanne-Eickel eigentlich nicht. Weil: Wer kommt hier schon hin? Hier ist ja nichts mehr. - Ja, ich finde es einfach hier grausam. Die ganzen Jugendlichen hier, die kommen nur zu Drogen und versuchen zu klauen. - Also, ich finde die Aussichten hier mies."

    dass die Aussichten in Herne mies sind, würde Ulrich von der Linde nicht unterschreiben. Er leitet ein traditionsreiches Familienunternehmen; seit Jahrzehnten liefert von der Linde Arzneimittel an Apotheken vor allem in Nordrhein-Westfalen aus. 900 Menschen beschäftigt die Firma im Moment - wenn auch viele von ihnen nicht fest angestellt sind. Ulrich von der Linde investiert - in Herne. Und stellt der Stadt 100 Vollzeitarbeitsplätze in Aussicht. Zum Jahreswechsel will von der Linde auf dem Gelände einer abgerissenen Ammoniak-Fabrik eine neue Lager- und Vertriebshalle eröffnen. Was da passieren soll, erklärt der Chef beim Rundgang durch die Lager- und Vertriebshalle am Düsseldorfer Hauptsitz seines Unternehmens:

    "Hier ist der Kernbereich unserer Anlage: Die Automaten, die 55 bis 60 Prozent aller unserer Auftragspositionen abwickeln. Wir sehen jetzt die Befüllung: Das Band ist 70 Meter lang, und jetzt geht's darum, dass sich der Zentralbandabschnitt, wo die Produkte liegen, und die Kiste hier vorne treffen. Wenn einmal die Medikamente in der Kiste sind, kann ein Deckel drauf, und das Ding kann zum Kunden."

    Mit schleifendem Geräusch fährt ein Roboter die Arzneimittel-Gänge auf und ab und sorgt dafür, dass die richtigen Medikamente in den für sie zum Transport vorgesehenen Körben landen. Früher haben diese Arbeit natürlich Menschen erledigt. Die Technik macht aber weniger Fehler - und sie kostet auch weniger Geld. Genau wie das Grundstück, das von der Linde in Herne erworben hat - es war viermal günstiger zu haben als eine Vergleichsfläche in Düsseldorf. Im Fuhrpark seines Unternehmens erläutert von der Linde, wieso sich die Investition für sein Unternehmen lohnt:

    "Einige dieser Fahrzeuge haben wir jetzt auch aktuell beschriftet. Da steht drauf: Von der Linde-Arzneimittel bald noch schneller im Ruhrgebiet. Das ist für uns natürlich auch einer der entscheidenden Punkte, warum wir dieses neue Lager eben in Herne machen. Es ist im zentralen Ruhrgebiet, direkt an der Autobahnausfahrt A 43 Herne-Eickel, und das ist wirklich das Herz - logistisch gesehen - eines Ballungsraumes mit über sieben Millionen Einwohnern."


    Mit Autos und Bussen werden erst einmal auch viele Mitarbeiter von der Lindes von ihrem jetzigen Wohnort nach Herne pendeln. Manche wollen auch umziehen. Und dafür ist Herne bestens gerüstet: Denn zur Überlebensstrategie der Stadt gehört es, auf Wohn- und Freizeitqualität zu setzen. Das Ruhrgebiet hat fließende Stadtgrenzen - es ist leicht, in der einen Stadt zu arbeiten und in einer anderen zu wohnen. Darauf setzen die Herner Stadtplaner.

    In den letzten Jahren sind auf stillgelegten Bergbau-Flächen neue Einfamilien-Haus-Siedlungen gebaut worden; alte Stadtteile wurden instand gesetzt. Röhlinghausen zum Beispiel. Dort hat Klaus Blankenberg von der Fahrbereitschaft der Stadtverwaltung seine Kindheit verbracht. Dort wohnt er heute noch.

    "Früher, als die Zeche hier noch war, da bin ich als Kind immer hierher und habe meinen Opa abgeholt. Wenn ich aus der Schule kam und es lag mal Schnee war, da konnte man richtig die schwarzen Flocken auf dem weißen Schnee sehen. Früher war es eine Dreckecke - und jetzt, muss man sagen, ist viel gemacht worden."

    Auch eine Künstlerzeche gibt es in Herne. Dort rüstet man sich für die Kulturhauptstadt Essen 2010 - ein Großprojekt für die ganze Region. Am Rande alter Zechengelände ist außerdem ein Landschaftspark entstanden mit Radwegen durchs Ruhrgebiet - eine fünfköpfige Familie startet dort gerade zu einem Ausflug.

    "Ein bisschen mit dem Fahrrad hier zur Jahrhunderthalle runter, mal gucken, da kann man ja eigentlich schön fahren. Die Kinder sind beschäftigt - und wir auch. Und tut uns ganz gut, sag' ich noch mal. Letztes Mal sind wir zur Zeche Zollverein gefahren, da waren wir zwei Stunden gut unterwegs, ganz gemütlich.' - ‚Ja gut, von den Radwegen her ist es schöner geworden, das war früher nicht so möglich, ja, und eben dieses Grün. Das ist für die Kinder natürlich schöner, man muss nicht so aufpassen auf die Autofahrer. - Was machen Sie beruflich? - Ich bin Reinigungskraft. - Und Ihr Mann? - Zur Zeit leider arbeitslos."

    Auch arbeitslos kann man die Landschaft genießen, natürlich. Aber selbstverständlich wünscht sich die Stadt für ihre Bürger etwas anderes: Arbeit, Wohlstand und genug Geld, um die Infrastruktur auf Vordermann zu bringen, Straßen zu sanieren zum Beispiel oder Schulen und auch das Rathaus zu renovieren, das es dringend nötig hätte. Hernes Stadtplaner Bodo Steiner ergreift manchmal Wehmut, wenn er an die Möglichkeiten anderer Regionen denkt - und Jutta Daniel mitunter richtige Wut.

    "Wenn ich dann erlebe auch im ‚neuen Osten', wie dort der Wiederaufbau Gott sei Dank ja fortgeschritten ist, aber dann inzwischen sehe, wie in diesem Verhältnis viele Kommunen in Westdeutschland - und dazu gehört auch Herne - sich da abmühen und abstrampeln, dann werde ich gelegentlich schon mal zornig und erlebe mich auch so, wie ich die eigene Stadt so richtig verteidige."

    Bayer - Leben in Herne: "In Herne lebt man eben gerne. In Herne geht's mir gut."