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Corsogespräch
Susanne Betancor: Ich kann auch ohne Zweifel

Als die "Popette" ist Susanne Betancor dem einen oder anderen bekannt. Sie feiert ihr 25-jähriges Bühnenjubiläum mit einem neuen Album: "Mein Herz will sich schlagen" heißt es. Darin vereint sie Jazz mit Pop, Bossa und Reggae und beschäftigt sich mit Liebe und Zweifel, mit Halluzinationen und dem Wirtschaftsteil der Zeitung.

Mit Anja Buchmann |
    Susanne Betancor, bekannt als die Popette, Sängerin, Songschreiberin, Halbspanierin.
    Susanne Betancor, bekannt als die Popette, Sängerin, Songschreiberin, Halbspanierin. (picture-alliance / dpa/ Karlheinz Schindler)
    Anja Buchmann Frau Betancor, war will sich ihr Herz schlagen?
    Susanne Bentancor: Dieser schöne Satz, der mir einfiel, als ich entspannt an einem Plastiktisch an der Promenade von Las Palmas saß – da entsprang mir dieser Satz, mein Herz will sich schlagen. Und zwar ist es eine Textzeile aus dem Song "ich steh hinter dir". Und eines der vielen tatsächlichen Liebeslieder, die ich verbrochen habe für diese schöne Platte. Und Mein Herz will sich schlagen ist ein Satz, der tatsächlich sehr gut passt: Denn einerseits beinhaltet er diese Olympische Komponente des Besiegens, des Schlagens, aber auch diese emotionale Komponente. Also mein Herz will sich schlagen für etwas.
    Buchmann: Es geht, wie Sie schon sagten, vielfach um die Liebe. Und auch um Zweifel, wie Sie selbst dazu schreiben. Sind die beiden ohne einander undenkbar?
    Bentancor: Für mich schon. Ich ohne den Zweifel existiere ich nicht. Ich mache alles was ich tue, angetrieben durch den Zweifel. Der Zweifel ist mein Motor und meine Bremse. Ich funktioniere im Grunde in Ambivalenz. Ich bin streitbar, andererseits bin ich schüchtern. Ich stelle mich auf die Bühne und gleichzeitig bin ich wahnsinnig verklemmt. Also immer diese Ambivalenzen, die treiben mich an.
    "Eine große Portion Selbstausspähung"
    Buchmann:Warum geht es so viel um Liebe?
    Bentancor: Es hatten sich tatsächlich Liebeslieder angesammelt. Es sind ja typisch Betancorsche Liebeslieder: Also Liebeslieder aber immer auch im Spiegel der Gesellschaft und Liebeslieder, die auch eine sehr große Portion Selbstausspähung beinhalten. Also wenn man zum Beispiel den Baggersee nimmt, das ist ja kein ungebrochenes Liebeslied. Es gibt auf dieser Platte reinste Liebeslieder, wie "Du bist alles" oder "Atlas und Welt", einer meiner liebsten Songs... und Frau von der Leyen natürlich ist ein Liebeslied..
    Buchmann:Ein eindeutiges Liebeslied?
    Bentancor: Nein. Hier kommen wir natürlich zum Bruch, der auch sehr wichtig ist für meine Arbeit. Ein gebrochenes Liebeslied, das trotzdem voller Gefühl ist. Und deshalb ist Frau von der Leyen – geträumt heißt es ja eigentlich, der Titel, den gibt es ja schon seit 2008. Und jetzt erscheint der endlich auf CD und ich glaube ich habe zu Recht so lange gewartet, weil er jetzt auch musikalisch so ausgereift und fertig ist und auch weil ich einen neuen Refrain geschrieben habe. Und er jetzt wo er fertig ist, ist er so ein schönes, herzergreifendes Lied geworden.
    "Ich kann auch ohne Zweifel"
    Buchmann:Und hier vermisse ich fast ein bisschen den Zweifel: Weil sie voller Selbstüberzeugung und Inbrunst sagen: Das ist ein richtig gutes Lied geworden. Also Sie können auch ohne Zweifel?
    Bentancor: Ich kann auch ohne Zweifel. Sonst wäre es ja furchtbar, sonst würde ich mich auch nicht weiter entwickeln. Der Zweifel treibt mich an und es können dann auch durchaus gelungene Ergebnisse hinten raus kommen. Wie Helmut Kohl sagte.
    Buchmann:25 Jahre, man mag es kaum glauben, gibt es die Popette oder die Betancor...
    Bentancor: Die Betancor. Die Popette gibt es erst seit 20 Jahren.
    Buchmann:Also 25 Jahre Betancor. Im Zusammenhang mit dem gerade besprochenen Zweifel – gab es in den letzten 25 Bühnenjahren Situationen, in denen Sie sehr gezweifelt haben an Ihrem Weg?
    Bentancor: Ich habe immer wieder gezweifelt, habe mir selbst große Brocken in den Weg gelegt. Oder mir sind auch große Brocken in den Weg gelegt worden. Zum Beispiel qua Krankheit oder auch... das Alter. Spielt ja auch immer eine Rolle. Wenn man mit 25 anfängt, voller Elan, kann man sich gar nicht vorstellen dass man mal 50 wird. Ich habe zwar früher schon gesagt: Ich werde immer das machen, was ich jetzt mache, auch mit 70 noch. Das war mein Glück. Deshalb kann ich auch im Alter noch gelassen vor mich hin arbeiten. Das ist eine Gnade, dafür bin ich sehr dankbar, dass ich diesen Beruf habe und auch diese Fähigkeiten auf mich vereint habe. Ich habe ja auch tatsächlich viel dafür getan, dass ich das kann was ich kann.
    "Jazz ist meine Antriebsfeder"
    Buchmann:Apropos Alter: Ein Jazzbassist hat mir mal gesagt, er wäre unter anderem auch Jazzmusiker, weil er in diesem Job in Würde altern könnte, auch auf der Bühne.
    Bentancor: Richtig, da hat er sehr, sehr recht. Und da der Jazz ja meine Antriebsfeder ist – und eigentlich mein, nicht Mutterkuchen, das ist ein schiefes Bild... aber ich ernähre mich im Grunde seit 30 Jahren vom Jazz. Weil das meine Musik ist, die mich begeistert und auch das Emotionale in meiner Musik, das glaub ich kommt aus dem Jazz.
    Buchmann:Ihre Affinität zum Jazz schlägt sich zum einen in den Stücken, zum anderen aber auch in ihren Mitmusikern nieder. Ulla Oster am Bass ist Jazzbassistin, Clara Haberkamp, Pianistin und Sängerin kommt auch aus dem Jazzbereich, Dirk Berger, Gitarrist, langjähriger Begleiter von Ihnen, auch – der Schlagzeuger jetzt nicht so...
    Bentancor: Der Schlagzeuger nicht, der ist tatsächlich das Popelement in unserer Band. Mit dem habe ich zusammen gearbeitet mit Lychee Lassi vor 15 Jahren. Die haben ja diese Mischung aus Instrumental-Hip-Hop, Space-Funk-Jazz... tolle Band. Daher kenne ich den und der kann auf jeden Fall auch Jazz bedienen, auch wenn er das niemals so sagen würde. Aber das macht das Spannende aus, denn ich bin ja eine Freundin des Gebrochenen. Auch in der Musik - das macht das Interessante aus. Und diese Band, die ich um mich versammeln konnte, das ist die beste Band der Welt, anders kann ich es nicht sagen. Und das tolle an dieser Band ist, es ist eine gemischte Band. Drei Frauen und zwei Männer. Also zwei Frauen, zwei Männer, mit mir überwiegt dann der Frauenanteil. Das finde ich in dieser Zeit, wo es im Grunde immer mehr zurückgeht, also der "Backlash" all überall vor der Tür steht, finde ich das ein sehr gutes Gefühl.
    "Halluzinationen ist ein verwirrtes Liebeslied"
    Buchmann:Es gibt auch ein altes Stück auf ihrem neuen Album – nämlich die Halluzinationen. Wie sind sie da drauf gekommen?
    Bentancor: Oh, die Halluzinationen. Das ist glaub ich eines meiner besten Lieder, das ich je geschrieben habe.
    Buchmann:War das auf "Privat ist modern"?
    Bentancor: Ja, privat ist modern. Meine erste Platte, produziert von Stoppock. Da ich im Laufe der Jahre eine neue dritte Strophe geschrieben habe und diese dritte Strophe noch nicht auf CD war, und Halluzinationen auch ein verwirrtes Liebeslied ist, haben wir das auf die Platte genommen. Und zwar in einer fast bebop-mäßigen Schnellversion.
    Buchmann:Ja, es hat tatsächlich eine Art Shuffle-Rhythmus.
    Bentancor: Es ist unter zwei Minuten.
    Buchmann:Dann wäre es ein wunderbares Stück, im Anschluss an unser Gespräch zu spielen.
    Bentancor: Oder doch lieber die neueren. Dann müssen Sie glaub ich den Wirtschaftsteil spielen.
    Buchmann:...auf den ich eh noch zu sprechen kommen wollte...lesen Sie tatsächlich gern den Wirtschaftsteil?
    Bentancor: Nein. Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Ich zwinge mich manchmal, um meine Vorurteile zu prüfen. Oder es gibt ja auch die nachhaltige Wirtschaft. Und da ist es auch gut, wenn man sich ein bisschen informiert, weil man dann die Welt mit anderen Augen sehen kann. Aber zum Beispiel die Börsenzahlen interessieren mich gar nicht. Die Börse finde ich überschätzt bzw. schlimm.
    Aber Wirtschaftsteil sollte man ab und zu mal lesen. Also wenn ich mich mal loben darf: Ich finde es ein sehr gelungenes Lied.
    Buchmann:Warum?
    Bentancor: Es hat ein schönes Maß an Betancorscher Selbstausspähung. Es hat was von Resignation und auch von Größenwahn. Und das sind zwei Elemente, die auch vorkommen möchten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.