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Cottbus
Gespaltene Stadt

Marode Wirtschaft und hohe Arbeitslosigkeit sind der Dauerzustand - seit Wochen kommen in Cottbus nun noch Auseinandersetzungen zwischen Rechtsextremen und Flüchtlingen hinzu. Am vergangenen Wochenende gingen Menschen beider Lager abermals auf die Straße.

Von Vanja Budde |
    Ein Syrer zeigt bei der Demonstration von Flüchtlingen und Cottbusern unter dem Motto "Leben ohne Hass" eine Flyer mit der Aufschrift "Freiwillig in Cottbus".
    Ein Syrer zeigt bei der Demonstration von Flüchtlingen und Cottbusern unter dem Motto "Leben ohne Hass" eine Flyer mit der Aufschrift "Freiwillig in Cottbus" (dpa/Bernd Settnik)
    Es ist ein grauer, kalter Tag in Cottbus, auf dem Altmarkt in der Innenstadt werden bunte Luftballons aufgeblasen. Knapp 1000 Menschen strömen auf den Platz: Flüchtlinge, Familien mit Kindern, Rentner, Studenten der BTU Cottbus. Initiiert hat diese Demonstration eine Gruppe junger Männer aus Syrien.
    "Ich bin gegen Hass. Deswegen bin ich hier."
    Mehrere ihrer Landsleute hatten den 4.000 Flüchtlingen in Cottbus jüngst einen Bärendienst erwiesen: Hatten Deutsche mit Messern bedroht und in einem Fall sogar verletzt. Die demonstrierenden Flüchtlinge wollen sich davon distanzieren und deutlich machen: Das waren widerliche Taten, die sie genauso verurteilen wie die Einheimischen.
    "Das finde ich auch nicht gut, wenn die Ausländer was Gutes tun, dass davon niemand redet. Aber wenn sie was Schlechtes tun, dann geht es über alles, Medien und so. Das finde ich eigentlich echt Quatsch."
    Viel Alltagsrassismus
    Die Gewaltspirale begann mit einem Angriff von rechten Schlägern auf afghanische Flüchtlinge, die in der Neujahrsnacht teils krankenhausreif geprügelt wurden. In ihrem Wohnheim, unter den Augen des Wachschutzes. In Cottbus gebe es auch viel Alltagsrassismus berichten junge Männer aus Syrien und Afghanistan. Ein Gang durch die Stadt werde für sie oft zum Spießrutenlauf.
    "Die haben uns also schlechte Worte gesagt und so ‚Ausländer raus‘ und so. Da hatten wir echt Angst. Und ich gehe jetzt nur zur Arbeit und komme zurück nach Hause. Ja, man bekommt Angst."
    Und das nicht zu Unrecht, bedauert Gideon Botsch vom Moses-Mendelssohn-Zentrum der Universität Potsdam. Der profilierte Kenner der rechtsextremistischen Szene betont:
    "Dass Cottbus der Hotspot der Gewalttaten gegenüber Flüchtlingen gewesen ist in den vergangenen Jahren und auch in diesem Jahr geblieben ist, dass die Zahlen hier exorbitant sind. Wir haben schon seit langem dort stärkeren Zuspruch für rechtsextreme Parteien und auch ausgeprägtere entsprechende Einstellungswerte als im Rest des Landes Brandenburg. Und wir haben natürlich politische Akteure, die hier ganz gezielt diese Situation auch erkannt haben und in diese Situation reinmobilisieren."
    "Bis in den gewaltbereiten Neonazismus"
    Akteure, die unter dem Dach des Vereins "Zukunft Heimat" agieren. Ihre fremdenfeindliche Gegendemonstration bringt am Nachmittag deutlich mehr Teilnehmer auf die Straße, als das links-liberale Bürgerbündnis. Darunter auch viele aus Sachsen Angereiste. Pegida-Erfinder Lutz Bachmann spricht; die AfD trägt große Transparente dem Zug voran; am Rande tummeln sich finstere Figuren aus der örtlichen Neonazi - Kampfsport- und Hooligan-Szene.

    "Das reicht dann tatsächlich in den Bereich des harten Rechtsextremismus, des gewaltbereiten Neonazismus. Wir sehen hier Identitäre, wir sehen hier die bundesweit tätige Plattform "Ein Prozent" am Wirken. Wir sehen hier eine sehr, sehr unangenehme Gemengelage, die hier zusammenkommt."
    Dieses Andocken von Extremisten will AfD-Landeschef Andreas Kalbitz noch nicht wahrgenommen haben:
    "Ich hab auf einer Zukunft-Heimat-Demo noch keine Fahnen der Identitären Bewegung gesehen und würde da auch nicht sprechen, in so einem Fall. Dass die Kontrolle begrenzt ist bei einer derartigen Masse an Menschen, das ist klar, das lässt sich auch nicht generell sortieren. Für uns ist klar: Für Extremismus - ob von rechts oder von links - ist kein Platz in der AfD."
    Vor dem Plakat "Die Islamisierung ist wie ein Krebsgeschwür und ist die größte Gefahr für die Menschheit" stehen Demonstranten auf dem Oberkirchplatz. Der Verein Zukunft Heimat e.V. hatte zu der Demonstration aufgerufen. Foto: Bernd Settnik/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
    Demo des Vereins Zukunft Heimat e.V. (picture alliance / dpa / Bernd Settnik)
    "Cottbus soll offen und tolerant sein"
    Besorgte Bürger seien mittlerweile die Minderheit bei den Demonstrationen von "Zukunft Heimat", gibt dagegen Gideon Botsch zu bedenken. Ministerpräsident Dietmar Woidke hatte dazu aufgerufen, nicht zuzulassen, dass Rechtsextremisten ein Klima der Angst und des Hasses verbreiten.
    "Denn Cottbus soll eine offene, eine tolerante, eine weltoffene Stadt sein."
    Fordert auf der Demonstration des Bürgerbündnisses Brandenburgs SPD-Kulturministerin Martina Münch, die in Cottbus lebt.
    "Und das, was in den letzten Wochen hier passiert ist, ist völlig undiskutabel. Gewalt ist keine Lösung und selbstverständlich gelten die Regeln, die wir hier haben, auch für alle."
    Die eigentliche Frage sei, wie Deutsche und Migranten in Cottbus zusammenleben wollten, sagt ein Redner der Initiative "Cottbus nazifrei". Und diese Frage könnten weder das Innenministerium in Potsdam noch der bei der Demonstration nicht anwesende Bürgermeister Holger Kelch von der CDU beantworten. Sondern nur die Bürger selbst.
    "Indem wir uns entscheiden, gegen ein Cottbus der Angst und des Hasses zu kämpfen; indem wir uns entscheiden, dass wir einen Unterschied machen zwischen Deutschen und einer Minderheit von Rassisten und Nazis; indem wir uns entscheiden, einen Unterschied zu machen zwischen den 8.000 Ausländern, die in dieser Stadt leben, und einer Minderheit von Kriminellen."