Archiv


Das kranke Herz der Stadt

Der Omonia-Platz, Platz der Einheit, Platz der Arbeiter, Platz der Einwanderer, das alte Herz Athens. 1833 wird er angelegt - zur gleichen Zeit wie der Syntagma-Platz, der Platz der Verfassung. Der Omonia-Platz - das kranke Herz Athens. Wo einst Palmen standen ist heute eine hocherhitze Betonwüste.

Von Reinhard Baumgarten |
    Bettler, Drogenhändler, Kleinkriminelle, Bordsteinschwalben – der Omonia-Platz hat in den vergangenen Jahren eine dramatische Transformation erlebt.
    Große Geschäfte und Hotels haben früher den Omonia-Platz gesäumt, sagt Theophanis. Der 66-Jährige ist als junger Mann hierher gekommen. Damals befanden sich die zentralen Geschäfte Athens am Omonia-Platz. Damals war der Platz eine der wichtigsten Anlaufstellen für Neuankömmlinge in der griechischen Hauptstadt.
    Grundsätzlich hat sich das bis heute kaum geändert. Aber Sprache, Hautfarbe und kultureller Hintergrund der Ankömmlinge sind anders.
    Den nördlichen Teil des Platzes kontrollieren Bulgaren und Russen, den östlichen Albaner, den Süden Kurden. Dazwischen afrikanische Straßenhändler. Der Omonia-Platz – der Platz der Einheit – ist zu einem gefährlichen Pflaster geworden.
    "Nachts kannst du dich hier nicht aufhalten. Der Platz ist voller Drogensüchtiger und Straßennutten. Es gibt viele illegale Einwanderer. Man fühlt sich sehr unsicher."

    Jeden Tag schlürft Theophanis seinen griechischen Mokka in seinem Stammlokal. Er will sich durch den wirtschaftlichen Niedergang seines Wohnviertels mit dem zentralen Platz und durch die hohe Kriminalität nicht davon abhalten lassen.

    "Wo sollen wir denn hin?" fragt sein Freund Yannis. "Wir haben unsere Häuser, unsere Familien, wir haben hier ein Haus gekauft. Wo sollen wir hingehen?"

    Parallel zum wirtschaftlichen und sozialen Niedergang ist der Omonia-Platz auch zum Symbol für städtebauliche Verschlimmbesserungen geworden. Der Einheitsplatz ist hässlich, abweisend, kein Ort, wo sich Menschen niederlassen, ausruhen oder zumindest verharren können. U-förmig umfließt der Verkehr den Platz, dessen Zentrum eine riesige Betonplatte und ein Lüftungsschacht für die darunter liegende U-Bahn bildet.

    "Der Omonia-Platz ist als Platz tot", meint Yannis, der vor 64 Jahren hier geboren worden ist, nie wegzog und den Niedergang mit wachsender Bitterkeit verfolgt hat. "Wir haben Angst. Wir trinken unseren Kaffee und sagen, lass uns bloß aufpassen, wir wissen nicht, was passiert. Überall sind Drogensüchtige, Prostituierte, illegale Einwanderer. Wir haben Angst."

    Die Polizei, ergänzt sein Freund Theophanis, zeige nur Präsenz. Tagsüber stehe sie herum. Selten greife sie ein. Und manchmal, wirft der Kette rauchende Yannis zwischen zwei Zügen an seiner Zigarette ein, erteilten sie unsinnige Ratschläge.
    "Morgens um acht habe ich meine Frau zur Kirche gebracht. Auf dem Rückweg musste ich an einer Gruppe Kurden vorbei. Sie haben mir mit dem Auto den Weg abgeschnitten, sind auf mich zu und haben mir meine goldene Halskette geklaut. Als ich die Polizei verständigt habe, haben die gesagt: Mann, was geht es du auch in diese Gegend, bleib da weg."
    Der Rechtsstaat hat teilweise kapituliert am Omonia-Platz, dem Herzen der Athener Mittelschicht und Arbeiterklasse. Hier, betont Theophanis, sollten die empörten Bürger protestieren, nicht am ein Kilometer entfernten Platz der Verfassung, dem Syntagma-Platz.
    "Der Omonia-Platz ist das Herz der Probleme. Er ist symptomatisch für die Probleme unseres Landes. Hier herrscht Arbeitslosigkeit, hier sind die Menschen jeden Tag der Gewalt von Kriminellen ausgeliefert."

    Der Omonia-Platz – eine hocherhitze und vernachlässigte Betonwüste – im Zentrum Athens. Viel Geld ist hier in den vergangenen Jahren vergraben worden, während die Lebensqualität unaufhörlich gesunken ist.