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"Das Politisch Klügste wäre eine UN-Legitimation"

Der Gründer der Hilfsorganisation Grünhelme, Rupert Neudeck, befürwortet eine Intervention in Libyen. Er rät dazu, rein militärische Ziele aus der Luft anzugreifen und warnt vor einem rein westlichen Eingriff.

Rupert Neudeck im Gespräch mit Jürgen Liminski | 04.03.2011
    Christoph Heinemann: Zur Lage in Libyen hat mein Kollege Jürgen Liminski mit Rupert Neudeck, dem Gründer der Hilfsorganisation Grünhelme gesprochen. Die erste Frage war: Unter welchen Bedingungen ist ein Eingreifen geboten?

    Rupert Neudeck: Es gibt die sogenannte Responsibility to Protect, das ist eine völkerrechtliche Verpflichtung der Staatengemeinschaft, die dann entsteht, wenn man sieht, dass ein Volk zugrunde gerichtet wird. Und in diesem Fall wäre es der erste Fall, dass ein Volk von dem eigenen Präsidenten, von der eigenen Regierung, von der eigenen Armee zugrunde gerichtet wird und also Tausende von Todesopfern zu beklagen sind. Es ist nicht die unmittelbare Folge der Völkermordkonvention, die ja gebieterisch auch ein Eingreifen der Völkergemeinschaft verlangt, aber ich denke, die Verpflichtung zu schützen ist gleich wichtig völkerrechtlich, und damit auch gleich legitimiert.

    Liminski: So eine Intervention, völkerrechtlich abgedeckt, muss auch politisch organisiert werden. Der französische Außenminister Juppé meint, das geht nicht ohne ein Mandat der UNO. Ist das der einzige Weg, kann die NATO nicht ohne die UNO intervenieren oder eine Gruppe starten, sagen wir mal eine Koalition der Willigen, falls die UNO das Mandat verweigert? So ein Mandat hängt ja auch von machtpolitischen Erwägungen ab.

    Neudeck: Das politisch Wichtigste und Klügste wäre natürlich in diesem Fall eine UNO-Legitimation über den Sicherheitsrat der UNO, die aber gleichzeitig politisch auch abgewogen werden muss in dem Sinne, es darf natürlich möglichst nicht eine westliche Intervention sein, sondern es müsste eine sein, die aus den arabischen und den afrikanischen Staaten kommt. Denn wir wissen ja, was solche Interventionen, wenn sie denn von einer Volks- oder einer nationalen, regionalen Gruppe kommen, die eben nicht unmittelbar freundschaftlich mit den bisherigen Mächten dort zusammengearbeitet hat, das heißt, es kann dann dem Gaddafi in diesem Fall auch Wasser auf die Mühlen spielen. Wir hatten ja in Afrika schon mal eine Intervention, die legitimiert war und die von einer afrikanischen Staatengruppe geleitet wurde, das war die in der Zeit von Charles Taylor in Liberia, da gab es die sogenannte ECOMOG, das war die Militäreingreiftruppe der Westafrikanischen Staatengemeinschaft, der ECOWAS, und die hat eigentlich auch im Vergleich zu anderen Interventionen der UNO eine ganze Menge Gutes gebracht, man kann das nicht ganz ablehnen, man kann das nicht ganz wegschieben. Das wäre eigentlich das, was jetzt angesagt wäre.

    Liminski: Aber der arabische Teil, das ist schwierig vorzustellen, zumal in einigen arabischen Ländern, gerade in der Region selber Unruhen sind und man sich dort selber noch sortieren muss.

    Neudeck: Das könnten sich natürlich ganz schnell ändern und es geht ja jetzt auch um Schnelligkeit. Also man muss nicht unbedingt jetzt die Militärintervention natürlich am Boden eingreifen lassen an bestimmten Stellen, wo Gaddafi seine Waffen gehortet hat und wo die militärischen Einrichtungsgegenstände konzentriert sind. Wenn die ausgeschaltet wären, wäre ja ein großer Schrecken von der Bevölkerung schon genommen, immer unter der Voraussetzung, dass wir uns alle freuen würden, wenn am nächsten Morgen der Diktator abgehauen ist. Unter der Voraussetzung, dass das nicht geschieht, muss die Staatengemeinschaft in den nächsten Tagen zeigen, dass sie wehrhaft genug ist, um das Drangsalieren eines großen Teils der Bevölkerung von Libyen zu verhindern.

    Liminski: Sie sagen, es muss nicht unbedingt mit Bodentruppen geschehen. Welche Eskalationsstufen an Interventionen sehen Sie denn noch?

    Neudeck: Na ja es könnte sehr gut eine Absicherung erst mal an der Grenze sein, sodass also alle, die rausgehen wollen aus dem Land, jetzt rausgehen können, das wäre das Einfachste zunächst mal für den unmittelbaren Prozess der bedrohten Menschen. Das Zweite wäre, dass man versucht, rein militärische Ziele anzugreifen aus der Luft, dafür gibt es auch die ägyptische Luftwaffe, die das ja tun könnte. Das hätte den Vorteil, dass es eben nur ganz wenige Kollateralschäden gäbe. Aber das ist in der Geschichte ja schon manchmal passiert. Was nicht passieren darf, ist, dass wir der Bevölkerung dort zeigen wie in Ruanda, dass wir dort nur alle unsere Leute rausholen mit Kriegsschiffen der Briten zum Beispiel, und die Bevölkerung dort ihrem Schicksal unter Gaddafi überlassen. Das hätte desaströse Konsequenzen für das Image des Westens, Europas und Amerikas in der arabischen Welt.