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Das Traumziel wird zum Albtraum

Gedacht war sie auch als Katalysator für Demokratie in der Region: Die Union für das Mittelmeer steckt jedoch in der Sackgasse, droht sich immer mehr als Totgeburt zu entpuppen.

Von Burkhard Birke |
    "Das ist ein großer Versuchsballon von Nicolas Sarkozy – wenn wir in zwei oder drei Jahren aufwachen, dann wird dieses Projekt wie Wasser unter irgendeiner Brücke dahinplätschern ..."

    Die Befürchtung, die Saad Jabbar, Nordafrika Experte von der Universität Cambridge, bei der Gründung der Union für das Mittelmeer am 13. Juli 2008 äußerte, ist traurige Realität geworden. Das Traumziel der Initiative, die Mittelmeerregion in ein Gebiet der Demokratie, Kooperation und Prosperität zu verwandeln, wird zum Albtraum. Zwei Mal schon wurde das längst fällige Gipfeltreffen der 43 Mitgliedsstaaten verschoben mit der Folge, dass offiziell immer noch Frankreich und Ägypten den Vorsitz führen.

    Der jordanische Generalssekretär des im prunkvollen Palacio de Pedralbes in Barcelona residierenden Sekretariats ist vorgestern, nach nur einem Jahr im Amt, zurückgetreten. Die Bedingungen hätten sich verändert, hieß es lapidar in einem Kommuniqué. Die wahren Gründe nannte Ahmad Massa’deh kürzlich in einem Interview:

    "Ich wünsche, dass Israelis und Palästinenser sich endlich wieder an einen Tisch setzen, und einen Frieden aushandeln. Und: Ich bin nicht so glücklich darüber, dass unser Budgetantrag um mehr als 60 Prozent gekürzt wurde. Darin spiegeln sich der Wille und die Orientierung der Mitglieder wider."

    Nur 6,2 statt 14,5 Millionen Euro bekam das Sekretariat für die Mittelmeerunion. Säuberung des Meeres, Ausbau großer Seefahrtsstraßen, Bildung und Solarenergie: Gerade einmal 72 Millionen Euro wurden dafür im Rahmen der EU-Nachbarschaftshilfe in den letzten beiden Jahren bewilligt. Daneben existieren natürlich Infrastrukturfonds und Kreditlinien bei der Europäischen Investitionskreditbank, wobei die Weltbank mit 750 Millionen Dollar für saubere Energien noch die größte Summe bereitgestellt hat.

    Konkrete Fortschritte bei den praktischen Zielen lassen auf sich warten.
    Wegen des ungelösten Nahostkonfliktes kommen kaum globale Projekte zustande: Eine Konferenz über Wasserversorgung endete ergebnislos, weil Israel den Ausdruck ‘besetzte Gebiete’ im Schlusskommuniqué nicht akzeptierte. Was im Kleinen und Konkreten bei Projekten nicht funktioniert, läuft im Großen erst gar nicht, und das hat nicht nur etwas mit dem Nahostkonflikt zu tun.

    Ägypten und Frankreich stehen gemeinsam noch immer der Mittelmeerunion vor. Frankreich bot Tunesien zu beginn der Proteste mit den Worten der Außenministerin die Expertise seiner Sicherheitskräfte an. Ägypten geht zur Stunde mit harter Hand gegen Demonstranten vor.

    "Die Lage in Tunesien hat Frankreich sicher unterschätzt. Als Präsident mahne ich aber zur Vorsicht, jetzt daraus abzuleiten, dass wir in großem Stil Algeriern, Marokkanern, Jordaniern, Syrern, Ägyptern sagen müssen, was sie zu denken und zu tun haben. Diese Länder sind unabhängig und souverän."

    Sagte Nicolas Sarkozy vergangenen Montag. Zumindest verbal blieb der Glaube des französischen Präsidenten an die Union für das Mittelmeer unerschüttert:

    "Sie wissen doch weshalb sie blockiert ist."

    Neue Initiativen wolle Frankreich ergreifen! Die Frage ist ob immer noch mit Ägyptens Staatschef Mubarak und wann?