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Dauergäste im Tierpark Hagenbeck
Ein täglicher Blick auf Pinguine und Elefanten

Von Maike Strietholt |
    Unwirtlich ist das Wetter an diesem Sommertag – Sturmwarnung, fröstelige 14 Grad, von Zeit zu Zeit fallen sintflutartige Schauer. Für Gisela Eberhardt, 72 Jahre alt, kein Grund, ihren Tierparkbesuch zu verschieben. Sie kommt immer.
    "Jeden Tag! Wobei Wind und Wetter und auch Schnee mir nicht so viel ausmachen ... Ich gehe immer sehr früh durch den Park – das kommt daher: Ich wohne am Ausgang Nord und nutze den Park immer auf dem Weg zur U-Bahn. Und abends wieder zurück."
    Natürlich ist sie auch mit dem Portier vertraut – der soeben eine alte Dame eingelassen hat, ebenfalls Dauerbesucherin ...
    "Ja ja, die kommt jeden Tag. 13:15 Uhr läuft sie ein! Ja, so Kleinigkeiten, 'wie geht's', oder 'bis später', spricht man schon..."
    Inzwischen ist auch Sabine Kalsow am Haupteingang eingetroffen, eine schlanke Frau Mitte 50, die seit über zehn Jahren eine Jahreskarte hat. Sie ist heute mit Gisela Eberhardt verabredet...
    "Man lernt sich schon im Laufe der Zeit kennen. Jeder hat so sein Lieblingstier. Ein Mann interessiert sich vor allem für die Hühner. Und die Elefanten haben eine große Fangemeinde, da sitzen sie dann auch stundenlang und beobachten..."
    Und bei Sabine Kalsow sind es eben die Pinguine – die sie nun auch erst einmal besuchen möchte :
    ""Wir gehen jetzt Richtung Eismeer, wo wir viel Zeit verbringen, meine Familie und ich. Wir hatten auch acht Jahre einen Patenpinguin, der auch handzahm war. Irgendwie war er für uns wie ein Haustier, das ausgelagert war... Man brauchte nur rufen 'Hallo, Inge', er kam auch immer."
    Vor zwei Jahren starb Pinguin Inge, der eigentlich ein Männchen war, überraschend. Ein neues Patentier hat Sabine Kalsow seither nicht, die 38-köpfige Pinguintruppe kennt sie aber nach wie vor mit Namen:
    "Das ist Clooney und Finja, das sind Andrea und Bert, Wolles und Alessa, Danny und Carmen..."
    Und nicht zu vergessen Juan und Carlos, das schwule Pinguinpärchen. Und die haben...
    "...Im vergangenen Jahr ein verwahrlostes Küken von einem anderen Pinguinpaar untergeschoben bekommen, und dann haben die das ganz liebevoll aufgezogen, obwohl sie noch ganz junge waren und noch nie etwas mit einem Ei zu tun gehabt haben..."
    Da sind die Pinguine vielleicht fortschrittlicher als die Menschen, fügt Gisela Eberhardt grinsend hinzu. Sie hat keine eindeutigen Favoriten unter den Tierparktieren – aber die Bären besucht sie eigentlich immer. Auf dem Weg dorthin, vorbei an Elefanten und Riesenschildkröten, kreuzt eine Gruppe Tierpfleger...
    Sie grüßen freundlich. Auf die Dauergäste ist schließlich auch in ihrer Funktion als aufmerksame Parkwächter Verlass – wenn ein Besucher mal wieder über die Stränge schlägt...
    ""Man sagt dann schon mal was, es gibt aber auch welche, die dann sehr rabiat reagieren..." - "Etwas leiden müssen oftmals die frei laufenden Tiere: Die Pfauen werfen in Kürze ihre Federn ab, und dann erlebt man immer wieder Leute, dass auf die Federn getreten wird, nur weil man die haben möchte. Das finde ich sehr, sehr schlimm."
    Man fühlt sich eben mit verantwortlich. Kaum verwunderlich, dass so viel Identifikation im persönlichen Umfeld der beiden Damen gelegentlich auf Amüsement stößt ...
    "Wenn ich dann erzähle, werde ich manchmal erwischt, wenn ich sage: 'Unser Elefant bekommt jetzt Nachwuchs'...die lachen schon immer..."
    Ein Glück, dass zumindest der Chef ebenfalls eine Jahreskarte besitzt.
    Inzwischen sind die beiden bei den Bären angekommen – Gisela Eberhardt erläutert:
    "Das sind Kamtschatkabären, ja das sind Braunbären. Von der russischen Halbinsel Kamtschatka. Die Jungen sind eineinhalb Jahre alt – das ist die Mama, und das ist der Papa. Sie spielt so gern mit dem Ball, dann wirft sie ihn aber immer hier drüber. Ich bin da schon mehrmals durch die Büsche gekrochen und hab ihn ihr zurückgeworfen ... "
    Generell tue der Tierpark viel für die Beschäftigung der Tiere – teils mit ausgefallenen Mitteln, wie Sabine Kalsow erzählt:
    "Auch so ein Strohsack, in dem Gewürze sind... Die riechen so gern andere Gerüche." - "Curry, dann werden die ganz wild und haben was zu spielen." - "Der Bär steht auf Curry, und auf Parfum, hat man mir erzählt – deswegen ist er mir auch so sympathisch", ...witzelt Gisela Eberhardt. Ernsthaft fügen die beiden dann noch hinzu, dass sie eine kritische Sicht auf die Haltung von Wildtieren in Gefangenschaft durchaus verstehen können – sie aber einen großen Vorteil in der Zoohaltung sehen:
    "Einfach weil den Kindern oder auch uns Erwachsenen diese Tiere nahe gebracht werden. Wenn wir sie sehen, riechen, fühlen können, dann haben wir auch Respekt." - "Gerade auch unsere Kinder in der Stadt – die sehen hier glaube ich zum ersten Mal auch die Haustiere, die Esel und die Ponys. Und wenn sie nicht hier gehalten würden, dann hätten die gar keine Chance dazu..."
    Da sind sich die beiden Dauerkartenbesitzerinnen einig – und verabschieden sich, zumindest für heute,vor dem Bärengehege.
    Und dann dreht Frau Eberhardt um und marschiert quer durch den Tierpark zurück nach Haus – zum dritten Mal an diesem Tag.